Tarifvertrag löst nicht einzelvertragliche Bezugnahme ab

© PIXELIO/Michael Bührke
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Ein (Haus-)Tarifvertrag kann, selbst wenn beide Seiten tarifgebunden sind, keine Vereinbarung im Arbeitsvertrag ablösen. Das umfasst auch die Bezugnahme auf die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR Caritas). Das Verhältnis zwischen einzelvertraglichen und tarifvertraglichen Ansprüchen ist nach dem Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG zu klären (BAG, Urt. v. 22.2.2012 - 4 AZR 24/10).

 Die Kläger sind im beklagten Krankenhaus im nichtärztlichen Dienst tätig und ver.di-Mitglieder. Ihre Arbeitsverträge, die sie mit dem ursprünglichen Träger des Krankenhauses geschlossen haben, sehen die Anwendbarkeit der AVR Caritas in der jeweils gültigen Fassung vor. Diese Praxis wurde auch nach dem Betriebsübergang auf eine GmbH jahrelang so fortgeführt. Mit Wirkung zu Mai 2007 übernahm die H-GmbH die Gesellschaftsanteile an der Beklagten. Die H-GmbH hatte als Konzernmutter bereits im Januar 2007 mit ver.di verschiedene Tarifverträge für ihre Konzernunternehmen geschlossen. Im November 2007 einigte sie sich dann mit der Gewerkschaft auf einen Nachtragstarifvertrag, der für die Beklagte gelten sollte. Dieser erklärt die Tarifverträge für die Konzernunternehmen auch bei ihr für anwendbar.

 

Das BAG hatte zu entscheiden, ob nach Abschluss des Firmentarifvertrags die bisher auf die Arbeitsverhältnisse „anzuwendenden … AVR … in der jeweils gültigen Fassung“ noch Anwendung finden. Dies bejahten die Richter, genau wie die Vorinstanzen. Ein (Haus-)Tarifvertrag kann, selbst wenn beide Seiten tarifgebunden sind, keine Vereinbarung im Arbeitsvertrag ablösen. Das gilt auch für die Verweisungen auf die AVR Caritas. Das Verhältnis der einzelvertraglichen und tarifvertraglichen Ansprüche zueinander ist nach dem Günstigkeitsprinzip gem. § 4 Abs. 3 TVG zu klären.

Darüber hinaus ist die Beklagte schon gar nicht an den für sie abgeschlossenen Nachtragstarifvertrag gebunden. Sie war weder durch ihre Konzernmutter ordnungsgemäß vertretene Tarifvertragspartei noch hat ein tariffähiger Verband für sie gehandelt, § 2 TVG.

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