Gewerbsmäßigkeit der Arbeitnehmerüberlassung im Konzern

1. Im Falle der Arbeitnehmerüberlassung durch eine konzernzugehörige Personalführungsgesellschaft liegt Gewinnerzielungsabsicht und damit gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung vor, wenn zwischen dem Verleihunternehmen und der Konzernmutter ein Gewinnabführungsvertrag besteht.

2. Von einer Gewinnerzielungsabsicht ist auch dann auszugehen, wenn ein konzernzugehöriges Unternehmen Arbeitnehmer einstellt, um sie an andere Konzerngesellschaften zu Bedingungen zu überlassen, die für diese Unternehmen mit geringeren Kosten verbunden sind, als wenn sie die Arbeitnehmer selbst einstellen würden.

(Leitsätze der Bearbeiter)

BAG, Urteil vom 9. Februar 2011 – 7 AZR 32/10

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Problempunkt

Gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG benötigen Arbeitgeber in der bis zum 1.12.2011 anwendbaren Fassung eine Erlaubnis, wenn sie als Verleiher gewerbsmäßig Dritten (Entleihern) Leiharbeitnehmer überlassen wollen. Maßgebliches Kriterium für die Gewerbsmäßigkeit ist die Gewinnerzielungsabsicht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Verleiher tatsächlich einen Gewinn erzielt. Entscheidend ist allein, ob er einen Überschuss der Erträge gegenüber den Aufwendungen anstrebt. Die Frage, ob ein bestimmter Verleiher gewerbsmäßig handelt oder nicht, kann damit entscheidend für die Frage sein, wer nun tatsächlich der "richtige" Arbeitgeber des überlassenen Leiharbeitnehmers ist. Denn eine Arbeitnehmerüberlassung, die ohne Erlaubnis i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erfolgt, führt dazu, dass zwischen Entleiher und Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis fingiert wird (§§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG).

Das BAG hatte sich jüngst erneut mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit konzernangehörige Personalführungsgesellschaften, die Arbeitnehmer ausschließlich konzernintern verleihen, gewerbsmäßig tätig sind.

Entscheidung

Das BAG stellte zunächst klar, dass es an einer Gewinnerzielungsabsicht regelmäßig fehlt, wenn die Überlassung lediglich gegen Erstattung der Kosten, die dem Verleiher entstehen, erfolgen soll und ihm auch mittelbar keine wirtschaftlichen Vorteile erwachsen. Zu den Kosten gehören dabei nicht nur solche für die Beschäftigung als Leiharbeitnehmer selbst, sondern auch die Verwaltungskosten. Die Gewinnerzielungsabsicht fehlt dabei regelmäßig, wenn der Verleiher mit der Überlassung von Arbeitnehmern unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt.

Bei Wirtschaftsunternehmen, die keine gemeinnützigen, karitativen oder sonstigen ideellen Ziele verfolgen, ist dagegen grundsätzlich anzunehmen, dass sie aus der Arbeitnehmerüberlassung unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche Vorteile ziehen wollen. Zwar mag es Personalführungsgesellschaften geben, deren Funktion sich darin erschöpft, als gemeinsame ausgelagerte Personalabteilung den vorübergehenden Austausch von Arbeitnehmern zwischen den Konzernunternehmen zu organisieren. Hierzu muss die Personalführungsgesellschaft die Beschäftigten aber nicht als eigene Vertragsarbeitnehmer einstellen. Sehr viel näher liegt es dagegen, dass konzernzugehörige Unternehmen, die sich ausschließlich damit befassen, Mitarbeiter konzernintern zu verleihen, damit entweder selbst einen wirtschaftlichen Vorteil erzielen oder dem konzerninternen Entleiher oder der Konzernmutter einen solchen verschaffen wollen.

Insbesondere Sinn und Zweck des § 1 AÜG gebieten es, auch in den Fallgestaltungen, in denen der wirtschaftliche Vorteil der Arbeitnehmerüberlassung bei einem anderen Konzernunternehmen eintreten soll, von einer Gewinnerzielungsabsicht auszugehen. § 1 AÜG dient nicht zuletzt dem Sozialschutz der Leiharbeitnehmer. Die Gefahr, diesen abzusenken, ist typischerweise größer, wenn die Arbeitnehmerüberlassung darauf ausgerichtet ist, unmittelbar oder mittelbar wirtschaftliche Gewinne zu erzielen. Sie besteht daher auch dann, wenn die wirtschaftlichen Vorteile nicht unmittelbar bei der konzerninternen Personalführungsgesellschaft, sondern bei der Konzernmutter oder bei dem konzerninternen Unternehmen eintreten sollen, an das die Arbeitnehmer überlassen werden. Gewinnerzielungsabsicht und damit Gewerbsmäßigkeit der Arbeitnehmerüberlassung liegen deshalb einerseits vor, wenn zwischen Verleihunternehmen und Konzernmutter ein Gewinnabführungsvertrag besteht. Gewinnabführung setzt nämlich eine Gewinnerzielung voraus. Von einer Gewinnerzielungsabsicht ist andererseits auszugehen, wenn ein konzernzugehöriges Unternehmen Arbeitnehmer einstellt, um sie an andere Konzernunternehmen zu Bedingungen zu überlassen, die für diese mit geringeren Kosten verbunden sind, als wenn sie die Betreffenden selbst einstellen würden. Im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit der überlassenen Mitarbeiter macht es keinen Unterschied, bei welcher Gesellschaft im Konzern der Gewinn entsteht.

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Konsequenzen

Das BAG denkt in der Frage der Reichweite der Gewinnerzielungsabsicht um und vollzieht mit dieser Entscheidung eine Kehrtwende in seiner bisherigen Rechtsprechung. Danach fehlte bislang Personalführungsgesellschaften, deren ausschließliche Aufgabe es war, ihre Arbeitnehmer anderen Konzernunternehmen zur Arbeitsleistung zu überlassen, i. d. R. die Gewinnerzielungsabsicht (vgl. BAG, Beschl. v. 20.4.2005 – 7 ABR 20/04, NZA 2005, S. 1006 ff.).

Demzufolge ist nunmehr von der Erlaubnispflicht der reinen Personalführungsgesellschaften auszugehen, die Personal an andere Konzernunternehmen überlassen. Gleiches gilt für Mischunternehmen, für die nach ihrem Gesellschaftszweck die dauerhafte konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung von nicht nur untergeordneter Bedeutung ist. Damit hat das BAG die beschlossene, aber erst zum 1.12.2011 in Kraft tretende Klarstellung des Gesetzgebers überholt. Darin wurde das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit der Überlassung in § 1 Abs. 1 AÜG gestrichen. Das Gesetz knüpft dann allein daran an, dass die Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Verleihers erfolgt. Lediglich Unternehmen, die gemeinnützige, karitative oder sonstige ideelle Ziele verfolgen, bleiben im Ergebnis erlaubnisfrei.

Praxistipp

Die Änderung der Rechtsprechung zwingt insbesondere konzerninterne Personalservicegesellschaften dazu, schon vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1.12.2011 zu reagieren. Sofern noch nicht geschehen, sollten Personalführungsgesellschaften, die aufgrund der bisherigen Rechtsprechung bislang ohne eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis tätig waren, bei der zuständigen Regionaldirektion eine solche beantragen. Fehlt die Erlaubnis, ist der Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Arbeitnehmer unwirksam. Das Gesetz fingiert in diesem Fall ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer (§§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG).

RA und FA für Arbeitsrecht Dr. Alexander Bissels, CMS Hasche Sigle, Köln RA Gregor Haag, Bad Honnef

Redaktion (allg.)

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