BVerfG: Tarifeinheitsgesetz weitgehend verfassungsgemäß

Quelle: pixabay.com
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Die Regelungen des Tarifeinheitsgesetzes sind weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das BVerfG zwei Jahre nach dem Inkrafttreten in mehreren Urteilen vom 11.7.2017 (1 BvR 1571/15 u. a.) entschieden.

Das umstrittene Gesetz soll Tarifkollisionen innerhalb der Unternehmen vermeiden: Wenn zwei Gewerkschaften in einem Betrieb dieselben Arbeitnehmer vertreten, gilt nur noch ein Tarifvertrag, nämlich von derjenigen Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in dem Betrieb. Substanzielle Kritik an der Neuregelung gab es von Beginn an. Die Beschwerdeführer der Verfassungsbeschwerde (Berufsgruppen- und Branchengewerkschaften, ein Spitzenverband sowie ein Gewerkschaftsmitglied) wandten sich insbesondere gegen die sog. Kollisionsregel (§ 4a Abs. 2 Satz 2 TVG) und gegen Regelungen zum Beschlussverfahren. Gerügt wurde die Verletzung von Art. 9 Abs. 3 GG und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 3 GG. Das Gesetz greife ohne Rechtfertigung in die Koalitionsfreiheit ein und genüge nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Das BVerfG (zwei Mitglieder des ersten Senats haben ein abweichendes Sondervotum abgegeben) geht im Ergebnis von der weitgehenden Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des Tarifvertragsgesetzes aus. Bei der Auslegung und Handhabung des Gesetzes muss der grundrechtlich geschützten Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) Rechnung getragen werden. Über offene Fragen im Einzelnen entscheiden die Fachgerichte.
Unvereinbar mit dem Grundgesetz ist das Gesetz allerdings „nur insoweit, als Vorkehrungen dagegen fehlen, dass die Belange der Angehörigen einzelner Berufsgruppen oder Branchen bei der Verdrängung bestehender Tarifverträge einseitig vernachlässigt werden“. Hier hat der Gesetzgeber Abhilfe zu schaffen. Bis zur Neuregelung, die bis zum 31.12.2018 zu treffen ist, darf ein Tarifvertrag im Kollisionsfall nur dann verdrängt werden, wenn die Mehrheitsgewerkschaft die Interessen der Angehörigen der Minderheitsgewerkschaft ernsthaft und wirksam in ihrem Tarifvertrag berücksichtigt hat. Das ist plausibel darzulegen.
Im Übrigen bleibt das Gesetz weiterhin anwendbar.

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