Frage an Bewerber nach eingestellten Ermittlungsverfahren

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Eine Kündigung, die sich auf die wahrheitswidrige Beantwortung einer Frage stützt, die ihrerseits die objektive Wertordnung des Grundgesetzes verletzt, ist gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und daher unwirksam (BAG, Urt. v. 15.11.2012 – 6 AZR 339/11).

Der Kläger bewarb sich als Lehrer in Nordrhein-Westfalen. Vor seiner Einstellung sollte er auf einem Vordruck mitteilen, ob er vorbestraft ist, und versichern, dass kein Ermittlungsverfahren gegen ihn anhängig ist oder während der vergangenen drei Jahre war. Der Kläger unterzeichnete den Vordruck ohne Angaben zu Ermittlungsverfahren und wurde eingestellt. Einen Monat später ging bei der Bezirksregierung ein anonymer Tipp ein, woraufhin sie sich bei der Staatsanwaltschaft nach strafrechtsrelevanten Erkenntnissen über den Kläger erkundigte. Die Vorgangsliste enthielt mehrere Ermittlungsverfahren, die nach §§ 153 ff. StPO eingestellt worden waren. Das beklagte Land kündigte dem Lehrer außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Der Kläger war der Meinung, er habe bereits eingestellte Ermittlungsverfahren nicht angeben müssen.

LAG und BAG hielten beide Kündigungen für unwirksam. Die Frage nach Ermittlungsverfahren ist nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen in Nordrhein-Westfalen nur zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift sie erlaubt oder der Betroffene einwilligt. Nach § 29 Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen darf der Arbeitgeber nur nach Daten fragen, die für das Arbeitsverhältnis erforderlich sind. Dazu gehört bei Lehrern nicht die Frage nach abgeschlossenen Ermittlungsverfahren. Sie verstieß daher gegen Datenschutzrecht und die Wertentscheidungen des § 53 Bundeszentralregistergesetz. Außerdem griff die Frage in das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung ein, das Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Art. 2 Abs. 1 GG ist. Eine Kündigung, die sich auf die wahrheitswidrige Beantwortung einer Frage stützt, die ihrerseits die objektive Wertordnung des Grundgesetzes verletzt, ist gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und daher unwirksam.
 

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