Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

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 Bild: pixabay.com
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Der Inhaber der einzigen Allgemeinarztpraxis am Ort beschäftigte vier angestellte Mitarbeiterinnen. Er hatte für die Zeit vom Freitag, 3.4.2020 bis Ostermontag, 13.4.2020 eine Praxisschließung geplant und allen Mitarbeiterinnen Urlaub erteilt. Nachdem am 18.3.2020 eine Arzthelferin positiv auf das Coronavirus getestet worden war, ordnete das Gesundheitsamt Quarantäne für alle Beschäftigten einschließlich des Arztes bis einschließlich 2.4.2020 an. Am 27.3.2020 wandte sich der Arzt via Kurznachrichtendienst an seine Angestellten mit folgendem Vorschlag: Er habe lange überlegt, aber man könne nicht nach zwei Wochen Quarantäne die Praxis für eine weitere Woche komplett zusperren. Entweder man müsse den Urlaub um eine Woche verschieben oder mit Schichten arbeiten und mit weniger Personal. Mit diesem Vorstoß erregte der Arzt den Unmut seiner Angestellten, die an dem geplanten Urlaub festhalten wollten. Eine von ihnen twitterte: „Mit uns wird gar nichts besprochen. Uns wird angeordnet. Das funktioniert so nicht, da auch ich eine Familie habe. […] Ich bin immunsupprimiert und ich brauche gesundheitliche Pausen! Und das auch ohne Homeoffice. Ich kann nächste Woche nicht.“ Der Arzt hielt an der Praxisöffnung fest. Am 3.4.2020, dem ersten Tag der Öffnung, twitterte die Arzthelferin: „Guten Morgen, ich brauche heute eine Pause, ich hatte gestern Clusterkopfschmerzen und heute auch wieder. Und I… geht es auch nicht gut.“ Auch die Kolleginnen brachten zum Ausdruck, dass sie Urlaub nehmen wollten. Die Klägerin wurde vom 3.4.2020 bis 9.4.2020 arbeitsunfähig krankgeschrieben, zwei weitere Mitarbeiterinnen exakt für denselben Zeitraum ebenfalls. Als die Arzthelferin am 14.4.2020 wieder in die Praxis kam, kündigte der Arzt fristlos. Er machte geltend, die Mitarbeiterin habe sich arbeitsunfähig krankschreiben lassen, ohne krank zu sein. Er unterlag in zwei Instanzen, das LAG Nürnberg (Urt. v. 27.7.2021 – 7 Sa 359/20, rk.) gab der Kündigungsschutzklage mit folgender Begründung statt:

Das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit kann einen wichtigen Grund an sich für eine außerordentliche Kündigung darstellen, wenn der Arbeitnehmer sich Entgeltfortzahlung gewähren lässt, obwohl es sich in Wahrheit nur um eine vorgetäuschte Krankheit handelt. Ein solcher Arbeitnehmer begeht regelmäßig sogar einen vollendeten Betrug. Im konkreten Fall war das Gericht jedoch nicht davon überzeugt, dass die Arzthelferin anlässlich ihrer Krankschreibung wusste, dass sie nicht arbeitsunfähig erkrankt war und sie die arbeitsunfähig krankschreibende Ärztin über ihren Gesundheitszustand täuschte. Einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu. Dieser kann erschüttert werden durch entsprechende Tatsachen, die der kündigende Arbeitgeber vortragen muss. Gelingt ihm dies, muss sich der Arbeitnehmer konkret zu seiner Erkrankung und der dadurch bedingten Arbeitsunfähigkeit einlassen. Gelingt dem Arbeitnehmer dieser konkrete Sachvortrag, ist es wiederum Sache des Arbeitgebers, diesen zu widerlegen.

Das Gericht nahm immerhin an, dass der Beweiswert der Krankschreibung erschüttert war aufgrund deren Vorgeschichte. Dass alle drei vom Urlaubswiderruf betroffene Arbeitnehmerinnen für denselben Zeitraum erkrankten und dieser Zeitraum exakt den ursprünglich geplanten Urlaub abdeckt, „lasse sich nur schwer mit Launen des Zufalls in Einklang bringen“ und erschüttert damit den Beweiswert. Allerdings hatte die Klägerin auf ihre Immunsuppression hingewiesen und zudem vorgetragen, dass sie an aplastischer Anämie leide, einer schweren Knochenmarkserkrankung. Sie hatte zudem ihre Ärztin von der Schweigepflicht entbunden, die als Zeugin bekundete, dass sie das von der Klägerin geschilderte Krankheitsbild für vollkommen plausibel gehalten habe.

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Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Seite 50 bis 51
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