Unfallversicherungsschutz beim Betriebssport

Bei einer von der Betriebssportgemeinschaft organisierten mehrtägigen Skireise besteht kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Es fehlt jeder zeitliche und örtliche Bezug zu der regulären versicherten Tätigkeit. Allein die Tatsache, dass die Skireise womöglich geeignet ist, die Freude und das Interesse am Betriebssport zu fördern, reicht für die Annahme eines inneren Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit nicht aus.

(Leitsatz der Bearbeiterin)

BSG, Urteil vom 13.Dezember 2005 - B 2 U 29/04 R §§ 2, 3, 6, 8 SGB VII

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Bild: AlcelVision/stock.adobe.com
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Problempunkt

Die Klägerin war als Beschäftigte eines Unternehmens bei der Berufsgenossenschaft gesetzlich unfallversichert. Sie erlitt während einer von der Betriebsportgemeinschaft des Unternehmens veranstalteten mehrtägigen sog. Skiausfahrt im Januar 2001 in Italien beim Skifahren einen Bruch im Bereich des linken Unterschenkels/Fußes. An dieser Skifahrt nahmen etwa 40 Betriebsangehörige und 20 betriebsfremde Personen teil. Von der Betriebssportgemeinschaft wurden im Winter 2000/2001 drei Skifahrten für jeweils 50 bis 65 Personen sowie ganzjährig freitags eine Skigymnastik neben zahlreichen anderen Sportarten durchgeführt. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls mit der Begründung ab, es habe kein unfallversicherungsrechtlich geschützter Betriebssport vorgelegen. Die Voraussetzungen für eine regelmäßige sportliche Betätigung im Rahmen des Betriebssports seien nicht erfüllt. Wegen der beschränkten Teilnehmerzahl habe auch keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vorgelegen. Das Sozialgericht(SG) hat die Klage abgewiesen. Die Kriterien für einen unfallversicherungsrechtlich geschützten Betriebssport lägen nicht vor. Es fehle hinsichtlich des Skiausfluges an der Regelmäßigkeit der Übungen und dem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit. Das Landessozialgericht bestätigte das Urteil und wies die Berufung zurück. Die Klägerin legte Revision beim Bundessozialgericht (BSG) ein.

Entscheidung

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die beim Skilaufen erlittene Verletzung ist kein Arbeitsunfall. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, d.h. von der Berufsgenossenschaft. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Danach ist regelmäßig erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. In sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit unter Versicherungsschutz steht nach ständiger Rechtsprechung des BSG (seit der grundlegenden Entscheidung vom 28.11.1961 - BSGE 16, S. 1, 3ff) unter bestimmten Voraussetzungen auch der Betriebssport. Zur Abgrenzung des versicherten Betriebssports von anderen sportlichen Aktivitäten hat das BSG folgende Wertungskriterien aufgestellt: Die sportliche Betätigung muss regelmäßig zu Ausgleichszwecken stattfinden und darf keinen Wettkampfcharakter haben. Der Teilnehmerkreis muss im Wesentlichen auf Angehörige des Unternehmens bzw. der Unternehmen, die sich zu einer Betriebssportgruppe zusammengeschlossen haben, beschränkt sein. Übungszeit und -zweck müssen in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen. Letztlich müssen die Übungen im Rahmen einer unternehmensbezogenen Organisation stattfinden. Diese Kriterien sind bei einer mehrtägigen Skiausfahrt nicht erfüllt, denn dabei fehlt jeder zeitliche und örtliche Bezug zu der regulären versicherten Tätigkeit. Schon daher kann der von der Betriebssportgemeinschaft organisierte Skiausflug nicht als Teil der regelmäßigen Skigymnastik angesehen werden, da es sich quasi um einen siebentägigen Winterurlaub in Italien handelt. Für eine Erweiterung des Versicherungsschutzes auf weitere Veranstaltungen und Aktivitäten gibt es - so das BSG - keinen sachlich triftigen Grund. Es mangelt ebenso wie bei anderen Urlaubs- und Freizeitaktivitäten am wesentlichen sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Inwieweit die für Mannschaftssportarten mit Turnieren entwickelte Rechtsprechung auf eine wöchentliche Skigymnastik mit einem jährlichen Skiausflug übertragen werden könnte, kann dahinstehen. Denn an der Ausdehnung des versicherten Betriebssports auf Wettkämpfe mit anderen Betriebssportgruppen außerhalb des regelmäßigen Trainings wird nicht mehr festgehalten.

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Konsequenzen

Das BSG hält an den aufgestellten Kriterien für die Abgrenzung von „versichertem Betriebssport“ und „unversicherter sportlicher Aktivität“ fest. Konkretisiert wird die Rechtsprechung aber bei zwei in der Praxis regelmäßig wiederkehrenden Fallgruppen. Gleichzeitig werden die Grenzen des versicherten Betriebssports enger als bisher gezogen. Nicht jede vom Unternehmen erlaubte Teilnahme an einer angebotenen sportlichen Veranstaltung begründet den Unfallversicherungsschutz. Sportliche Aktivitäten sind nur noch versichert, wenn sie in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Dies setzt voraus, dass der Sport nicht nur den persönlichen Interessen des Beschäftigten, sondern wesentlich auch den Interessen des Betriebes dient. Urlaubs- und Freizeitaktivitäten sportlicher Art dienen regelmäßig nicht in erster Linie einem betrieblichen, sondern den Privatinteressen des Versicherten und sind daher nicht versichert. Wettkämpfe mit anderen Betriebssportlern außerhalb der regelmäßigen Übungsstunden unterfallen ebenfalls nicht mehr dem Versicherungsschutz. In beiden Fällen fehlt der wesentliche sachliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Die Kasseler Richter stellten zudem klar, dass der Versicherungsschutz nicht disponibel ist. Eine rechtlich unzutreffende Auffassung von Unternehmen und Beschäftigten, eine bestimmte Verrichtung stehe im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und sei demnach unfallversichert, kann keinen Versicherungsschutz begründen.

Praxistipp

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RAin Gabriele Brock, Mainz

Redaktion (allg.)

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