Anfechtung eines Aufhebungsvertrags

1. Sofern der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer widerrechtlich mit einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung droht, um ihn zur Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags zu bewegen, ist eine dem Mitarbeiter zur Unterzeichnung eingeräumte Bedenkzeit nicht geeignet, die Widerrechtlichkeit der Drohung zu beseitigen.


2. Bei Hinzutreten weiterer Umstände kann die vom Arbeitgeber gewährte Bedenkzeit allerdings die Kausalität der Drohung für den späteren Abschluss des Aufhebungsvertrags beseitigt haben

(Leitsätze der Bearbeiter)

BAG, Urteil vom 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 § 123 BGB

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Bild: Kzenon/stock.adobe.com
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Problempunkt

Der klagende Arbeitnehmer begehrte mit seiner Klage u.a. die Feststellung, dass die von ihm wegen widerrechtlicher Drohung erklärte Anfechtung des mit seinem Arbeitgeber abgeschlossenen Aufhebungsvertrags wirksam ist und das Arbeitsverhältnis daher nicht beendet wurde.

Der Kläger war bei der Beklagten mehrere Jahre als angestellter Rechtsanwalt tätig. Infolge von Meinungsverschiedenheiten über eine angeblich nicht abgestimmte Veröffentlichungstätigkeit des Klägers legte ihm die Beklagte schließlich das Angebot eines Aufhebungsvertrags vor und räumte ihm eine kurze Bedenkzeit zur Unterzeichnung ein. Für den Fall, dass er sich dagegen entscheiden sollte, kündigte sie eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses an. Ohne die ihm eingeräumte Bedenkzeit auszuschöpfen, unterbreitete der Kläger bereits wenige Stunden nach Zugang des Vertragsangebots ein inhaltlich geändertes Gegenangebot. Auf dieser Basis unterzeichneten die Parteien noch am selben Tag den Aufhebungsvertrag.

Nachdem der Kläger zunächst vereinbarungsgemäß und beanstandungslos weiter für die Beklagte gearbeitet hatte, focht er kurz vor Ablauf der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung an.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigte zunächst seine bisherige Rechtsprechung, nach der die Androhung, das Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche Kündigung beenden zu wollen, wenn der Arbeitnehmer nicht einen Aufhebungsvertrag abschließt, eine Drohung i.S.v. § 123 Abs. 1 BGB darstellt. Das Gericht bekräftigte weiterhin seine - und im Ergebnis auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs -, dass die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung auch widerrechtlich ist, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.

Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung hat das BAG nun entschieden, dass eine dem Mitarbeiter eingeräumte Bedenkzeit die Widerrechtlichkeit der Drohung nicht beseitigt. Denn bei Feststellung der Widerrechtlichkeit bleiben äußere Umstände, die keinen Einfluss auf den Inhalt der Drohung haben, außer Betracht.

Im Einzelfall kann jedoch die dem Mitarbeiter gewährte Bedenkzeit die Kausalität der Drohung für den späteren Abschluss des Aufhebungsvertrags beseitigt haben. Allerdings ändert eine dem Arbeitnehmer eingeräumte Bedenkzeit ohne Hinzutreten weiterer Umstände nichts an der Ursächlichkeit der Drohung. Von einer Willensbildung, die nicht mehr maßgeblich durch die Drohung beeinflusst ist, kann erst gesprochen werden, wenn der Anfechtende die Bedenkzeit etwa dazu genutzt hat, die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung durch aktives Verhandeln - z.B. eigene neue Angebote - erheblich zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Dies gilt insbesondere, wenn er selbst rechtskundig ist oder zuvor Rechtsrat eingeholt hat bzw. aufgrund der Dauer der eingeräumten Bedenkzeit hätte einholen können.

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Konsequenzen

Das BAG hat sich in seiner Entscheidung nunmehr klar dazu geäußert, ob eine zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags eingeräumte Bedenkzeit die Widerrechtlichkeit der Drohung, anderenfalls eine fristlose Kündigung auszusprechen, beseitigt. In vorherigen Entscheidungen hat es diese Frage zwar aufgeworfen, letztlich jedoch immer offen gelassen.

Damit hat es im Schrifttum vertretenen Ansichten, eine solche Bedenkzeit beseitige die Widerrechtlichkeit, eine klare Absage erteilt. Nach Auffassung des BAG bleibt eine vorhandene Widerrechtlichkeit trotz einer Bedenkzeit für den Arbeitnehmer bestehen, so dass unter solchen Voraussetzungen geschlossene Verträge weiterhin dem Risiko der Anfechtbarkeit ausgesetzt sind.

Gleichzeitig hat es jedoch aufgezeigt, dass es Fallgestaltungen geben mag, in denen eine Anfechtung des Aufhebungsvertrags durch den Arbeitnehmer ausgeschlossen ist, weil es an der Kausalität der Drohung für die angefochtene Willenserklärung fehlt. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer durch aktives Verhandeln den Vertrag zu seinen Gunsten beeinflusst hat. Lediglich wenn er darlegt, er habe seine Willenserklärung auch in diesem Fall immer noch unter dem Druck der widerrechtlichen Drohung abgegeben, ist die Ursächlichkeit gegeben.

Praxistipp

Will der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags beenden, sollte er eine außerordentliche fristlose Kündigung für den Fall des Nichtzustandekommens des Vertrags nur in eindeutigen Fällen in Aussicht stellen. Entsprechende Drohungen im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss schaffen regelmäßig das Risiko der Anfechtbarkeit, das auch eine Bedenkzeit grundsätzlich nicht beseitigt. Das Unternehmen kann eine Anfechtbarkeit aber ggf. durch eine während der Bedenkzeit von ihm in Gang gesetzte Verhandlungssituation vermeiden, in der der Arbeitnehmer idealerweise aktiv versucht, die Vereinbarung zu seinen Gunsten zu verändern. Dies kann etwa dadurch erfolgen, dass er auf Anregung des Arbeitgebers eigene Gegenvorschläge unterbreitet oder Rechtsrat einholt bzw. aufgrund der eingeräumten Bedenkzeit hätte einholen können.

RA und FA für Arbeitsrecht Andreas Vogel, Rechtsreferendar Christian Callies, Ashurst LLP, Büro Frankfurt a.M.

Redaktion (allg.)

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