Böswilliges Unterlassen anderweitigen Verdienstes

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Ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn nach Ausspruch einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung besteht dann nicht, wenn der Arbeitnehmer es böswillig unterlassen hat, einen anderweitigen Verdienst zu erzielen (§ 615 Satz 2 BGB). Dies setzt voraus, dass es eine konkrete Erwerbsmöglichkeit gab, die dem Arbeitnehmer bekannt und deren Annahme zumutbar war.

In einem Rechtsstreit vor dem LAG Hamburg (Urt. v. 6.4.2022 – 8 Sa 51/22, rk.) klagte eine ungelernte Pflegekraft auf Annahmeverzugslohn. Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass der Arbeitsmarkt für auch ungelernte Pflegekräfte günstig war und man sogar von Pflegenotstand sprechen kann. Die Pflegekraft gab an, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet zu haben. Er habe aber nur ein Vermittlungsangebot erhalten. Der Sachbearbeiter der Arbeitsagentur habe ihm erklärt, er werde weiterhin Arbeitslosengeld bekommen, auch wenn er sich dort nicht bewerbe. Daher habe er auf die Bewerbung verzichtet. Er bestritt, dass es geeignete Stellen für ihn gab. Das Unternehmen benannte daraufhin Führungskräfte aus 16 Pflegeinrichtungen als Zeugen dafür, dass im fraglichen Zeitraum auch ungelernte Pflegekräfte zur sofortigen Einstellung gesucht wurden. Dennoch erhob das Gericht diesen Beweis nicht.

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Ein für den Arbeitnehmer günstiger Arbeitsmarkt sei keine Tatsache, über die Beweis zu erheben wäre. Es handelt sich vielmehr um eine Bewertung. Der Arbeitgeber trägt die Beweislast dafür, dass konkrete Erwerbsmöglichkeiten bestanden und dem Mitarbeiter bekannt waren. Dadurch wird er nicht benachteiligt. Er kann dem Arbeitnehmer eine Prozessbeschäftigung anbieten. Die Ablehnung einer solchen Prozessbeschäftigung trägt regelmäßig die Annahme eines böswilligen Unterlassens, sofern sie für den Arbeitnehmer zumutbar ist. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer auch auf bestimmte Beschäftigungsmöglichkeiten hinweisen. Hätte er dies getan, wäre es Sache des Mitarbeiters zu erklären, wie er auf diese Mitteilungen reagiert hat.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Kläger weitere Vermittlungsangebote der Bundesagentur erhalten hat. Der Arbeitgeber hat aufgrund des Sozialgeheimnisses keinen Anspruch auf Auskunft gegen die Bundesagentur. Dies kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass der Arbeitgeber Sachbearbeiter der Bundesagentur als Zeugen benennt.

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