Sind Stellen neu zu besetzen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufzunehmen, um zu prüfen, ob die freien Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Ferner ist er verpflichtet, über die Vermittlungsvorschläge und Bewerbungen schwerbehinderter Menschen unmittelbar nach Eingang die Schwerbehindertenvertretung und den Betriebsrat zu unterrichten (§ 164 Abs. 1 Satz 2 und 4 SGB IX).
Ein schwerbehinderter Bewerber klagte auf Zahlung einer Entschädigung wegen Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung und machte geltend, dass das Unternehmen, bei dem er sich beworben hatte, gegen die Pflicht zur Konsultation der Arbeitsagentur verstoßen hat und seine Bewerbung nicht unmittelbar nach Eingang an die Schwerbehindertenvertretung und den Betriebsrat weitergeleitet wurde. Das Unternehmen führte dagegen an, es bediene sich für die Durchführung des Bewerbermanagements einer Softwarelösung namens „Concludis“. Die Schwerbehindertenvertretung habe ebenso wie der Betriebsrat einen vollen Lesezugriff auf die darin verfügbaren Unterlagen. Die Bewerbung des Klägers sei am 17.1.2022 eingegangen und bereits am 21.1.2022 habe die Schwerbehindertenvertretung eine Stellungnahme entworfen. Man habe sich auch mit dem Sachbearbeiter bei der Agentur für Arbeit per E-Mail ausgetauscht. Eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung liege somit nicht vor.
Das LAG Köln sprach dem Kläger ebenso wie die erste Instanz einen Anspruch auf Entschädigung i. H. v. zwei Bruttomonatsgehältern zu. § 22 AGG erleichtert die Darlegungslast für den Kläger. Wenn dieser Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Diskriminierung vorgelegen hat. Die vom Unternehmen vorgetragene Einbindung der Agentur für Arbeit war nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend. Die Konsultation der Agentur soll sach- und zweckgerichtet erfolgen, die erforderlichen Angaben, z. B. konkrete Stellenbeschreibung und Anforderungsprofil, sollen mitgeteilt werden. In Betracht kommt hierbei eine konkrete Betreuungsperson bei der Agentur für Arbeit oder die Nutzung des Onlineportals der Agentur. Die bloße Weiterleitung der Ausschreibung an die Online-Job-Börse sei nicht ausreichend, da nicht sicher gewährleistet ist, dass die zuständige Vermittlungsperson hiervon Kenntnis erlangt. Außerdem habe das Unternehmen gegen die Verpflichtung zur unmittelbaren Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrats verstoßen. Der Arbeitgeber darf nicht zunächst eingegangene Bewerbungen sammeln und später gebündelt der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebsrat zuleiten. Dies muss unmittelbar nach Eingang erfolgen. Erforderlich ist eine gezielte Unterrichtung, mit der auf die Schwerbehinderung hingewiesen wird. Ein Lesezugriff der Schwerbehindertenvertretung auf die Ausschreibungssoftware ist nicht ausreichend. (LAG Köln, Urt. v. 26.4.2024 – 10 Sa 286/23, rk.).
Dr. Claudia Rid

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