Mitbestimmung bei der Einstellung von Drittpersonal

1. Eine zustimmungspflichtige Einstellung (§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) kann auch in der Beschäftigung von Drittpersonal liegen. Entscheidend ist, dass der Betriebsinhaber Personalhoheit über die Mitarbeiter des Drittunternehmens erhält, also Entscheidungen über Zeit und Ort der Tätigkeit treffen kann.

2. Es genügt dagegen alleine nicht, dass die Mitarbeiter des Drittunternehmens weisungsgebundene Tätigkeiten ausführen und hierbei mit der Stammbelegschaft des Betriebs zusammenwirken. Ebenso wenig genügt es, wenn das Drittpersonal für den Betrieb unentbehrliche Hilfsfunktionen wahrnimmt oder die betroffenen Tätigkeiten bisher durch Mitarbeiter des Betriebs durchgeführt wurden.

BAG, Beschluss vom 13. Dezember 2005 - 1 ABR 51/04 §§ 99 Abs. 1, 101 BetrVG

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Bild: grafikplusfoto/stock.adobe.com
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Problempunkt

Eine Werbeagentur, selbst eine Tochtergesellschaft im Konzern, beschäftigte die Mitarbeiterin eines Schwesterunternehmens. Die Angestellte hatte den Auftrag der Konzernleitung, die sog. Traffic-Abteilungen aller deutschen Unternehmenstöchter zu reorganisieren und koordinieren. Sie war auf Grundlage eines zwischen den beiden Tochtergesellschaften geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages tätig und wurde vor Ort in der jeweiligen Abteilung eingesetzt. Der Betriebsrat wurde diesbezüglich nicht beteiligt. Er machte geltend, dass es sich um eine Einstellung handelt, die seiner Zustimmung bedurft hätte und leitete deshalb ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren ein. Der Betriebsrat beantragte, dem Unternehmen aufzugeben, die Beschäftigung der Mitarbeiterin in dem Betrieb aufzuheben. Die Vorinstanzen haben dem Antrag stattgegeben.

Entscheidung

Das BAG hat den Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das LAG zurückverwiesen. Wird der Betriebsrat nicht hinsichtlich einer zustimmungspflichtigen personellen Einzelmaßnahme (Einstellung, Ein-, Umgruppierung oder Versetzung) beteiligt, kann er beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die personelle Maßnahme aufzuheben (§§ 99 Abs. 1 Satz 1, 101 Satz 1 BetrVG). Eine zustimmungspflichtige Einstellung liegt vor, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Mitarbeitern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs durch weisungsgebundene Tätigkeiten zu verwirklichen. Auf das Rechtsverhältnis, in dem diese Personen zum Arbeitgeber als Betriebsinhaber stehen, kommt es nicht an. Entscheidend ist allein, ob die von ihnen zu verrichtenden Tätigkeiten ihrer Art nach weisungsgebundene Aufgaben sind, die der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks zu dienen bestimmt sind und deshalb vom Inhaber organisiert werden müssen. Ob und ggf. von wem die betreffenden Personen tatsächlich Weisungen erhalten, ist unerheblich. Eine zustimmungspflichtige Einstellung kann nach der Rechtsprechung auch bei Mitarbeitern von Drittunternehmen vorliegen. Erforderlich ist hierfür jedoch, dass der Betriebsinhaber und nicht der beauftragte Unternehmer das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht inne hat und die Entscheidung über den Einsatz nach Ort und Zeit trifft.

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Konsequenzen

Das BAG hat an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten. Zustimmungspflichtige Einstellungen liegen bei Mitarbeitern von Drittunternehmen nur dann vor, wenn der Betriebsinhaber Personalhoheit über diese erhält. Dafür genügt weder eine detaillierte Beschreibung der dem beauftragten Drittunternehmer übertragenen Tätigkeiten in dem zugrunde liegenden Vertrag noch die räumliche Zusammenarbeit mit der Stammbelegschaft. Das Mitbestimmungsrecht wird auch nicht dadurch ausgelöst, dass die vom Drittunternehmen erbrachte Hilfsfunktion für den Betriebsablauf unentbehrlich ist oder die Einweisung und Koordination des Drittpersonals durch Mitarbeiter des Betriebsinhabers geschieht. Ebenso wenig genügt die Wahrnehmung von arbeitgebertypischen Weisungsrechten durch das Drittpersonal gegenüber der Stammbelegschaft oder der Umstand, dass bislang Mitarbeiter des Betriebs die betroffene Tätigkeit durchführten. Die Vorinstanz hatte eine zustimmungspflichtige Einstellung angenommen, weil die Mitarbeiterin mit Arbeitnehmern des Betriebs zusammengearbeitet und Weisungen erhalten hatte. Das LAG hatte aber nicht aufgeklärt, wem diese Weisungen zuzurechnen waren. Das BAG hielt das für unzureichend. Zwar ist unerheblich, ob und ggf. von wem die entsprechende Person Weisungen erhält. Denn dies betrifft allein die Art und Weise der Arbeitsausführung als solche. Hierdurch wird allerdings nicht auf die Personalhoheit verzichtet, die aber beim Betriebsinhaber liegen muss, um von einer Einstellung ausgehen zu können. Das bedeutet, dass die dem Drittpersonal erteilten Weisungen hinsichtlich Zeit und Ort der Tätigkeit dem Betriebsinhaber und nicht dem Drittunternehmer zugerechnet werden müssen.

Praxistipp

Betriebsräte haben üblicherweise beim Einsatz von Drittpersonal die Sorge, dass es hierdurch zu einem Abbau bei der Belegschaft kommt. Sie versuchen deshalb häufig, die Beschäftigung solcher Personen zu verhindern, indem sie geltend machen, dass eine zustimmungspflichtige Einstellung vorliegt und anschließend die Zustimmung verweigern. Das BAG hat seine Rechtsprechung bestätigt, dass das Beteiligungsrecht (ausnahmsweise) auch dann bestehen kann, wenn die Personen nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen. Für die betriebliche Praxis ist die neuerliche Entscheidung aber deshalb hilfreich, weil das Gericht klargestellt hat, dass das Beteiligungsrecht des Betriebsrats nur dann ausgelöst wird, wenn der Betriebsinhaber Personalhoheit über das Drittpersonal besitzt, also wenigstens einen Teil der Arbeitgeberstellung gegenüber diesen Personen ausübt. Der Beschluss gibt wichtige Anhaltspunkte, wie die Auslösung des Beteiligungsrechts vermieden werden kann. In der Vereinbarung mit dem Drittunternehmen sollte daher festgehalten werden, dass der Einsatz des Drittpersonals örtlich und zeitlich durch das Drittunternehmen und nicht durch den Betriebsinhaber bestimmt wird. Zwar ist es unschädlich, wenn das Drittpersonal räumlich mit den Beschäftigten des Betriebs zusammenarbeitet, solange der Arbeitseinsatz hinsichtlich Zeit und Ort durch Weisungen des Drittunternehmens gesteuert wird. Es ist auch unerheblich, wenn das Drittpersonal seinerseits Arbeitnehmer des Betriebs anweist. Auch der Umstand, dass die durch das Drittpersonal ausgeführten Tätigkeiten bislang von Mitarbeitern des Betriebs wahrgenommen wurden, spielt keine Rolle. Um dem Eindruck einer zustimmungspflichtigen Einstellung und etwaigen Streitigkeiten hierüber auszuweichen, sollten solche Umstände aber gleichwohl vermieden werden. Neben einer entsprechenden Vertragsgestaltung ist es wichtig, dass auch ein vertragsgemäßer Einsatz des Drittpersonals sichergestellt ist. Gegenüber den im Betrieb beschäftigten Vorgesetzten muss daher klargestellt werden, dass sie nicht unmittelbar auf das Drittpersonal zugreifen können, sondern die Weisungsrechte insoweit ausschließlich dem Drittunternehmen zustehen. Es sollte daher bei diesem eine Person (als Schnittstelle) benannt werden, die etwaige Hinweise oder Beschwerden hinsichtlich der Vertragsausführung entgegennimmt und im Wege entsprechender Weisungen an das Drittpersonal weitergibt.

RA Dr. Lars Mohnke, Lovells, München

Redaktion (allg.)

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