Anhörung der Arbeitnehmervertretung bei Probezeitkündigung

1. Bei einer Personalrats- oder Betriebsratsanhörung zu einer Kündigung in der Probezeit muss der Arbeitgeber die Sozialdaten nicht mitteilen, wenn sie irrelevant sind, um die Wirksamkeit der Kündigung zu beurteilen.

2. Eine Interessenabwägung hat nicht zu erfolgen. Der Arbeitgeber ist – bis zur Grenze des Missbrauchs – frei darin, Arbeitnehmer in der Probezeit zu kündigen.

(Leitsätze der Bearbeiterin)

BAG, Urteil vom 23. April 2009 – 6 AZR 516/08

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Bild: Kzenon/stock.adobe.com
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Problempunkt

Der Kläger, Jahrgang 1962 und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet, war seit dem 16.8.2006 bei dem beklagten Land im Rechenzentrum der Universität beschäftigt. Innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit kündigte das Land dem Kläger, da es mit dessen Leistungen nicht zufrieden war. Zuvor unterrichtete es mit Schreiben vom 31.1.2007 den zuständigen Personalrat über die geplante Kündigung während der Probezeit. Hinsichtlich der Gründe nahm das Land Bezug auf den beigefügten Vermerk eines Mitarbeiters, der darin die Leistungen als unzureichend und nicht steigerungsfähig beschrieb. Das Alter des Klägers oder dessen Unterhaltspflichten teilte es dem Personalrat für seine Anhörung nicht mit. Dieser forderte das beklagte Land am 7.2.2006 auf, die Kündigung nicht zu übergeben. Das Land sprach sie dennoch am 12.2.2009 aus.

Der Kläger war der Auffassung, die Anhörung sei unvollständig und fehlerhaft und die Kündigung daher insgesamt unwirksam. Das Land habe dem Personalrat weder die Sozialdaten noch die Kündigungsart oder die Kündigungsfrist mitgeteilt. So sahen das auch das Arbeitsgericht und das LAG, die der Kündigungsschutzklage entsprechend stattgaben.

Entscheidung

Das BAG hob die Entscheidung des LAG auf und wies die Klage ab. Die Anhörung genügte den gesetzlichen Vorgaben. Dem Gesamtzusammenhang war zu entnehmen, dass es um eine ordentliche Kündigung ging. Der Arbeitgeber hatte den Personalrat ausdrücklich über eine „Kündigung während der Probezeit“ informiert. Das Schreiben teilte zudem die tarifvertragliche Eingruppierung des Klägers mit. Damit konnte der Personalrat die einschlägige Kündigungsfrist aus dem Tarifvertrag entnehmen.

Die fehlenden Sozialdaten des Klägers machten die Personalratsanhörung nicht unwirksam: Das beklagte Land musste sein Alter und die Unterhaltspflichten nicht aufführen, da diese für den Kündigungsentschluss in keiner Weise relevant waren. Die Gründe wurzelten einzig und allein in der schlechten Leistung.

Mangels Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) war auch keine Interessenabwägung vorzunehmen. Die sechsmonatige Wartezeit dient nämlich gerade dazu, dass sich der Arbeitgeber währenddessen ein Bild über die Leistung und Führung des Arbeitnehmers macht. Kommt er zu dem Ergebnis, dass er zukünftig nicht mit ihm zusammenarbeiten möchte, soll er sich wieder trennen können. Für eine Überprüfung anhand objektiver Maßstäbe – abgesehen von Missbrauchstatbeständen – ist dann kein Raum.

Das BAG sieht derartige Konstellationen vergleichbar an mit denen der Betriebsschließung: Kündigt der Arbeitgeber allen Arbeitnehmern, muss er nicht anhand von Sozialdaten abwägen. Er braucht diese daher, sofern sie nicht z. B. relevant sind, um die Kündigungsfrist zu berechnen, nicht mitzuteilen.

Ein Überblick über die drei Teilbereiche des „Kollektiven Arbeitsrechts“: Betriebsverfassungsrecht (BetrVG, SprAuG, EBRG), Unternehmensmitbestimmungsrecht (DrittelbG, MitbestG, Montan-MitbestG), Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht (TVG, Artikel 9 III GG)

Konsequenzen

Diese Gründsätze lassen sich aufgrund der vergleichbaren Rechtslage auch auf privatrechtliche Arbeitgeber mit Betriebsrat übertragen. Das BAG nimmt ausdrücklich Bezug auf § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Damit besteht nun deutlich mehr Klarheit und Rechtssicherheit, was das Unternehmen der Arbeitnehmervertretung im Rahmen einer Probezeitkündigung mitteilen muss: alles, worauf es seine Kündigungsentscheidung stützt. Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des BAG außerhalb der Probezeitkündigungen (BAG, Urt. v. 16.9.2004 – 2 AZR 511/03, AuA 4/05, S. 247): Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht subjektiv tragenden Kündigungsgründe genannt hat. Teilt er dagegen nur Scheingründe mit oder sind die Gründe unvollständig – insbesondere weil er die wahren Motive bewusst verschweigt – genügt dies nicht.

Im Rahmen der Probezeitkündigung kommt aber hinzu, dass die Wartezeit der Erprobung dient und der Arbeitgeber frei kündigen kann, wenn er mit den Leistungen unzufrieden ist. Er muss dann keine Interessenabwägung vornehmen und dabei irgendwelche Daten oder Umstände berücksichtigen, die für den Arbeitnehmer sprechen. Entsprechend ist er auch nicht verpflichtet, dem Betriebsrat der Vollständigkeit halber sämtliche Sozialdaten mitzuteilen. Alter und Unterhaltspflichten spielen bei der Probezeitkündigung wegen Schlechtleistung keine Rolle – weder für die Gründe noch für die Kündigungsfrist.

Praxistipp

Es ist aber dennoch Vorsicht geboten: Anhörungen zu Probezeitkündigungen sind sorgsam zu erstellen. Sie sind häufig der einzige Anknüpfungspunkt, den der gekündigte Arbeitnehmer hat, um gegen die Kündigung vorzugehen. Daher muss der Arbeitgeber hier mindestens ebenso sorgfältig sein wie bei einer Kündigung innerhalb des KSchG. Das gilt besonders, wenn er erst am Ende der Probezeit kündigen will: War die erste Anhörung unwirksam, kann es bereits zu spät sein, sie zu wiederholen, da das KSchG durch Ablauf der sechs Monate bereits anwendbar ist.

Im Rahmen einer Probezeitkündigung ist zumindest mitzuteilen:

– Name des Mitarbeiters,

– Tätigkeitsbeginn und vereinbarte Probezeit,

– Art der Kündigung,

– Kündigungsfrist und

– Hintergründe, auf die der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss stützt.

Eine Probezeitkündigung bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber die Gründe, die zur Kündigung führen, dem Personal bzw. Betriebsrat nicht mitteilen muss. Er hat vielmehr nur die Freiheit, sich auf Gründe zu berufen, die unter Anwendung des KSchG nicht ausreichen. Diese muss er aber bei einer Probezeitkündigung dennoch konkretisieren, damit der Entschluss für den Personal- bzw. Betriebsrat nachvollziehbar ist.

RA und FAin für ArbR Astrid Kermer, Schulte Riesenkampff Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main

Redaktion (allg.)

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