Kündigung eines Lkw-Fahrers wegen privaten Drogenkonsums

1. Die Einnahme von „harten“ Drogen, wie Amphetamin und Methamphetamin (Crystal Meth), gefährdet die Fahrtüchtigkeit in einem solchen Maß, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entfällt. Der eine außerordentliche Kündigung eines Berufskraftfahrers rechtfertigende Pflichtenverstoß ist schon die Gefährdung der Fahrtüchtigkeit durch den Drogenmissbrauch vor Fahrtantritt.

2. Eine vorherige Abmahnung ist entbehrlich, denn die Pflichtverletzung ist so schwerwiegend, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich ausgeschlossen ist.

3. Ob die Fahrtüchtigkeit bei einer durchgeführten Fahrt konkret beeinträchtigt war und deshalb eine erhöhte Gefahr im Straßenverkehr bestand, ist ohne Bedeutung

(Leitsätze des Bearbeiters)

BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 6 AZR 471/15

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Bild: Kzenon/stock.adobe.com
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Problempunkt

Der Kläger war bei dem Beklagten als Lkw-Fahrer beschäftigt. Am 11.10.2014, einem arbeitsfreien Tag, konsumierte er im privaten Umfeld Betäubungsmittel, u. a. Crystal Meth. Die Einnahme wurde am Nachmittag des 14.10.2014 im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle nachgewiesen. In einem Telefonat von diesem Tage behauptete der Kläger gegenüber dem Beklagten fälschlicherweise, er dürfe wegen eines verlorenen Führerscheins am nächsten Tag nicht fahren. Trotz des vorangegangenen, polizeilich festgestellten Konsums nahm er am 15.10.2014 um 4:00 Uhr seine Arbeit als Lkw-Fahrer auf. Beeinträchtigungen seiner Fahrweise waren nicht zu verzeichnen. Der Kläger informierte das Unternehmen über den positiven Drogentest aus der vorangegangenen Nacht nicht. Die Information über den Betäubungsmittelkonsum erfolgte durch ihn erst nachträglich in einem Personalgespräch. Der Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung.

Hiergegen erhob der Mitarbeiter Klage und meinte, dass die Kündigung unwirksam sei, da es bei Erbringung der Arbeitsleistung zu keinen Störungen und insbesondere zu keiner Gefährdung Dritter gekommen sei. Bei einem einmaligen Drogenkonsum hätte auch eine Abmahnung ausgereicht.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt.

Entscheidung

Das BAG bestätigte dagegen die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung.

Im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB ist zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Weiter bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht.

Der Kläger hatte in schwer wiegender Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, indem er Amphetamin und Methamphetamin einnahm und dennoch zwei Tage später seine Tätigkeit als Lkw-Fahrer verrichtete. Dies stellt einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB dar. Es besteht eine Nebenleistungspflicht des Arbeitnehmers, sich nicht in einen Zustand zu versetzen, in dem er seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht erfüllen oder bei Erbringung seiner Arbeitsleistung sich oder andere gefährden kann (vgl. BAG, Urt. v. 26.1.1995 – 2 AZR 649/94, NJW 1995, S. 1851). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Fähigkeit zum (sicheren) Erbringen der Arbeitsleistung durch ein Verhalten während oder außerhalb der Arbeitszeit eingeschränkt wurde. Nimmt ein Berufskraftfahrer Amphetamin oder Methamphetamin ein und führt er dennoch im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung ein Fahrzeug des Arbeitgebers, kommt es wegen der sich aus diesem Drogenkonsum typischerweise ergebenden Gefahren nicht darauf an, ob seine Fahrtüchtigkeit konkret beeinträchtigt ist. Der Pflichtenverstoß liegt bereits in der massiven Gefährdung der Fahrtüchtigkeit. Die Substanzen sind in der Anlage zu § 24a StVG genannt. Ihre Einnahme bewirkt z. B. erhöhte Risikobereitschaft und Enthemmung. Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, §§ 46 Abs. 3, 11 bis 14 FeV ist bereits dann gerechtfertigt, wenn der Inhaber mindestens einmal sog. harte Drogen konsumiert hat. Der Fahrerlaubnisbehörde ist insoweit kein Ermessen eingeräumt (vgl. VGH Hessen, Beschl. v. 21.3.2012 – 2 B 1570/11, NJW 2012, S. 2294). Diese Pflichtverletzung hatte der Kläger auch schuldhaft – mindestens fahrlässig i. S. d. § 276 Abs. 2 BGB – begangen.

Dem Unternehmen war die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Eine fristlose Kündigung scheidet zwar aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel – etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung – gibt, das ebenfalls geeignet ist, den verfolgten Zweck – nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen (BAG, Urt. v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, AuA 9/16, S. 569). Zu Gunsten des Arbeitgebers sprach aber § 7 Abs. 2 Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“, wonach Unternehmer Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen dürfen. Eine als wichtiger Grund geeignet ist. Weiter bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht. Der Kläger hatte in schwer wiegender Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, indem er Amphetamin und Methamphetamin einnahm und dennoch zwei Tage später seine Tätigkeit als Lkw-Fahrer verrichtete. Dies stellt einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB dar. Es besteht eine Nebenleistungspflicht des Arbeitnehmers, sich nicht in einen Zustand zu versetzen, in dem er seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht erfüllen oder bei Erbringung seiner Arbeitsleistung sich oder andere gefährden kann (vgl. BAG, Urt. v. 26.1.1995 – 2 AZR 649/94, NJW 1995, S. 1851). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Fähigkeit zum (sicheren) Erbringen der Arbeitsleistung durch ein Verhalten während oder außerhalb der Arbeitszeit eingeschränkt wurde. Nimmt ein Berufskraftfahrer Amphetamin oder Methamphetamin ein und führt er dennoch im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung ein Fahrzeug des Arbeitgebers, kommt es wegen der sich aus diesem Drogenkonsum typischerweise ergebenden Gefahren nicht darauf an, ob seine Fahrtüchtigkeit konkret beeinträchtigt ist. Der Pflichtenverstoß liegt bereits in der massiven Gefährdung der Fahrtüchtigkeit. Die Substanzen sind in der Anlage zu § 24a StVG genannt. Ihre Einnahme bewirkt z. B. erhöhte Risikobereitschaft und Enthemmung. Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, §§ 46 Abs. 3, 11 bis 14 FeV ist bereits dann gerechtfertigt, wenn der Inhaber mindestens einmal sog. harte Drogen konsumiert hat. Der Fahrerlaubnisbehörde ist insoweit kein Ermessen eingeräumt (vgl. VGH Hessen, Beschl. v. 21.3.2012 – 2 B 1570/11, NJW 2012, S. 2294). Diese Pflichtverletzung hatte der Kläger auch schuldhaft – mindestens fahrlässig i. S. d. § 276 Abs. 2 BGB – begangen. Dem Unternehmen war die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Eine fristlose Kündigung scheidet zwar aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel – etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung – gibt, das ebenfalls geeignet ist, den verfolgten Zweck – nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen (BAG, Urt. v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, AuA 9/16, S. 569). Zu Gunsten des Arbeitgebers sprach aber § 7 Abs. 2 Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“, wonach Unternehmer Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen dürfen. Eine kann zum Verlust des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Unfallversicherung führen (vgl. BAG, Urt. v. 20.3.2014 – 2 AZR 565/12, NZA 2014, S. 602).

Der Kläger hatte nicht nur sich selbst, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer sowie Güter des Beklagten zumindest potenziell in Gefahr gebracht. An der Schwere dieser Pflichtverletzung ändert es auch nichts, wenn es sich um einen einmaligen Drogenkonsum gehandelt hat. Das Arbeitsverhältnis bestand erst kurz und der Kläger war nicht sozial schutzwürdig. Eine andere Weiterbeschäftigung war nicht möglich, da der kleine Betrieb nur Fahrer beschäftigte. Eine vorherige Abmahnung war entbehrlich, denn die Pflichtverletzung war so schwerwiegend, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich ausgeschlossen war (vgl. BAG, Urt. v. 20.11.2014 – 2 AZR 651/13, AuA 5/15, S. 308).

Nach dem BAG rechtfertigt zudem auch die bewusste Falschangabe im Telefonat am 14.10.2014 als schwerwiegende Nebenpflichtverletzung eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung (vgl. Urt. v. 18.6.2015 – 2 AZR 256/14, NJW 2016, S. 523). Der Kläger hatte die Pflicht, den Beklagten unverzüglich über das Ergebnis des Drogentests am 14.10.2014 zu informieren.

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Konsequenzen

Der 6. Senat hat die Frage entschieden, ob der Konsum harter Drogen (§ 1 Abs. 1 BtMG, Anlagen II und III) im privaten Bereich, der noch in die Arbeitszeit eines Lkw-Fahrers „fortwirkt“, eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen kann. Er stellte klar, dass es dabei weder auf eine tatsächliche Fahruntüchtigkeit noch auf den Eintritt unmittelbarer konkreter Gefährdungen des Straßenverkehrs ankommt.

Auch eine vorherige Abmahnung ist entbehrlich. Der Arbeitnehmer darf seine Fahrtüchtigkeit nicht gefährden und muss den Arbeitgeber über das Ergebnis eines Tests zutreffend und unverzüglich informieren.

Praxistipp

Im Zusammenhang mit dem Konsum von Drogen bei Kraftfahrern oder Beschäftigten mit ähnlich gefahrgeneigter Tätigkeit in sicherheitsrelevanten Bereichen ist eine außerordentliche Kündigung regelmäßig auch ohne vorherige Abmahnung in Betracht zu ziehen und an sich als Kündigungsgrund anerkannt.

RA Volker Stück, Aschaffenburg

Redaktion (allg.)

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