Problempunkt
Die Arbeitgeberin A wendet in ihrem Betrieb den Gehaltstarifvertrag für Angestellte der Druck-/Medienindustrie (GTV) an. Oberste Gehaltsgruppe ist die Tarifgruppe 9. Die Vergütung beträgt hier 4.117 Euro brutto. Nicht als Angestellte i.S.d. GTV gelten Mitarbeiter, deren Arbeitsanforderungen diejenigen der höchsten Tarifgruppe übersteigen. Dieser außertarifliche (AT) Bereich ist bei der A nicht weiter ausdifferenziert. Zu ihm gehörte der als Assistent der Stabsstelle Qualitätssteuerung eingesetzte Mitarbeiter H. Die A hörte den Betriebsrat zur Versetzung des H auf die Stelle des stellvertretenden Leiters der Abteilung Plattenherstellung an. Das Anhörungsschreiben enthält zur Eingruppierung die Angabe "AT". Ergänzend teilte A dem Betriebsrat mit, dass eine Vergütung i.H.v. 4.300 Euro brutto zzgl. einer Schichtpauschale von 200 Euro vereinbart sei. Der Betriebsrat stimmte der Versetzung des H zu, verweigerte jedoch die Zustimmung zur Eingruppierung gestützt auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 und 4 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Zur Begründung führte er aus, der H sei in die Gehaltsgruppe 9 einzugruppieren und werde durch die außertarifliche Bezahlung benachteiligt, da das Gehalt bei einer zu erwartenden Erhöhung der Tarifgehälter in Kürze unter demjenigen der Tarifgruppe 9 liegen werde. Nachdem die A kein Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten wollte, beantragte der Betriebsrat, der Arbeitgeberin aufzugeben, wegen der Eingruppierung des Mitarbeiters H als AT-Angestellter das Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen. Das Arbeitgericht lehnt dies ab, Landes- und Bundesarbeitsgericht (BAG) entsprachen dem Antrag.
Entscheidung
Das BAG sah den Antrag als zulässig und begründet an. Der Betriebsrat macht ein eigenes Recht aus § 101 BetrVG geltend, das auch besteht. Die A nahm mit ihrer Beurteilung, der H sei auch nach der Versetzung außertariflich zu vergüten, eine (Neu-)Eingruppierung i.S.v. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor, die zu dem Ergebnis führte, dass es trotz geänderter Tätigkeit bei der bisherigen Zuordnung verbleibt. Eine solche Eingruppierung hat auch bei der Versetzung von Angestellten stattzufinden, die bis dahin dem außertariflichen Bereich zugeordnet waren. Die betriebliche Vergütungsordnung, in die der Arbeitgeber die Arbeitnehmer unter Beteiligung des Betriebsrats eingruppiert, beschränkt sich nicht nur auf die tarifliche Vergütungsordnung. Zu ihr gehört vielmehr auch der außertarifliche Bereich. Das Mitbestimmungsrecht dient - auch in diesem AT-Bereich - der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und Transparenz der im Betrieb vorgenommenen Eingruppierungen. Deshalb bedurfte A der Zustimmung des Betriebsrats. Da das Gremium diese fristgerecht mit beachtlicher Begründung verweigert hat, muss die Arbeitgeberin nun das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchführen.
Nach dem erfolgreichen Start im Jahr 2018 folgt nun der 2. Band!
Für das Buch #AllesRechtKurios hat der bekannte Juraprofessor Arnd Diringer wieder amüsante Fälle aus der Rechtsprechung deutscher Gerichte zusammengetragen.
Konsequenzen
Eine Versetzung i.S.d. §§ 99, 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist stets mit der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs verbunden. Daher muss der Arbeitgeber in diesem Fall die Eingruppierung des Arbeitnehmers überprüfen. Als Ergebnis kommen in Betracht: - Umgruppierung, wenn aufgrund der geänderten Tätigkeit der Mitarbeiter einer anderen Vergütungsgruppe zuzuordnen ist. - (neue) Eingruppierung, wenn es trotz geänderter Tätigkeit bei der bisherigen Zuordnung verbleibt. Dies gilt auch für AT-Angestellte, und zwar sowohl, wenn der Arbeitgeber einen bislang tariflich eingruppierten Arbeitnehmer erstmals dem außertariflichen Bereich zuordnet als auch, wenn er einem bereits dem außertariflichen Bereich zugeordneten Mitarbeiter einen neuen Arbeitsbereich zuweist. Der AT-Bereich ist folglich kein mitbestimmungsfreier Raum.
Praxistipp
Mitbestimmungsrechte nach § 99 BetrVG sind damit in Unternehmen, die i.d.R. mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigten, auch im Bereich von AT-Angestellten zu beachten, sofern diese nicht leitende Angestellte i.S.d. § 5 BetrVG sind. Hier bedarf es der Zustimmung des Betriebsrats und im Falle der Verweigerung ggf. der Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens (§ 99 Abs. 4 BetrVG).
RA Volker Stück, Stuttgart
Redaktion (allg.)
· Artikel im Heft ·
Einführung
Noch lange bevor es das Entgelttransparenzgesetz gab und das Thema der Entgeltgleichheit unter den Geschlechtern
In einem Produktionsbetrieb galt ein Haustarifvertrag, der ein Vergütungsgruppenverzeichnis mit 14 Vergütungsgruppen enthielt. Daneben
Problempunkt
Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung zur Aufhebung einer Versetzung des vorbestraften Arbeitnehmers A. Der
Problempunkt
Zahlreiche Arbeitnehmer sind bei der Arbeitgeberin im Homeoffice tätig. Die Arbeitgeberin hat diesen nunmehr einen
Das LAG Nürnberg (Urt. v. 6.9.2022 – 1 TaBV 4/22) entschied über die Frage, ob der Arbeitgeber für die Anwendung einer Dienstwagenregelung
Beteiligungsrechte bei personellen Maßnahmen
Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1, 2 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat in Unternehmen mit