Mitarbeiterbeteiligung

Beispiele aus der Praxis und Neuregelungen 2024

Es gibt einige bekannte Firmen, die unter wirkungsvoller Beteiligung ihrer Mitarbeiter erfolgreich geworden sind. Hierzu gehören etwa Siemens, Bertelsmann, Draeger oder Goldbeck. Trotz dieser Vorreiterbeispiele hat die Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland ganz im Gegensatz zum europäischen Ausland bisher nur vereinzelt Tritt gefasst. Dies war auch darauf zurückzuführen, dass die Politik der Förderung zu wenig Aufmerksamkeit zubilligte. Das wird sich aber nun auf Drängen der Start-up-Branche ändern. Dieser Einsatz kommt der Gesamtwirtschaft zugute. Eine Kehrtwende ist nun nach Verabschiedung des zum 1. Januar in Kraft getretenen Zukunftsfinanzierungsgesetzes absehbar.

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 Bild: beast01/stock.adobe.com
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Zukunftsfinanzierungsgesetz bringt Veränderung

Im Jahre 2021 gab es den letzten politischen Schub für die Mitarbeiterbeteiligung: Die Freibeträge für Zuschüsse von Arbeitgebern an ihre Beschäftigten wurden durch die große Koalition quasi über Nacht und für viele unerwartet auf einen Betrag von 1.440 Euro vervierfacht. Gleichzeitig wurde als Ergebnis eines vehementen Drängens der Start-up-Verbände für Gründungsunternehmen eine Zusatzregelung implementiert. Auf diesem Wege sollten deutsche Unternehmen auf den internationalen Arbeitsmärkten wieder wettbewerbswirksam werden. Dringend benötigte Fachkräfte, so die Hoffnung, sollten den Weg nach Deutschland in innovative Unternehmen finden.

Doch dann kam die Coronakrise und die Aufmerksamkeit lag in anderen Bereichen. Die Wirkung der Gesetzesänderung verpuffte. Darüber hinaus musste festgestellt werden, dass die gesetzliche Regelung mit Hindernissen verbunden war, die insbesondere für Gründungsunternehmen steuerlich nachteilig wirkte. Die im Einkommensteuerrecht angesetzte Definition von Start-up-Unternehmen griff, so die Kritik aus der Branche, zudem zu kurz.

All das führte zu einem neuen Anlauf: Die Ampelkoalition gab sich bereits im Koalitionsvertrag die Aufgabe, die Mitarbeiterbeteiligung zu verbessern und attraktiver zu gestalten. Das Finanzministerium erstellte einen Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes, das im Schwerpunkt einen erleichterten Zugang von Unternehmen zu frischem Kapital hatte, aber auch dazu geeignet war, die Mitarbeiterbeteiligung auf ganz neue Füße zu stellen.

Nach längerer Diskussion und Anhörungen von Fachleuten und Verbandsvertretern in mehreren Runden wurde am 24.11.2023 durch den Bundesrat das Zukunftsfinanzierungsgesetz verabschiedet, das zum 1.1.2024 somit fristgerecht in Kraft treten konnte.

Das Gesetz umfasst folgende Neuregelungen (vgl. hierzu auch den ausführlichen Kommentar von Sieg, AuA 1/24, S. 6 in dieser Ausgabe):

  • Die Gewährung von steuer- und sozialversicherungsfreien Zuschüssen in Form einer Mitarbeiterbeteiligung wird von 1.440 Euro auf einen jährlichen Zuwendungsbetrag von 2.000 Euro erhöht (§ 3 [39] EStG).
  • Mitarbeiter, die Vermögenswirksame Leistungen (VL) in eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung im Rahmen des 5. VermBG einbringen, sind zukünftig bis zu einer Einkommensgrenze von 40.000 Euro in der Alleinveranlagung bzw. 80.000 Euro in der Doppelveranlagung berechtigt, eine Sparzulage abzurufen. Schätzungen der Bundesregierung zufolge steigt darüber der Kreis der Begünstigten auf 13,8 Mio. Erwerbstätige an.
  • Mitarbeiterbeteiligungsmodelle, die von Start-up-Unternehmen gewährt werden, können zukünftig auch die steuerfreie Überlassung von vinkulierten Beteiligungen vorsehen, die als Beteiligungsform in dieser Branche eine besondere Beachtung finden.
  • Der Kreis der nach § 19a EStG begünstigten Start-up-Unternehmen wurde erweitert. Bilanzkennziffern wurden erhöht, das Mindestbestandsdatum der Unternehmen von 12 auf 15 Jahre gesteigert.

In dieser Ausgestaltung kann die Mitarbeiterbeteiligung deutlich wirkungsvoller angewendet werden als bisher. Dennoch blieb das Zukunftsfinanzierungsgesetz hinter den ersten Entwürfen zurück, was insbesondere die Höhe der nach § 3 (39) EStG möglichen Förderung anbelangt. Hier war zunächst eine Obergrenze von 5.000 Euro diskutiert worden. Im Rahmen der Anhörungen von Fachleuten wurde jedoch auf entstehende Verteilungsungerechtigkeiten hingewiesen. Dies berücksichtigend wurde auf den letzten Metern des Gesetzgebungsverfahrens wieder der Aspekt der Vermögensbildung deutlich stärker betont, der noch Gegenstand des ersten Entwurfs des Gesetzes, danach jedoch nicht mehr vorgesehen war.

Basis der Mitarbeiterbeteiligung

Aber gehen wir zunächst einen Schritt zurück: Mitarbeiterbeteiligungsmodelle können erfahrungsgemäß nur dann auf einen fruchtbaren Boden fallen, wenn sie strukturiert aufgebaut sind. Diese Strukturarbeit startet bei einer Unternehmenskultur, die grundsätzlich passend ist zu einer Beteiligungskultur. Wichtig ist hier, dass die Kultur des seine Beschäftigten beteiligenden Unternehmens grundsätzlich auf Vertrauen, Miteinander und gegenseitiger Akzeptanz aufgebaut ist. Ist dies gegeben, hat eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung, die idealerweise auch mit einer Gewinn- oder Erfolgsbeteiligung kombiniert wird, ein „leichtes Spiel“. Auf diesem Nährboden kann ein breit aufgebautes Mitarbeiterbeteiligungsmodell viele, teilweise auch sehr unterschiedliche Effekte entfachen. Auffallend und wichtig zu wissen ist dabei, dass das Beteiligungsmodell nicht selten Diener zur Lösung von Problembereichen aus anderen Welten ist.

Die Auswirkungen der Mitarbeiterkapitalbeteiligung sind unbestreitbar: Zahlreiche Studien belegen eine Vielzahl positiver Effekte. Dies sind:

  • produktivitätssteigernde Effekte, bedingt durch z. B. höhere Kostenorientierung oder Kundenfokussierung
  • personalwirtschaftliche Effekte, wie z. B. eine höhere Mitarbeiterbindung, weniger Fehltage, höherer Mitarbeitereinsatz
  • Vorteile am Arbeitsmarkt insbesondere bei Fachkräften oder im internationalen Umfeld
  • Steigerung des Images im Absatzprozess
  • Finanzierungsvorteile durch Eigenkapitalbildung, höhere Rentabilität oder Eigeninvestitionen von VL

Mehr als nur Belegschaftsaktien

Es gab schon Zeiten, in denen selbsternannte Beteiligungsspezialisten sagten, dass Mitarbeiterbeteiligung nur von Aktiengesellschaften in Form von Belegschaftsaktien umzusetzen sei. Diese Aussage ist weit am Thema vorbei und könnte quasi auch als Diffamierung verstanden werden.

Auch wenn eine Beteiligung der Beschäftigten z. B. an einer GmbH möglich, aber doch aufwendig ist, so ist sie doch eine weitere Variante. Um hier einen praktikablen Weg zu realisieren, werden die Beteiligungen meist gebündelt in einer Beteiligungsgesellschaft.

Darüber hinaus bieten sich jedoch viele andere Beteiligungsformen, die allesamt im 5. VermBG als Rechtsgrundlage erfasst sind:

  • Genossenschaftsbeteiligungen
  • stille Beteiligungen, in direkter oder in indirekter Form durch Bündelung der Anteile in einer Beteiligungsgesellschaft
  • Genussrechte und Genussscheine
  • Mitarbeiterdarlehen mit fester oder variabler Verzinsung
  • Nachrangdarlehen
  • Wandelanleihen

Im Bereich der Aktie können z. B. Inhaber-, Namens- oder Vorzugsaktien zur Anwendung kommen.

Bereits die Abhandlung der Beteiligungsformen zeigt, dass im Bereich der Mitarbeiterbeteiligung der Variantenreichtum groß ist. Dieser Gestaltungsspielraum endet hier mitnichten, sondern setzt sich in vielen anderen Bereichen wie

  • Definition der beteiligungsberechtigten Mitarbeiter
  • Zeichnungshöhen, -fristen
  • Gestaltung der steuerlichen Förderung, Einsatz von VL
  • Anlagefristen, Kündigungsbestimmungen
  • Informationsrechte der Beteiligten

u. a. fort. Hieraus ist absehbar, dass eine sorgfältige Vorabinformation und Projektgestaltung unerlässlich sind, damit letztendlich ein optimal passendes Modell im Ergebnis vorliegt.

Beispiel: Mitarbeiterbeteiligungsmodell der HERING-Gruppe

Ein zentraler Pfeiler der Mitarbeiterbeteiligungsszene in Deutschland ist die HERING-Gruppe mit Stammsitz in Burbach. Das Unternehmen kann bereits auf eine 130-jährige Historie zurückblicken.

Seit Anbeginn stellte die Unternehmerfamilie nicht nur die Gewinnerzielung, sondern höhere Werte in den Mittelpunkt. In dieser Tradition liegt auch noch in der heutigen Zeit ein starker Fokus auf eine werteorientierte Unternehmenskultur.

Bereits vom Firmengründer Rudolf Hering wird berichtet, dass er seinen Mitarbeitern einen gerechten Lohn gab, loyal war und für die Nöte des Einzelnen Verständnis aufbrachte. Das war für die damalige Zeit nicht unbedingt selbstverständlich und allemal nicht in einer abgelegenen Region, in der Industrialisierung und Wohlstand erst sehr spät Einzug fanden.

Mit der Zeit wandelte sich das Unternehmen vom Bauunternehmen, übernahm Gleisbauarbeiten, baute schlüsselfertig und wuchs stetig. Heute zählt die Belegschaft 630 Mitarbeiter. Die Wertekultur aber blieb, trotz aller Veränderungen und ungeachtet der Industrialisierung des Unternehmens.

Im Jahre 1971 wurde das Mitarbeiterbeteiligungsmodell begründet. Dieses sieht als Basis eine Erfolgsbeteiligung der Beschäftigten vor. Auf dieser Grundlage wurde der Grundsatz einer gerechten Entlohnung des Gründers auf eine neue Stufe gestellt.

Das Gewinnbeteiligungsmodell beruht auf einem vertraglich definierten Verfahren. Kernelement ist die Verteilung eines Gewinnbudgets. Das Budget wird in Anlehnung an den erwirtschafteten Gewinn auf Vorschlag der Unternehmensleitung unter Beratung mit einem Partnerschaftsausschuss festgelegt. Dem Partnerschaftsausschuss gehören paritätisch von den Mitarbeitern gewählte Vertreter und Arbeitgebervertreter an. Darüber hinaus entsendet auch der Betriebsrat einen Vertreter.

Das Gewinnbudget wird nach Köpfen auf alle berechtigten Beschäftigten verteilt. Der sich ergebende Gewinnanteil wird zunächst einem stillen Beteiligungskonto der Mitarbeiter steuer- und sozialversicherungsfrei zugeführt.

Die Bindungsfrist des Kapitals beträgt mindestens sechs Jahre. Nach Ablauf dieser Frist ist das Kapital vom Mitarbeiter kündbar und kann ausgezahlt werden. Eine Kündigung vor Ablauf der Mindestbindungsfrist ist allerdings auch möglich, wenn wichtige Gründe vorliegen, die eine Vorabauszahlung erforderlich machen oder der Mitarbeiter verstirbt.

Während der Laufzeit wird das stille Beteiligungskapital erfolgswirksam verzinst. Der Zinssatz kann maximal 12 % betragen.

Insgesamt umfassen die Mitarbeitereinlagen ein Volumen, das 3 % des Eigenkapitals der Firma entspricht. Dies verdeutlicht, dass hier weniger Finanzierungsaspekte im Vordergrund stehen, sondern aus der Beteiligung abgeleitete positive Nebenwirkungen wie Mitarbeiterbindung und -gewinnung von Interesse für das Unternehmen sind.

Neben der Mitarbeiterbeteiligung existieren diverse weitere Maßnahmen, die zu einer hohen Arbeitgeberattraktivität des Unternehmens beitragen. Dies sind z. B. intensive Weiterbildungs- oder Gesundheitsförderungsmaßnahmen und umfangreiche Benefits. Insgesamt kann so die Fluktuationsrate auch aktuell sehr niedrig gehalten werden.

Darüber hinaus ist die Firma regelmäßig in diversen Wettbewerben erfolgreich. So wurde bereits zum zweiten Mal erfolgreich der INQA-Prozess „Zukunftsfähige Arbeitskultur“ abgeschlossen.

Beispiel: Mitarbeiterbeteiligungsmodell der Slawinski & Co. GmbH

Weniger betagt als das Modell der HERING-Gruppe, aber ebenso für die Beschäftigten attraktiv ist das Beteiligungsmodell der Slawinski & Co. GmbH aus Siegen-Weidenau. Das Unternehmen, dessen Wurzeln bis zum Jahr 1914 zurückreichen, betrachtet ein partnerschaftliches Verhältnis zu den Beschäftigten als wichtige Basis seines Erfolgs. Operativer Geschäftsgegenstand ist die Fertigung maßgeschneiderter Böden und Sonderpressteile, die im Behälter- und Anlagenbau ihren Einsatz finden. Gefertigt wird an den Standorten Siegen und Bad Laasphe.

Auch hier basiert das Beteiligungsmodell auf einer Erfolgsbeteiligung. Die Beteiligungsbestimmungen sehen eine fest definierte Staffelung vor, die somit den Beschäftigten garantiert ist. Beteiligungsberechtigt sind ebenso Auszubildende, da auch deren Bindung an das Unternehmen einen hohen Stellenwert genießt. Rechtsgrundlage ist eine Betriebsvereinbarung, die bei Bedarf eine jährliche Anpassung der Bestimmungen erlaubt.

Die Erfolgsbeteiligungserträge werden im Rahmen der Steuerfreigrenzen in ein Genussrechtsmodell übertragen. Hier steht den Beschäftigten auch eine aufstockende Zeichnung von Anteilen aus eigenen Mitteln zur Wahl, die aufgrund der attraktiven, in ihren Erträgen über den allgemeinen liegenden Zinskonditionen das Gesamtmodell qualitativ abrundet.

Zur Erleichterung der Administration greift man auf eine spezielle Verwaltungssoftware zurück. Diese ist eine Speziallösung der Sparkasse Siegen, die vom Institut infolge der Aufnahme einer eigenen Mitarbeiterbeteiligung programmiert wurde und seitdem zahlreichen Beteiligungsunternehmen administrative Erleichterung bietet.

Ausblick

Die Mitarbeiterbeteiligung hat in Deutschland nun wirklich und endlich eine Zukunft. Allmählich entwickeln sich die Rahmenbedingungen in einer Art und Weise, die selbst bisherige Bedenkenträger auf die Seite der Überzeugten wechseln lässt. Denn gerade in Zeiten des Mangels an Fach- und Arbeitskräften auf allen Ebenen und eines dringend zu stärkenden gesellschaftlichen Zusammenhalts ist Mit-Unternehmertum auf das Dringendste erforderlich. Ohne Beteiligung wird es in den Unternehmen bald nicht mehr gehen.

Stefan Fritz

Stefan Fritz
Geschäftsführender Gesellschafter, mit-unternehmer.com Beratungs-GmbH

Eckhard Eyer

Eckhard Eyer
Dipl.-Ing., Dipl.-Kfm., Geschäftsführender Gesellschafter, Perspektive Eyer Consulting
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· Artikel im Heft ·

Mitarbeiterbeteiligung
Seite 46 bis 48

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