Versetzungsklausel und -anordnung

Eine vorformulierte Vertragsklausel, wonach die Arbeitgeberin berechtigt ist, einer Filialleiterin eine andere Tätigkeit im Betrieb zuzuweisen, die ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht, ist unwirksam, wenn sie keine Einschränkung dahingehend enthält, dass es sich um eine gleichwertige Tätigkeit handeln muss. Sie benachteiligt die Arbeitnehmerin unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Zur wirksamen Ausübung des gesetzlichen Versetzungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO gehört es, dass hinreichend bestimmt ist, welche Aufgaben die Arbeitnehmerin künftig wahrnehmen soll.

LAG Köln, Urteil vom 9. Januar 2007 - 9 Sa 1099/06 § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB; § 106 Satz 1 GewO

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Bild: AlcelVision/stock.adobe.com
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Problempunkt

Die Klägerin ist seit 1992 bei der Beklagten als Filialleiterin beschäftigt. Sie war zunächst in K-M, dann in der Filiale Frechen (F) tätig. Dort arbeitete sie zusammen mit sieben Mitarbeitern, darunter ihr Ehemann. Im Arbeitsvertrag hatte sich der Arbeitgeber vorbehalten, "das Aufgabengebiet zu ergänzen und der Arbeitnehmerin eine andere Tätigkeit im Betrieb zuzuweisen, die ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht". Die Aufgaben sind in einer anlässlich der DIN-ISO Zertifizierung 1998 erstellten Stellenbeschreibung niedergelegt, u.a. Auftragsannahme, Warenbestellung, Lagerverwaltung, Mitarbeitereinteilung und Kassenführung/abrechnung.

Im September 2005 unterrichte die Beklagte die Mitarbeiterin, sie habe sich wegen der seit längerer Zeit rückläufigen Umsätze der Filiale F entschlossen, die dortigen Arbeitsabläufe und Verantwortlichkeiten zu überprüfen und ggf. strukturell zu ändern. Die Klägerin war danach durchgehend arbeitsunfähig. Am 12.10.2005 wurde ihr schriftlich mitgeteilt, sie werde zunächst vorübergehend in den Reparaturbetrieb am Hauptsitz Köln-Porz (K-P) versetzt, wo sie dieselbe Tätigkeit wie in F zu verrichten habe.

Dagegen wandte sich die Klägerin, die die Versetzung für unwirksam und unbillig hält, und verlangte die Weiterbeschäftigung in F. Vor dem ArbG unterlag sie.

Entscheidung

Das LAG verurteilte die Beklagte zur Weiterbeschäftigung der Klägerin als Filialleiterin in F. Zwar sei sie grundsätzlich berechtigt, diese in einer anderen Filiale als Leiterin einzusetzen. Dies folge zwar nicht aus der vertraglichen Versetzungsklausel, die das LAG für unwirksam hielt, weil sie die Klägerin unangemessen benachteilige (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Die Regelung enthalte nämlich keine Einschränkung derart, dass eine einseitige Änderung der Art der Tätigkeit nur dann zulässig ist, wenn diese in der Zuweisung einer gleichwertigen Tätigkeit besteht. Die Klausel stellt vielmehr nur auf Kenntnisse und Fähigkeiten ab. Das würde aber bedeuten, sollten sich diese verschlechtert haben oder nicht mehr den weiter gestiegenen Anforderungen entsprechen, wäre eine Versetzung auf einen geringerwertigen Arbeitsplatz möglich. Damit werde jedoch in den Inhalt des Arbeitsvertrags eingegriffen und eine Änderungskündigung umgangen. Eine geltungserhaltende Reduktion der zu weit gefassten Klausel scheidet aus (BAG v. 9.5.2006 - 9 AZR 424/05, AP BGB § 307 Nr. 21).

Die Befugnis zur Versetzung an einen anderen Ort bestehe aber nach § 106 Satz 1 GewO i.V.m. dem Arbeitsvertrag, der "andere Tätigkeiten im Betrieb" vorsieht. In einem zentral gelenkten Unternehmen bilden F wie auch K-P den Betrieb i.S.d. § 23 KSchG. Dem stehen weder die allgemeine Umsatzbeteiligung - die auch anderswo praktiziert wird und schwanken kann - noch die Stellenbeschreibung von 1998 entgegen. In dieser sind nur aktuelle Aufgaben/Befugnisse als "Filialleitung" festgehalten, ohne das Versetzungsrecht einzuschränken.

Eine Konkretisierung auf eine Beschäftigung der Klägerin nur in F verneinte das LAG, da keine besonderen Umstände hinzugetreten seien, aus denen sich eine solche Beschränkung ergebe. Dass ihr Mann dort arbeitet, man gemeinsam fahren kann etc. seien Annehmlichkeiten, die erkennbar nur so lange gelten, als weder sie noch ihr Mann versetzt werden.

Dennoch hielt das LAG die Ausübung des Versetzungsrechts für unwirksam, da es an der hinreichenden Bestimmtheit fehle, welche Aufgaben die Klägerin in K-P als Filialleiterin im Einzelnen erledigen soll. Bei Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts müsse die geforderte Leistung genau angegeben werden, insbesondere Aufgaben, Befugnisse und Berichtsweg. Zudem entspreche die Ausübung auch nicht billigem Ermessen, da die Beklagte kein berechtigtes Interesse an der Versetzung der Klägerin darlegen konnte.

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Konsequenzen

Die Entscheidung hat hohe praktische Relevanz. Sie verdeutlicht die 2-stufige Prüfung:

- (AGB-)Prüfung der Versetzungsbefugnis: Versetzungsklauseln sind grundsätzlich zulässig und brauchen keine konkreten Versetzungsgründe zu nennen (BAG v. 11.4.2006 - 9 AZR 557/05, AuA 12/06, S. 750). Sie dürfen jedoch nicht in den Inhalt des Arbeitsvertrags eingreifen und müssen sich auf gleichwertige Tätigkeiten beschränken (BAG v. 9.5.2006 - 9 AZR 424/05, a.a.O.). Verringerung von Arbeitszeit und Vergütung oder Zuweisung unterwertiger Tätigkeiten sind regelmäßig nur durch Vertragsänderung oder Änderungskündigung möglich.

- Prüfung der Versetzungsausübung: Eine Versetzungsanordnung muss konkretisiert, insbesondere die neu zugewiesenen Aufgaben, Befugnisse, Berichtsweg dargestellt werden. Notwendig ist außerdem, dass sie billigem Ermessen entspricht, d.h. es müssen nachvollziehbare sachliche Gründe dafür vorliegen.

Praxistipp

In Stellenbeschreibungen sollten keine einschränkenden Ortsangaben gemacht, sondern bloß die Aufgaben/Befugnisse beschrieben werden ("Filialleiter").

RA Volker Stück, Stuttgart

Redaktion (allg.)

· Artikel im Heft ·

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