Fortgeltung einer dynamischen Verweisung

Dynamische Bezugnahmeklauseln in Neuverträgen, die die Parteien nach dem 1.1.2002 geschlossen haben, sind wortgetreu anzuwenden und verpflichten auch einen tarifungebundenen Betriebserwerber, auf den das Arbeitsverhältnis übergegangen ist. In Altverträgen sind sie dagegen weiterhin als Gleichstellungsabrede auszulegen (BAG, Urt. v. 24.2.2010 – 4 AZR 691/08).  Die Klägerin schloss 1998 mit einem tarifgebundenen Unternehmen der Metallindustrie einen Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit als Maschinenbedienerin. Dieser nimmt auf „die Bestimmungen der gültigen Tarifverträge der Metallindustrie Schleswig-Holstein in der jeweils gültigen Fassung“ Bezug. 2003 ging das Arbeitsverhältnis bei einem Betriebsübergang auf eine andere, ebenfalls tarifgebundene Gesellschaft über. Im November 2005 einigte sich die Klägerin mit dieser auf eine „Vereinbarung zum bestehenden und fortgeltenden Arbeitsvertrag“. Darin heißt es: „Die einschlägigen Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein in ihrer jeweiligen Fassung sind Bestandteil dieser Vereinbarung.“ 2006 ging das Arbeitsverhältnis durch Betriebsübergang auf die nicht tarifgebundene Beklagte über. Die Klägerin verlangte von ihr aufgrund der in Bezug genommenen Tarifverträge Tariflohnerhöhungen und eine tarifliche Einmalzahlung, die 2007 vereinbart wurden.

 

Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Die Klägerin darf Rechte aus den in Bezug genommenen tariflichen Regelungen geltend machen, die erst nach Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte vereinbart wurden. Zwar waren nach der früheren Rechtsprechung des BAG solche Bezugnahmeklauseln als Gleichstellungsabreden auszulegen. Ihr Zweck erschöpfte sich darin, die nicht tarifgebundenen Mitarbeiter mit den tarifgebundenen gleichzustellen. Endete die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers, waren die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch in der zu diesem Zeitpunkt gültigen Fassung anzuwenden. Diese Auslegungsregel gilt auch weiterhin bei Altverträgen, deren Bezugnahmeklauseln die Parteien vor dem 1.1.2002 vereinbart haben. Bei Neuverträgen, die danach geschlossen wurden, wirken sie dagegen gemäß dem Wortlaut als unbedingte zeitdynamische Verweisungen.

 

Im vorliegenden Fall ging das BAG von einem Neuvertrag aus, da die Parteien die Verweisung 2005 in umformulierter Form neu in den Arbeitsvertrag aufgenommen hatten. Sie ist daher wortgetreu anzuwenden. Die Beklagte ist im Wege des Betriebsübergangs in den Arbeitsvertrag eingetreten und deshalb auch ohne eigene Tarifbindung aus der Klausel verpflichtet.

#ArbeitsRechtKurios: Amüsante Fälle aus der Rechtsprechung deutscher Gerichte - in Zusammenarbeit mit dem renommierten Karikaturisten Thomas Plaßmann (Frankfurter Rundschau, NRZ, Berliner Zeitung, Spiegel Online, AuA).

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