Entfernung einer Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

§§ 314 Abs. 2; 1004 BGB; Art. 17 DSGVO

Es wird an der Rechtsprechung des BAG festgehalten, wonach der Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig nicht besteht.

(Auszug aus den Leitsätzen des Gerichts)

LAG Niedersachsen, Urteil vom 4.5.2021 – 11 Sa 1180/20

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Problempunkt

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie die Entfernung zweier Abmahnungen aus dem Jahr 2020 aus der Personalakte. Das ArbG Hannover gab der Kündigungsschutzklage statt und wies die Entfernungsklage ab. Unstreitig endete das Arbeitsverhältnis spätestens am 31.3.2020 durch Eigenkündigung.

Die Klägerin meint, nach Beendigung des Rechtsstreits seien die vorliegenden Daten nicht mehr notwendig, so dass ein „Recht auf Vergessenwerden“ bestehe. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehe kein Interesse mehr an Aufbewahrung der beiden Abmahnungen.

Entscheidung

Das LAG bestätigte die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung, denn der Sachvortrag der Beklagten reicht nicht aus, um den Beweis des ersten Anscheins einer ordnungsgemäßen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern.

Die beiden streitigen Abmahnungen waren berechtigt. Die erste Abmahnung, weil die Klägerin den Mitarbeiter R unstreitig aufgefordert hat, heimlich ihre persönlichen Gegenstände aus dem Büro zu holen und mitzunehmen und auch im Nachhinein den Namen der von ihr eingesetzten Hilfsperson nicht offenbart hat. Da der Arbeitgeber seinerseits eine Fürsorgepflicht hinsichtlich des Schutzes eingebrachter persönlicher Sachen der Arbeitnehmerin trägt, ist es als Verletzung vertraglicher Rücksichtnahmepflichten gem. § 241 Abs. 2 BGB zu bewerten, dass die Klägerin ganz bewusst den Arbeitgeber über diesen Sachverhalt weder vorher noch nachher informiert hat. Auch die zweite Abmahnung wegen eines Verstoßes gegen die gesetzliche Anzeigepflicht des § 5Abs. 1Satz 1 EFZG war berechtigt. Danach hat sie auch die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit unverzüglich mitzuteilen.

In der Rechtsprechung wird vertreten, dass der allgemeine zivilrechtliche Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung und der datenschutzrechtliche Löschungsanspruch zwei separate Streitgegenstände darstellen (BAG, Urt. v. 17.11.2016– 2 AZR 730/15, NZA 2017, S. 394; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.10.2020 –12 Sa 33/20, FA 21, S. 52). Dafür spricht, dass der zivilrechtliche Entfernungsanspruch an die inhaltliche Unrichtigkeit der Abmahnung anknüpft (§ 1004 BGB), während dies beim datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch kein relevantes Kriterium ist. Vielmehr können auch inhaltlich zutreffende Daten zu löschen sein.

Entsprechend der bisherigen Rspr. des BAG hat die Klägerin nicht ausreichend begründet, dass ein Verbleiben der Abmahnungen in der Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einer anhaltenden Rechtsbeeinträchtigung führen würde. Das LAG meint, dass auch unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten ein Löschungsanspruch (Art. 17 Abs. 1 a DSGVO) nicht besteht. Art. 88 DSGVO stellt eine lex specialis hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext dar. Der Artikel stellt jedoch nur eine Öffnungsklausel für besondere Regelungen der Mitgliedstaaten dar, er enthält selbst keine unmittelbar anwendbaren Rechtssätze. Der Art. 88 DSGVO ausgestaltende § 26 BDSG regelt die Zulässigkeit der Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. Spezifische Löschungsvorschriften für das Beschäftigungsverhältnis enthält die Vorschrift ihrerseits nicht.

Art. 17 Abs. 3 DSGVO macht einen generellen Vorbehalt zu Gunsten gesetzlicher Aufbewahrungsfristen. Diese können im Arbeitsverhältnis insbesondere sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Art sein. In der Literatur wird dazu vertreten, dass personenbezogene Daten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses generell zu löschen seien, soweit keine Aufbewahrungspflichten gelten (Simitis/Hornung/Spieker, Datenschutzrecht 1. Aufl.2019, Art. 88 DSGVO Rz. 205f.). In der Konsequenz würde dies allerdings bedeuten, dass der Arbeitgeber nach Beendigung jeden Arbeitsverhältnisses den vorhandenen Datenbestand des ausscheidenden Arbeitnehmers danach sortieren müsste, ob Aufbewahrungsfristen bestehen (und für wie lange) oder nicht. Nach dem LAG ist für Personalakten rechtlich der Grundsatz der Vollständigkeit bestimmend und nicht der Grundsatz der Datensparsamkeit. In der Instanzrechtsprechung ist lediglich vereinzelt ein datenschutzrechtlicher Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung nach Ende des Arbeitsverhältnisses angenommen worden (LAG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 23.11.18 – 5 Sa 7/17, NZA-RR 109, S. 335). Das LAG meint, dass auch die datenschutzrechtlichen Neuregelungen auf Basis der DSGVO eine derartig grundlegende Veränderung des Rechtsschutzes zumindest im Bereich der in Papierform geführten Personalakten nicht erfordern.

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Konsequenzen

Die praktisch sehr relevante Frage, ob sich ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte aus datenschutzrechtlichen Bestimmungen, Art. 17 DSGVO, ergeben kann, z. B.bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses (so LAG Hamm, Urt. 13.9.2022 – 6 Sa 87/22), ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Dabei kann es jedoch keinen Unterschied machen, ob die Akte in Papier oder digital geführt wird.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann nach bisheriger Rechtsprechung ein Anspruch auf Entfernung von Abmahnungen nach §§ 242, 1004 Abs. 1Satz 1 BGB nur dann bestehen, wenn es objektive Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer noch schaden kann (BAG, Urt. v. 17.11.2016 – 2 AZR 730/15, Rz. 47, NZA 2017, S. 394; v. 19.4.2012 – 2 AZR 233/11, Rn. 51, NZA 2012, S. 1449). Dies muss der Arbeitnehmer, der die Entfernung verlangt, darlegen und es ggf. beweisen.

Praxistipp

Die Entfernung einer zulässigen Abmahnung kann der Arbeitnehmer nur dann verlangen, wenn sie unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr Bedeutung für das Arbeitsverhältnis haben kann und der Arbeitgeber sie auch nicht mehr zur Geltendmachung, Ausübung der Verteidigung von Rechtsansprüchen i.S. d. Art. 17 Abs. 3 lit.e DSGVO benötigt, z. B.Beurteilung, Personalentwicklung, Zeugnis, leistungsabhängige Vergütung (BAG, Urt. v. 2.11.2016 –10 AZR 596/15, NZA 2017, S. 183). Von daher sollte der Arbeitgeber Abmahnungen nicht vorschnell vor einer Änderung der BAG-Rechtsprechung löschen.

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