Widerspruchsrecht bei gesetzlichem Arbeitgeberwechsel

Die gesetzliche Überleitung des Arbeitsverhältnisses eines Landesbeschäftigten auf eine Anstalt des öffentlichen Rechts, ohne dass dieser die Möglichkeit hat, dem Übergang zu widersprechen, verletzt die in Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Mitarbeiters (BVerfG, Beschl. v. 25.1.2011 – 1 BvR 1741/09). 

Das Land Hessen beschloss, die Universitätskliniken Gießen und Marburg zusammenzufassen und zu privatisieren. Hierzu erließ es zum 1.7.2005 ein Gesetz über die Errichtung des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKG). Danach gingen alle Rechte, Pflichten und Zuständigkeiten der bislang selbstständigen Universitätskliniken im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf das neue „Universitätsklinikum Gießen und Marburg“ als Anstalt des öffentlichen Rechts über. Auch die Arbeitsverhältnisse der nichtwissenschaftlichen Landesbeschäftigten wurden gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG übergeleitet. Ein Widerspruchsrecht, wie in § 613a Abs. 6 BGB, war nicht vorgesehen.

Darüber hinaus ermächtigte das Gesetz die Anstalt zur Privatisierung. Diese erfolgte 2006 durch Umwandlung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, von deren Geschäftsanteilen das Land 95 % an einen privaten Krankenhausbetreiber verkaufte. Dieser verpflichtete sich, bis Ende 2010 auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Die Beschwerdeführerin widersprach sowohl dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Anstalt öffentlichen Rechts als auch auf die GmbH.

 

Das Arbeitsgericht erkannte ein Widerspruchsrecht an, LAG und BAG dagegen nicht. Das BVerfG entschied nun, dass die gesetzliche Überleitung des Arbeitsverhältnisses in § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG vom Land auf die rechtsfähige Anstalt gegen das Grundrecht auf freie Arbeitsplatzwahl in Art. 12 Abs. 1 GG verstößt. Indem der Gesetzgeber der Beschwerdeführerin einen neuen, nicht frei gewählten Arbeitgeber aufdrängte und ihr gleichzeitig ihren alten, selbst ausgesuchten Arbeitgeber entzog, griff er in ihre Berufsfreiheit ein. Dabei entfernte er sie nicht nur aus dem Landesdienst, sondern durch die Privatisierung letztlich auch aus dem öffentlichen Dienst. Eine verfassungskonforme Auslegung, dass den Betroffenen ein Widerspruchsrecht entsprechend § 613a BGB zusteht, war nicht möglich, da sich der Landesgesetzgeber bewusst hiergegen entschieden hatte.

Der Eingriff in die Berufsfreiheit war auch nicht gerechtfertigt. Ziel des Gesetzes war es, die Universitätskliniken zu privatisieren. Die Nichteinräumung eines Widerspruchsrechts war zwar geeignet und erforderlich, um dies zu erleichtern. Der Gesetzgeber griff dadurch jedoch unverhältnismäßig in die Privatautonomie der Arbeitnehmer ein. Denn die Überleitung der Arbeitsverhältnisse ermöglichte es dem Land, sich auch gegen den Willen der Mitarbeiter aus seinen eingegangenen arbeitsvertraglichen Bindungen zu lösen, ohne an Kündigungsvorschriften gebunden zu sein. Dadurch verloren die Beschäftigten in weitem Umfang ihren Bestandsschutz. Bei einem Widerspruchsrecht hätten sie dagegen wählen können, ihr Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber fortzusetzen. Zwar hätte dann das Risiko einer betriebsbedingten Kündigung bestanden. Diese wäre aber dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen. Die Entscheidung, welche Variante der Mitarbeiter bevorzugt, muss seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Privatautonomie vorbehalten bleiben. Das gilt umso mehr, wenn der Wechsel auf dem Weg einer Privatisierung von einem öffentlichen Arbeitgeber zu einem privaten erfolgt. Der Landesgesetzgeber muss nun bis spätestens 31.12.2011 eine neue Regelung schaffen.

In diesem Buch werden die verschiedensten Aspekte für Praktiker umfassend dargestellt und der Aufbau und die Systematik des Arbeitsschutzes, Compliance-relevanter Aspekte, Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern erläutert.

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