EuGH: Kein Auskunftsanspruch für abgelehnte Bewerber

© PIXELIO/Thorben Wengert
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Das Unionsrecht gewährt abgelehnten Bewerbern, die die Voraussetzungen der Stellenausschreibung erfüllen, keinen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber, wen er stattdessen aufgrund welcher Kriterien eingestellt hat. Weigert er sich jedoch, jedwede Information herauszugeben, kann das Gericht dies u. U. im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die eine Diskriminierung vermuten lassen, berücksichtigen (EuGH, Urt. v. 19.4.2012 – C-415/10).

Die Klägerin ist russischer Herkunft und verfügt über ein russisches Diplom als Systemtechnik-Ingenieurin, dessen Gleichwertigkeit mit einem deutschen Fachhochschuldiplom anerkannt wurde. Sie bewarb sich auf zwei Stellenanzeigen der Beklagten, die erfahrene Softwareentwickler suchte, erhielt aber eine Absage ohne Begründung. Die Klägerin war der Meinung, sie sei für die Stelle ausreichend qualifiziert und die Beklagte habe sie nur wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer ethnischen Herkunft abgelehnt. Sie klagte auf Schadensersatz wegen Diskriminierung sowie Vorlage der Bewerbungsunterlagen des eingestellten Bewerbers, um nachweisen zu können, dass sie besser qualifiziert ist.

Das BAG fragte den EuGH im Wege der Vorabentscheidung, ob das Unionsrecht einem abgelehnten Bewerber, der schlüssig darlegt, dass er die Voraussetzungen der Stellenanzeige erfüllt, einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber gewährt, wen er aufgrund welcher Kriterien stattdessen eingestellt hat. Ferner interessierte das BAG, ob schon die Tatsache, dass der Arbeitgeber sich weigert, Auskunft zu geben, eine behauptete Diskriminierung vermuten lässt.

Der EuGH antwortete, dass das Unionsrecht keinen Auskunftsanspruch für Personen, die sich für diskriminiert halten, vorsieht. Weigert sich die Beklagte jedoch, Informationen herauszugeben, kann dies den Zweck des Unionsrechts, Diskriminierungen zu sanktionieren, vereiteln. Die nationalen Gerichte müssen deshalb bei der Frage, ob die Klägerin die Indizien, die eine Diskriminierung vermuten lassen, ausreichend nachgewiesen hat, alle Umstände berücksichtigen. Zudem dürfen nationale Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten vorsehen, dass eine Diskriminierung mit allen Mitteln, einschließlich statistischer Beweise, festzustellen ist.
Im vorliegenden Fall sollte laut EuGH das deutsche Gericht insbesondere mit einbeziehen, dass die Beklagte der Klägerin anscheinend jeden Zugang zu Informationen verweigerte. Für beachtlich hält der EuGH außerdem, dass der Arbeitgeber die ausreichende Qualifikation der Klägerin nicht bestreitet, sie aber trotzdem nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat.

 

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