BVerfG bestätigt (vorerst) Kopftuchverbot für Referendare

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Der Eilantrag einer Juristin gegen das Kopftuchverbot für Referendarinnen im Vorbereitungsdienst des Landes Hessen ist laut einem Beschluss des BVerfG vom 27.6.2017 (2 BvR 1333/17) erfolglos. Das Gebot  staatlicher Neutralität wiegt bis zur Entscheidung im Hauptverfahren schwerer als die Religions- und Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin.

Seit Januar 2017 ist die Beschwerdeführerin Rechtsreferendarin und hat sowohl die deutsche als auch die marokkanische Staatsbürgerschaft. Sie trägt als Ausdruck ihrer individuellen Glaubensüberzeugung ein Kopftuch. In Hessen ist es Referendarinnen, die aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen, untersagt, während ihrer Ausbildung bei Verhandlungen im Gerichtssaal auf der Richterbank zu sitzen, Sitzungen zu leiten, Beweisaufnahmen durchzuführen, Sitzungsvertretungen für die Staatsanwaltschaft zu übernehmen und Anhörungsausschutzsitzungen zu leiten. Die Juristin legte erfolglos Beschwerde gegen die Einschränkungen beim Präsidenten des Landgerichts ein. Während das VG Frankfurt dem Land Hessen aufgab, sicherzustellen, dass die Betroffene ihre Ausbildung vollumfänglich mit Kopftuch wahrnehmen kann, hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Ansicht des Landgerichtspräsidenten geteilt und den Beschluss des VG Frankfurt aufgehoben. Die Juristin verfolgt mit ihrer Verfassungsbeschwerde und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ihr Ziel weiter. Sie rügt insbesondere die Verletzung ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und Glaubensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG). Den Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das BVerfG abgelehnt. Die Verfassungsbeschwerde selbst ist weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Jedoch überwiegen nicht die Gründe, die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechen.

Die Pflicht der Referendarin, bei Tätigkeiten, bei denen sie als Repräsentantin des Staates wahrgenommen wird, kein religiöses Symbol sichtbar zu tragen, greift in die individuelle Glaubensfreiheit ein. Das Kopftuchverbot greift allerdings in die Grundrechte der Beschwerdeführerin nur zeitlich und örtlich begrenzt ein. Die weit überwiegenden Ausbildungsinhalte bleiben vom Verbot unberührt.
Das Grundgesetz gewährleistet eine Vielfalt weltanschaulich-religiöser Überzeugungen. Dem Staat ist es verwehrt, gezielte Beeinflussung zu betreiben oder sich mit einer bestimmten Weltanschauung zu identifizieren. Vielmehr sorgt er dafür, dass der Bürger in einem gerichtlichen Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Richter steht, der gegenüber allen Beteiligten neutral und mit Distanz auftritt. Auch Referendare repräsentieren im Rahmen einzelner Ausbildungsabschnitte den Staat und werden in diesem Sinne wahrgenommen. Deshalb muss auch für sie das Neutralitätsgebot gelten. Ein islamisches Kopftuch ist ein religiös konnotiertes Kleidungsstück. Die tragende Person bekennt sich zu einer religiösen Überzeugung.
Zudem muss die negative Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Verfahrensbeteiligten berücksichtigt werden. Das Grundgesetz gewährleistet auch die Freiheit, von kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fernzubleiben.

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