Einschlägige Berufserfahrung

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 Bild: Yasmina/stock.adobe.com
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Die Klägerin begehrt die Anerkennung von Berufserfahrung zwecks Zuordnung zu einer höheren Entgeltstufe. Zunächst war sie in den Jahren 2000 bis 2006 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Enzymologie der Proteinfaltung tätig, sodann in den Jahren 2006 bis 2018 an einer medizinischen Fakultät, dabei bis zum Jahr 2012 als wissenschaftliche Mitarbeiterin, sodann ab der Verleihung des Doktortitels als Privatdozentin. In der Zeit vom 1.8.2017 bis 13.8.2019 leistete sie als Lehramtsanwärterin ihren Vorbereitungsdienst ab. Anschließend wurde sie unbefristet als Lehrkraft in die Entgeltgruppe 11 (TV-L) – dort in die Stufe 1 – eingruppiert. Nach tariflicher Angleichung der Eingruppierungsvoraussetzungen nahm der Arbeitgeber ab dem 1.1.2020 die Eingruppierung in der Entgeltgruppe 13 Stufe 2 vor.

Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis zum 29.2.2020, wurde jedoch zum 1.6.2020 wiederum als Lehrkraft in der Entgeltgruppe 13 Stufe 2 (wieder mit den Fächern Biologie und Chemie) eingestellt. Mit ihrer Klage vom 20.12.2022 begehrt die Klägerin Differenzzahlungen für den Zeitraum August 2019 bis Februar 2020, denn sie müsse aus der Stufe 6 vergütet werden. Die beruflichen Stationen vor der Aufnahme des Schuldienstes müssten bei der Stufenzuordnung berücksichtigt werden.

Das ArbG Gera (Urt. v. 16.8.2023 – 4Ca31/23, Berufung: 1Sa191/23) wies die Klage ab. Maßgeblich sei die Definition zur einschlägigen Berufserfahrung in der Protokollerklärung zu § 16 Abs. 2 TV-L. Das ArbG Gera orientierte sich an der bereits ergangenen BAG-Rechtsprechung und legte dessen strenge Maßstäbe an:

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  • Der Beschäftigte muss in der früheren Tätigkeit einen Kenntnis- und Fähigkeitszuwachs erworben haben, der für die nach der Einstellung konkret auszuübende Tätigkeit erforderlich und prägend ist und ihm damit weiterhin zugute kommt. Das ist der Fall, wenn die frühere Tätigkeit im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird oder zumindest gleichartig war.
  • Eine einschlägige Berufserfahrung setzt voraus, dass der neu eingestellte Beschäftigte bezogen auf die gesamte Bandbreite der nunmehr geschuldeten Arbeitsleistung einsatzfähig ist.

Das ArbG Gera kommt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin ihre Arbeitsinhalte aus der Zeit der wissenschaftlichen Mitarbeit nicht näher dargelegt habe. Fraglich sei, ob die wissenschaftliche Arbeit etwas mit der Lehre gemein habe. Die Lehrtätigkeit an einer Universität unterscheide sich inhaltlich erheblich von der Lehrtätigkeit an einer Schule, da unterschiedliche Personengruppen zu unterrichten seien. Die erworbenen Berufserfahrungen hätten somit keine überwiegende inhaltliche Schnittmenge mit der Tätigkeit als Lehrkraft.

Die Entscheidung zeigt, dass Einschlägigkeit im Rahmen der Stufenzuordnung einem strengen Maßstab unterliegt. Und die Darlegung und Beweislast liegt auf der Seite der klagenden Beschäftigten.

Sebastian Günther

Sebastian Günther
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner, GÜNTHER · ZIMMERMANN Rechtsanwälte, Berlin
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Einschlägige Berufserfahrung
Seite 60
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