Kein doppelter Urlaubsanspruch bei unwirksamer Kündigung

© PIXELIO/Martin Fels
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Stellt das Gericht fest, dass eine Kündigung erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam geworden ist, aber ist der Mitarbeiter während dieser Zeit bereits ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, muss er sich Urlaub, den ihm der neue Arbeitgeber gewährt hat, auf seinen Ersatzurlaubsanspruch gegen den alten Arbeitgeber anrechnen lassen, wenn er nicht in der Lage gewesen wäre, beide Arbeitspflichten gleichzeitig zu erfüllen (BAG, Urt. v. 21.2.2012 – 9 AZR 487/10).

Die Klägerin war für die Beklagte als Fachexpertin für Bildmessung tätig. Laut Arbeitsvertrag standen ihr 29 Urlaubstage zu. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mehrfach. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage und fing bei einem anderen Arbeitgeber an, der ihr im Jahr 2008 bereits 21 Urlaubstage gewährte. Anfang November 2008 beantragte die Klägerin dann bei der Beklagten Urlaub für die Zeit vom 14.11. bis 30.12.2008. Diese weigerte sich. Das Gericht entschied später rechtskräftig, dass die Kündigungen das Arbeitsverhältnis erst Ende 2008 aufgelöst haben. Im vorliegenden Prozess machte die Klägerin einen Ersatzurlaubsanspruch von 29 Tagen für das Jahr 2008 geltend.

 

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Das BAG entschied dagegen, dass sich die Klägerin die bereits gewährten 21 Urlaubstage ihres neuen Arbeitgebers anrechnen lassen muss. Ihr steht nur ein Ersatzurlaubsanspruch von acht Tagen zu. Stellt ein Gericht fest, dass eine Kündigung erst später wirksam war, aber ist der Mitarbeiter bereits ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, liegt ein Doppelarbeitsverhältnis vor. Wäre der Beschäftigte während dieser Zeit nicht in der Lage gewesen, beide Arbeitspflichten zu erfüllen, und hat der neue Arbeitgeber ihm für das laufende Kalenderjahr bereits Urlaub gewährt, muss er sich diesen anrechnen lassen. Denn der im Kündigungsrechtsstreit obsiegende Mitarbeiter ist so zu behandeln, als wäre das Arbeitsverhältnis nie unterbrochen worden. Urlaub stellt zwar kein Entgelt für geleistete Dienste dar. Daher lassen sich die Anrechnungsvorschriften des § 11 Nr. 1 KSchG und § 615 Satz 2 BGB nicht unmittelbar anwenden. Die Interessenlage ist jedoch die gleiche, so dass eine analoge Anwendung geboten ist.

 

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