Unverschuldete Arbeitsunfähigkeit bei 4,9 Promille

(c) BirgitH / pixelio.de
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Eine Arbeitsunfähigkeit ist nur dann gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG verschuldet, wenn ein Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen das von einem verständigen Menschen in seinem eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Ist der Beschäftigte alkoholabhängig, fehlt es suchtbedingt auch im Falle des Rückfalls nach einer Therapie an einem Verschulden. Er verliert damit seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht, entschied das BAG mit Urteil vom 18.3.2015 (10 AZR 99/14).

Von 2007 bis 2011 war ein alkoholabhängiger Mitarbeiter bei der beklagten Arbeitgeberin angestellt. Im November 2011 erlitt er eine Alkoholvergiftung (4,9 Promille) und war im Anschluss zwei Monate arbeitsunfähig erkrankt. Zuvor hatte er erfolglos zwei stationäre Entzugstherapien durchgeführt. Seine gesetzliche Krankenversicherung zahlte 1.303,36 Euro Krankengeld. In dieser Höhe machte sie Ansprüche auf Entgeltfortzahlung gegen das Unternehmen geltend.

ArbG und LAG gaben der Klage statt. Die Revision vor dem BAG blieb erfolglos. Eine Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit. Wird ein Arbeitnehmer aufgrund dessen arbeitsunfähig krank, trifft ihn kein Verschulden i. S. d. Entgeltfortzahlungsrechts. Das gilt grundsätzlich auch bei einem Rückfall nach einer Therapie. Ein Verschulden kann aber nicht generell ausgeschlossen werden. Der Arbeitgeber kann – wie in diesem Fall – das fehlende Verschulden bestreiten. Das ArbG muss dann ein medizinisches Sachverständigengutachten einholen und klären, ob der Rückfall schuldhaft erfolgte. Das vorgelegte Gutachten schloss im konkreten Fall ein Verschulden wegen der langjährigen und chronischen Alkoholanhängigkeit und des daraus folgenden „Suchtdrucks“ aus.

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