Bonusmeilen stehen dem Arbeitgeber zu

1. Die von einem Arbeitnehmer auf vom Arbeitgeber angeordneten Dienstreisen erworbenen Vielflieger-Bonusmeilen stehen grundsätzlich dem Arbeitgeber zu. Dies gilt auch dann, wenn - wie bei den meisten Bonusprogrammen üblich - ausschließlich natürliche Personen Bonusmeilen erwerben können und die entsprechende Mitgliedschaft auf Basis der persönlichen Daten des Arbeitnehmers erworben wird.

 

2. Allerdings kann sich aus einer betrieblichen Übung auch ergeben, dass die Bonusmeilen vom Arbeitnehmer privat verwendet werden dürfen.

(Leitsätze des Bearbeiters)

BAG, Urteil vom 11. April 2006 - 9 AZR 500/05 §§ 667 ff. BGB

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Bild: grafikplusfoto/stock.adobe.com
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Problempunkt

Das BAG hatte darüber zu entscheiden, ob die anlässlich dienstlich veranlasster Flüge erworbenen Bonusmeilen dem Arbeitgeber oder aber dem Arbeitnehmer zustehen: Ein im Außendienst beschäftigter Mitarbeiter hatte auf diese Weise zuletzt insgesamt etwa 350.000 Bonusmeilen im Vielfliegerprogramm "Miles&More" gesammelt, welche einen Wert von rund 9.700 Euro verkörpern. Die Arbeitgeberin hatte seit geraumer Zeit Kenntnis von der Teilnahme des Außendienstlers an dem Programm und schritt gegen dessen ausschließlich private Verwendung der Bonusmeilen auch nicht ein. Erst im Jahr 2003 untersagte sie die weitere Privatnutzung und ordnete an, die Meilen nur noch für geschäftliche Zwecke zu verwenden. Hiergegen wehrte sich der Mitarbeiter in erster Instanz zunächst erfolgreich, verlor jedoch sowohl in zweiter als auch in dritter Instanz.

Entscheidung

Dienstlich erworbene Bonusmeilen stehen dem Arbeitgeber zu, der anordnen darf, dass solche Bonusmeilen ausschließlich für dienstliche Zwecke einzusetzen sind. Dieses Ergebnis hat das BAG in bemerkenswerter Deutlichkeit und in Übereinstimmung mit der in der Literatur vorrangig vertretenen Ansicht ausgesprochen. Allerdings ergeben sich in der betrieblichen Praxis ausweislich der Urteilsbegründung weiterhin erhebliche Risiken für Unternehmer, die der Thematik „Vielfliegerprogramme“ keine hinreichende Aufmerksamkeit zuwenden. Denn aus einer sog. betrieblichen Übung kann durchaus ein Anspruch des Mitarbeiters auf eine private Nutzung von Bonusmeilen entstehen. Eine betriebliche Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen Arbeitnehmer ableiten können, dass ihnen eine bestimmte Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden soll. Ein solches wiederholtes und gleichförmiges Verhalten wertet die Rechtsprechung als ein entsprechendes Angebot zur Änderung des Arbeitsvertrages, welches von den Beschäftigten regelmäßig stillschweigend angenommen wird. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber einen entsprechenden Verpflichtungswillen hat oder sich gar über die Konsequenzen seines Verhaltens im Klaren ist. Es genügt, wenn die Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger das Vorgehen des Arbeitgebers als auf Dauer angelegt verstehen und sich auf auch zukünftig entsprechendes Verhalten einstellen durften. Da eine betriebliche Übung auch durch eine bloße Duldung des Unternehmens entstehen kann, ist hier äußerste Aufmerksamkeit angezeigt. Dass im entschiedenen Fall eine betriebliche Übung verneint wurde, hat die beklagte Arbeitgeberin nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, dass der Kläger im Prozess nicht dargelegt hatte, ob und bei wie vielen weiteren Mitarbeitern die private Nutzung der Bonusmeilen geduldet worden war. Daher konnte das BAG den für eine betriebliche Übung erforderlichen kollektiven Bezug, das heißt die Betroffenheit mehrerer, jedenfalls aber einer abgrenzbaren Gruppe von Arbeitnehmern, leichthin verneinen. Den Anspruch des Arbeitgebers auf die dienstlich erworbenen Bonusmeilen folgert das BAG zu Recht aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 667 ff. BGB. Danach ist ein Beauftragter verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben. Er soll aus der Besorgung eines Geschäftes weder Nachteile erleiden noch Vorteile erzielen. Folgerichtig trägt der Auftraggeber alle Kosten und Risiken des Geschäfts, so dass ihm - nur konsequent - auch alle Vorteile gebühren. Da der Arbeitgeber die dienstlich veranlassten Flugreisen des Mitarbeiters bezahlt, stehen ihm auch sämtliche daraus resultierenden Vorteile und somit auch die erworbenen Bonusmeilen zu.

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Konsequenzen

Arbeitgeber können zunächst grundsätzlich davon ausgehen, dass dienstlich erworbene Bonusmeilen nicht dem Arbeitnehmer für private Zwecke, sondern eben dem Unternehmen zustehen. Diese erfreuliche Klarstellung wird allerdings durch die Grundsätze der betrieblichen Übung eingeschränkt, was in der Praxis zu einem genau entgegengesetzten Ergebnis führen kann: Werden im konkreten Einzelfall die oben genannten Voraussetzungen einer betrieblichen Übung bejaht, kann der Arbeitgeber auf die Bonusmeilen nicht zugreifen und auch keine einseitige Anordnung treffen, dass diese künftig ausschließlich dienstlich zu verwenden sind. Unternehmen, welche bislang keine ausdrückliche Regelung zur Verwendung von dienstlich erworbenen Bonusmeilen aufgestellt haben, sind daher gut beraten, hier Klarheit zu schaffen. Denn eine einmal entstandene betriebliche Übung kann nur durch eine einvernehmliche Vertragsänderung aufgehoben oder durch den steinigen Weg der Änderungskündigung beseitigt werden.

Praxistipp

Jedenfalls bei der Einstellung neuer Mitarbeiter sollte das Thema Bonusmeilen eine ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag dahingehend erfahren, dass aus dienstlichem Anlass erworbene Vorteile aus Vielfliegerprogrammen dem Arbeitgeber zustehen; bereits bestehende Arbeitsverträge sollten entsprechend angepasst werden. Ein bloßes Verschweigen der Problematik im Sinne einer Vogel-Strauß-Taktik bleibt für den Arbeitgeber hoch riskant.

Prof. Dr. Oliver Haag, Hochschule Heilbronn

Redaktion (allg.)

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