Annahmeverzug bei Aufhebungsvertrag

Stellt sich im Nachhinein heraus, dass ein Aufhebungsvertrag tatsächlich nicht zustande gekommen ist, so hat der Arbeitgeber regelmäßig nur dann eine Vergütung aus Annahmeverzug zu zahlen, wenn der Arbeitnehmer zuvor seine Arbeitsleistung ausdrücklich angeboten hat.
(Leitsatz der Bearbeiterin)

BAG, Urteil vom 7. Dezember 2005 - 5 AZR 19/05 §§ 293 ff. BGB

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Bild: Kzenon/stock.adobe.com
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Problempunkt

Die Parteien streiten über einen Vergütungsanspruch aus Annahmeverzug. Die Klägerin war bei dem Beklagten mit einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden beschäftigt, von denen sie jeweils 15 Stunden am Sitz des Beklagten und von zu Hause aus erbrachte. Allerdings forderte der Arbeitgeber sie auf, zukünftig ihre Leistung vollständig am Dienstsitz auszuführen. Dies lehnte die Mitarbeiterin ab. In der Folgezeit erschien sie wegen Arbeitsunfähigkeit und Urlaub nicht mehr zur Arbeit und wurde schließlich unter Weiterzahlung der Vergütung freigestellt. Zwischenzeitlich hatte sie Feststellungsklage dahin gehend erhoben, dass der Beklagte verpflichtet sei, sie lediglich 15 Stunden an seinem Dienstsitz zu beschäftigen. In außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen bemühten sich die Parteien, das Arbeitsverhältnis gegen eine Abfindungszahlung zu beenden. Während der Arbeitgeber behauptete, dabei sei ein Aufhebungsvertrag geschlossen worden, bestritt die Klägerin eine derartige Vereinbarung. Das Arbeitsgericht bestätigte den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Ihre Arbeitskraft bot die Mitarbeiterin dem Beklagten indes ausdrücklich erst 9 Monate später an. Sie klagt nun auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Zeitraum zwischen dem vom Beklagten fälschlicherweise angenommenen Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Arbeitsangebot. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

Entscheidung

Die Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg. Der Beklagte befand sich im streitigen Zeitraum zwischen vermeintlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses und angebotener Arbeitsleistung nicht im Annahmeverzug. Nach § 293 BGB liegt ein Verzug des Arbeitgebers vor, wenn er die ihm angebotene Leistung des Arbeitnehmers nicht annimmt. Dabei muss sich gem. § 294 BGB der Arbeitnehmer grundsätzlich zur vertraglich vereinbarten Zeit an den vereinbarten Dienstort begeben und die geschuldete Leistung anbieten. Dies gilt gerade dann, wenn das Bestehen eines Aufhebungsvertrags von dem Mitarbeiter bestritten wird. Ein bloß wörtliches Angebot im Sinne des § 295 BGB genügt in diesen Fällen regelmäßig nicht.

Hier haben während der bezahlten Freistellung der Klägerin zwischen den Parteien Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag stattgefunden. Dem Vortrag des Beklagten, es sei eine solche Vereinbarung geschlossen worden, widersprach die Klägerin. Vor dem Hintergrund, dass diese zuletzt überhaupt nicht mehr gearbeitet und behauptet hatte, ihr sei eine dauerhafte Arbeitsleistung am Sitz des Beklagten nicht zumutbar gewesen, hätte sie durch ein tatsächliches Angebot ihrer Arbeitskraft am Sitz des Beklagten deutlich machen müssen, dass sie zur Arbeitsleistung im Umfang von 30 Wochenstunden bereit sei.

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Konsequenzen

Ist das Zustandekommen eines Aufhebungsvertrags streitig, so bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs des Arbeitgebers in der Regel eines tatsächlichen Angebots der Leistung durch den Arbeitnehmer. Der Unternehmer kann ein solches Angebot sogar erwarten, wenn der Vertrag durch den Mitarbeiter bestritten wird. Letzterer hat zu verdeutlichen, dass er weiterhin zu den vertraglichen Bedingungen arbeiten möchte. Diese Anforderung trifft den Arbeitnehmer auch nicht unverhältnismäßig schwer, als diesem - anders als bei der Kündigung - durch den Arbeitgeber nicht einseitig die Arbeitsmöglichkeit entzogen wird. Ein wörtliches Angebot nach § 295 BGB genügt aus diesem Grunde regelmäßig nicht. Es wäre nur dann ausreichend, wenn dem Arbeitnehmer im Einzelfall, etwa nach einem Hausverbot, ein tatsächliches Angebot nicht zumutbar wäre oder der Arbeitgeber ihm erklärt hätte, dass er die Leistung ohnehin nicht annehmen werde.

Praxistipp

Als Arbeitgeber ist stets gut beraten, wer vertragliche Vereinbarungen mit seinen Beschäftigten schriftlich schließt. Dies gilt namentlich für Verträge in Verbindung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wird mangels schriftlicher Fixierung und den damit einhergehenden Beweisschwierigkeiten für den Arbeitgeber das Zustandekommen eines Aufhebungsvertrags durch den Mitarbeiter wirksam bestritten, so obliegt es Letzterem, zu beweisen, dass er seine Arbeitskraft ordnungsgemäß angeboten hat. Der Arbeitgeber sollte daher möglichst bereits vor einem Gerichtsverfahren zur Einschätzung des Prozessrisikos sorgfältig prüfen, ob ein etwaiges Angebot des Arbeitnehmers den Anforderungen des § 294 BGB gerecht wird. Insbesondere genügt eine lediglich angebotene Teilleistung nicht.

RAin Kerstin Weingarten Rechtsanwaltskanzlei Ablas & Weingarten, Kamen

Redaktion (allg.)

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