AGB-Kontrolle bei Ausschlussfristen

1. Ausschlussfristen in Formulararbeitsverträgen verstoßen grundsätzlich nicht gegen die §§ 305 ff. BGB.

2. Eine zweistufige Verfallsklausel im Formulararbeitsvertrag ist regelmäßig weder überraschend noch verletzt sie im Einzelfall das Transparenzgebot i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

3. Ist eine Stufe der Verfallsklausel unwirksam, führt dies nicht automatisch dazu, dass die Verfallsklausel insgesamt unwirksam ist.

4. Ob eine zweistufige Verfallsklausel teilbar ist, ist anhand des sog. Blue-Pencil-Tests zu prüfen.

(Leitsätze der Bearbeiterin)

BAG, Urteil vom 12. März 2008 – 10 AZR 152/07

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Bild: Corgarashu / stock.adobe.com
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Problempunkt

Das BAG hatte darüber zu entscheiden, ob eine zweistufige Verfallsklausel zu Vergütungs- und Prämienansprüchen in einem Arbeitsvertrag wirksam war. Insbesondere war die Frage zu prüfen, ob sie gegen die §§ 305 ff. BGB verstößt.

Die Parteien hatten im Arbeitsvertrag unter Ziffer 17 vereinbart, dass beiderseitige Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Auf der zweiten Stufe der Klausel war vorgesehen, dass der Mitarbeiter, sofern der Arbeitgeber den Anspruch ablehnt, ihn innerhalb eines weiteren Monats gerichtlich geltend machen muss, ansonsten verfällt er.

Darüber hinaus hatten die Parteien eine Klausel zur Prämienregelung vereinbart. Sie verpflichtet den Prämienempfänger, bis spätestens vier Wochen, nachdem das Unternehmen die Prämienhöhe festgestellt bzw. gezahlt hat, diese ggf. zu reklamieren. Anderenfalls soll die (möglicherweise falsch berechnete) Prämie als richtig anerkannt gelten.

Der Arbeitnehmer hatte im vorliegenden Fall ihm zustehende Prämienansprüche teilweise erst gerichtlich geltend gemacht, nachdem die in § 17 vorgesehene dreimonatige Frist nach Fälligkeit bereits abgelaufen war. Die Arbeitgeberin wendete daraufhin ein, die Prämienansprüche seien verfallen und die Ausschlussklausel im Arbeitsvertrag (jedenfalls) auf der ersten Stufe wirksam. Ein Verstoß gegen die §§ 305 ff. BGB lag nach ihrer Auffassung nicht vor.

Entscheidung

Das BAG entschied, dass der geltend gemachte Prämienanspruch des Arbeitnehmers verfallen war. Die hier in Frage stehende Klausel stellt eine Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. d. §§ 305 ff. BGB dar. Die Parteien dürfen eine Ausschlussfrist grundsätzlich auch im Arbeitsvertrag vereinbaren. Die §§ 305 ff. BGB enthalten keine Bestimmung, wonach eine solche Ausschlussfrist regelmäßig unwirksam sein soll.

Die Klausel war nach Auffassung des BAG auch nicht überraschend gemäß § 305c Abs. 1 BGB. Dagegen spricht bereits, dass sie als eigenständige Ziffer des Arbeitsvertrags ausgestaltet ist. Darüber hinaus stellte das BAG darauf ab, dass Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen „durchaus üblich“ sind.

Schwerpunkt der rechtlichen Prüfung war schließlich, ob die Ausschlussfristen möglicherweise gegen § 307 Abs. 1 BGB verstoßen („unangemessene Benachteiligung“). Dabei unterschied das Gericht zwischen der ersten und zweiten Stufe. Ist nur eine Stufe unwirksam, kann die Klausel in Anwendung des § 306 BGB grundsätzlich geteilt werden. Die Teilbarkeit ist mittels des sog. Blue-Pencil-Tests zu prüfen: Streicht man den unwirksamen Teils der Vereinbarung und verbleibt eine verständliche Restklausel, bleibt diese bestehen. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, ob der unwirksame Teil der Klausel sprachlich abtrennbar ist.

Dies war im vorliegenden Fall gegeben. Das BAG stellte bei der Beurteilung vor allem darauf ab, dass beide Stufen für sich eigenständige sachliche Regelungen enthalten: Auf der ersten Stufe hatten die Parteien vereinbart, dass Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind. Die zweite Stufe bestimmte, dass der Mitarbeiter bei einer Ablehnung durch die Arbeitgeberin binnen eines Monats Klage einreichen muss. Das BAG kam daher zu dem Ergebnis, dass die zweite Stufe der Ausschlussklausel wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam war, die erste Stufe aber Bestand hat, da sie für sich allein stehen kann.

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Konsequenzen

Das BAG hat mit diesem Fall seine Rechtsprechung zu Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen weitergeführt. Dabei sind noch einmal folgende Grundsätze deutlich geworden:

> Arbeitsverträge dürfen grundsätzlich Ausschlussfristen enthalten. Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verbietet sie nicht allgemein. Vielmehr ist es überaus üblich, sie zu vereinbaren.

> Verwendet der Arbeitgeber aber Ausschlussfristen, die vorsehen, dass der Mitarbeiter seinen Anspruch innerhalb eines Zeitraums von weniger als drei Monaten nach Fälligkeit bzw. nach Ablehnung durch den Arbeitgeber gerichtlich geltend machen muss, verstoßen sie gegen § 307 Abs. 1 BGB und sind unwirksam.

Die Mindestfrist für die gerichtliche Geltendmachung beträgt nach der Rechtsprechung des BAG drei Monate. Alles andere benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen. Ob eine zweistufige Ausschlussfrist wirksam ist, ist auf der jeweiligen Stufe zu prüfen: Ist eine Stufe unwirksam, führt dies nach § 306 BGB nicht automatisch dazu, dass die gesamte Klausel unwirksam ist. Vielmehr ist zu prüfen, ob man die zweistufige Klausel in Anwendung der Grundsätze des sog. Blue-Pencil-Tests teilen kann. Dies ist der Fall, wenn beide Stufen sprachlich selbstständig bestehen können, weil sie eingeständige sachliche Regelungen enthalten. Ist die Klausel teilbar, bleibt die eigenständige Restklausel wirksam mit der Konsequenz, dass sie die Ansprüche zulasten des Arbeitnehmers ausschließen kann

Praxistipp

Das BAG hat zugunsten der Arbeitgeber noch einmal bestätigt, dass sie zweistufige Ausschlussfristen für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verwenden dürfen. Ob eine solche Klausel wirksam ist, bestimmt sich anhand der §§ 305 ff. BGB. Sie stellt als Regelung des Arbeitsvertrags – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar. Der Arbeitgeber sollte darauf achten, die Anforderungen an die Mindestfrist von drei Monaten für die gerichtliche Geltendmachung einzuhalten. Darüber ist es wichtig, dass beide Stufen der Ausschlussfrist jeweils eine eigenständige sachliche Regelung treffen und sprachlich voneinander eindeutig abtrennbar sind. Schließlich empfiehlt es sich, Ausschlussfristen immer als eigenständige Vereinbarung (durch Paragraf oder Ziffer) im Arbeitsvertrag deutlich erkennbar zu machen, um einem möglicher Verstoß gegen das Überraschungsverbot des § 305c Abs. 1 BGB vorzubeugen.

RAin und FAin für Arbeitsrecht Katrin Borck, Hinds + Kollegen, Berlin

Redaktion (allg.)

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