Direkt zum Inhalt
 Bild: nyothep/stock.adobe.com
Bild: nyothep/stock.adobe.com
Lesedauer: ca. 2 Minuten
RECHTSPRECHUNG - Kurz kommentiert

Fristlose Kündigung wegen Tätlichkeit gegenüber einem Vorgesetzten

Ein 30-jähriger Mitarbeiter war seit 2019 bei einem Unternehmen als Be- und Entlader beschäftigt. Am 22.10.2024 sah der Gruppenleiter E. ihn vor der Ausladeluke in der Halle mit seinem privaten Smartphone in der Hand. Die Nutzung privater Smartphones während der Arbeitszeit ist den Mitarbeitern untersagt. Die Halle ist videoüberwacht. Nachdem der Gruppenleiter sich dem Mitarbeiter genähert hatte, sagte dieser „Hau ab hier!“, stieß den Zeugen E. mit der rechten Hand gegen die linke Schulter, so dass E. einen Schritt zur Seite machte und trat mit dem rechten Fuß in die Richtung des Gruppenleiters, wobei er ihn berührte. Danach vollführte er eine Geste mit erhobenem rechten Zeigefinger gegenüber dem Zeugen E. Nach Anhörung des Betriebsrats sprach das Unternehmen eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aus.

Anders als die erste Instanz hielt das LAG Niedersachsen (Urt. v. 25.8.2025 – 15 SLa 315/25 rk.) die fristlose Kündigung für gerechtfertigt. Es lag ein wichtiger Grund vor, der dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar machte. Wie auf der Videoaufzeichnung zu sehen war hatte der Kläger eine Tätlichkeit gegenüber dem Zeugen E. begangen. Darin liegt ein erheblicher Verstoß gegen die einem Arbeitnehmer obliegende Pflicht zur Rücksichtnahme. Auf der Videoaufnahme ist auch klar zu erkennen, dass der Zeuge E. den Kläger zuvor nicht provoziert hatte, was der Kläger behauptete. Allerdings ging die Kammer nicht davon aus, dass der Kläger dem Zeugen durch den Stoß und den Tritt erhebliche Schmerzen zugefügt hat. Es war jedoch zu erkennen, dass der Stoß mit nicht unerheblicher Kraft ausgeführt worden war, nachdem der Zeuge einen Schritt zur Seite machte. Hinzu kam, dass der Zeuge den Kläger bei einem Fehlverhalten angetroffen hatte, da die Benutzung des privaten Smartphones während der Arbeitszeit untersagt war.

Heiteres aus deutschen Gerichtssälen...

Nach dem erfolgreichen Start im Jahr 2018 folgt nun der 2. Band!
Für das Buch #AllesRechtKurios hat der bekannte Juraprofessor Arnd Diringer wieder amüsante Fälle aus der Rechtsprechung deutscher Gerichte zusammengetragen.

Im Rahmen der Interessenabwägung sprach für den Kläger lediglich dessen etwas mehr als fünfjährige Betriebszugehörigkeit. Unterhaltspflichten hatte er nicht und war mit 30 Jahren noch verhältnismäßig jung. Zu seinen Lasten wertete das Gericht, dass der Kläger sich gegenüber dem vorgesetzten Zeugen respektlos und unter Anwendung körperlicher Gewalt verhalten hatte. Die Anrede mit „Hau ab hier!“, gefolgt von einem Stoß und einem Tritt ist ein erhebliches Fehlverhalten. Daher war auch eine Abmahnung entbehrlich.

Der Arbeitgeber darf bei Ausspruch einer fristlosen Kündigung berücksichtigen, wie es sich auf das Verhalten der übrigen Arbeitnehmer auswirkt, wenn bei einem tätlichen Angriff von einer Kündigung abgesehen wird. Bei Tätlichkeiten unter Arbeitskollegen bedürfe es vor Ausspruch einer Kündigung regelmäßig keiner Abmahnung. Erschwerend kam hinzu, dass der Kläger nach der Tätlichkeit sein pflichtwidriges Verhalten durch Bedienung des privaten Smartphones unbeeindruckt vorgesetzt hatte.

Dr. Claudia Rid

Dr. Claudia Rid

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, München
Dieser Artikel im Heft

Fristlose Kündigung wegen Tätlichkeit gegenüber einem Vorgesetzten

Seite
47
bis
47