Probezeit in ungestümem Fahrwasser

Auf Bewährung

Ein Personalauswahlverfahren kann noch so ausgeklügelt sein. Wie es um die Zusammenarbeit wirklich bestellt ist, zeigt sich erst in der Praxis. Viele Arbeitsverhältnisse beginnen daher mit einer Probezeit. Gerade in Zeiten von Corona rückt dabei so manche Detailfrage erneut in den Fokus. Zudem werfen europäische Rechtsentwicklungen ihre Schatten voraus.

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 Bild: UncleFredDesign/stock.adobe.com
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Probezeit oder Einfühlungsverhältnis

Das Vereinbaren einer Probezeit, häufig auch Probearbeitsverhältnis genannt, ist in der Praxis gang und gäbe. Egal, ob es sich dabei um ein unbefristetes oder befristetes Arbeitsverhältnis handelt. Anders als manchmal angenommen ist die Probezeit allerdings kein gesonderter Zeitraum, der womöglich vor dem eigentlichen Arbeitsverhältnis liegt. Die Probezeit ist vielmehr ein integraler Bestandteil davon. Als solche deckt die Probezeit charakteristischerweise einen festgelegten Zeitraum zu Beginn der Tätigkeit ab. Innerhalb eines schon laufenden Arbeitsverhältnisses nachträglich eine Probezeit zu vereinbaren, das geht nicht.

Wie auch immer eine Probezeit im konkreten Fall ausgestaltet ist, sie erfüllt gleich mehrere Funktionen:

  • Einerseits dient sie den Vertragsparteien zurPrüfung, wie es um die Zusammenarbeit bestellt ist. So gesehen ist sie eine Zeit des wechselseitigen Kennenlernens. Arbeitgeber und Beschäftigte erhalten die Chance, sich ein Bild voneinander zu machen: bezogen auf die Arbeitsstelle, die Tätigkeit und auch die beteiligten Vertragspartner selbst. Das erlaubt es, Klarheit über zentrale Fragen zu gewinnen: Ist die jeweilige Person für die ihr übertragenen Aufgaben fachlich und persönlich geeignet? Will die Person die Tätigkeit in diesem Umfeld auch tatsächlich dauerhaft ausüben? Fragen, auf die Antworten gerade in Corona-Zeiten und der Arbeit im Homeoffice nicht immer leicht zu finden sind.
  • Andererseits – und hier liegt oft der eigentliche „Clou“ – ermöglicht die Probezeit es den Beteiligten, sich im Fall der Fälle unkomplizierter voneinander zu trennen. Ein Aspekt, der im Übrigen auch beschäftigungspolitisch bedeutsam ist: Indem das unternehmerische Risiko begrenzt wird, soll es Arbeitgebern erleichtert werden, neue Beschäftigte an Bord zu holen.

Keine Probezeit im eigentlichen Sinne, wenn auch mitunter als solche verstanden, ist die in § 1 Abs. 1 KSchG vorgesehene Wartezeit von sechs Monaten bis zum Greifen des Kündigungsschutzes. Ebenso wenig als Probezeit zu qualifizieren ist das sog. Einfühlungsverhältnis. Hier handelt es sich gar nicht um ein Arbeitsverhältnis im eigentlichen Sinne, sondern eher um ein loses Rechtsverhältnis eigener Art: Es begründet weder Arbeitspflichten noch Vergütungsansprüche. Es zielt lediglich darauf ab, die betrieblichen Gegebenheiten kennenzulernen und die Voraussetzungen der Zusammenarbeit für ein etwaiges späteres Arbeitsverhältnis zu klären (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 5.8.2015 – 7 Sa 170/15). Solche Schnupperzeiten werden allenfalls für eine kurze Dauer – maximal eine Woche – als zulässig angesehen, um nicht das Arbeitsrecht zu umgehen.

Rechtliche Grundlage ist unerlässlich

Es gibt keinen Automatismus, wonach einem Arbeitsverhältnis stets eine Probezeit vorausgeht. Nur ausnahmsweise ist sie explizit gesetzlich vorgesehen. Ein Berufsausbildungsverhältnis etwa beginnt stets mit einer Probezeit, die mindestens einen Monat und höchstens vier Monate beträgt (§ 20 BBiG). Während dieser Zeit kann das Ausbildungsverhältnis jederzeit nach § 22 BBiG fristlos gekündigt werden.

Auch im Übrigen bedarf es einer klaren rechtlichen Grundlage. Diese wird häufig im Arbeitsvertrag zu finden sein, etwa in Form einer Klausel wie: „Die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses gelten als Probezeit“. Ist das Arbeitsverhältnis befristet, so ist eine Klausel erforderlich, wonach ein Arbeitsverhältnis bis zu einem bestimmten Datum befristet ist und danach endet, und zwar ohne eine explizite Kündigung. Neben solchen individualvertraglichen Abmachungen können auch Tarifverträge Regelungen zur Probezeit vorsehen. Das stellt § 622 Abs. 4 BGB ausdrücklich klar. Durch Tarifverträge können sowohl die Dauer der Probezeit als auch die nach § 622 Abs. 3 BGB eigentlich vorgesehene Kündigungsfrist von zwei Wochen kürzer ausfallen. Gerade Letzteres ist in der Praxis durchaus bedeutsam, wo die Kündigungsfrist tarifvertraglich unter Umständen sogar auf nur einen Tag reduziert sein kann.

Aufzupassen ist bei Formulierungen im Arbeitsvertrag, bei denen letztlich unklar bleibt, was konkret vereinbart ist: Etwa, wenn eine Klausel eine längere Kündigungsfrist vorsieht, ohne klarzustellen, dass dies erst nach dem Ende der Probezeit gelten soll (vgl. BAG, Urt. v. 23.3.2017 – 6 AZR 705/15, AuA 6/18, S. 379).

Mitbestimmung

Wie jede Einstellung aufgrund eines wirksamen Arbeitsvertrags ist auch ein – befristetes oder unbefristetes – Probearbeitsverhältnis ggf. mitbestimmungspflichtig (§ 99 BetrVG). Dies kann auch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach erfolgreich absolvierter Probezeit umfassen, bspw. bei einer Entfristung von zunächst befristet geschlossenen Arbeitsverträgen. Aber auch hier keine Regel ohne Ausnahme: Diese ist z. B. denkbar, wenn dem Betriebsrat vor der Einstellung zur Probe bereits die etwaige Weiterbeschäftigung nach erfolgreicher Bewährung mitgeteilt wurde. Zu berücksichtigen sind zudem die Anhörungsrechte des Betriebsrats bei einer etwaigen Kündigung während der Probezeit (§ 102 BetrVG).

Ausgestaltung und Dauer

Wie ein Probearbeitsverhältnis ausgestaltet ist, insbesondere wie sich der Übergang nach erfolgreicher Erprobung gestaltet, hängt maßgeblich davon ab, ob ein unbefristetes oder befristetes Arbeitsverhältnis besteht. Im Wesentlichen gibt es drei Möglichkeiten:

  1. Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit integrierter Probezeit,
  2. ein befristetes Arbeitsverhältnis mit dem Sachgrund der Erprobung (§ 14 Abs. 1 Nr. 5 TzBfG),
  3. ein befristetes Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund (§ 14 Abs. 2, 2a TzBfG) mit integrierter Probezeit.

Im ersten Falle endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Probezeit nicht automatisch, sondern läuft nahtlos weiter. Sofern das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werden soll, bedarf es daher einer Kündigung.

Im zweiten Fall, also bei einem befristeten Arbeitsverhältnis zur Erprobung, ist es etwas anders. Da die Erprobung selbst ein zulässiger Befristungszweck sein kann (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG), endet ein solches Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Probezeit automatisch. Es sei denn, es wird „entfristet“, indem sich die Beteiligten auf den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags oder eine Entfristungsvereinbarung verständigen. Eine Befristung muss ausdrücklich und eindeutig schriftlich vereinbart werden (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Das bezieht sich aber tatsächlich „nur“ auf die Befristung selbst. Der Sachgrund der Erprobung unterliegt, wie auch andere Sachgründe, nicht dem Schriftformerfordernis und braucht daher auch nicht Vertragsinhalt geworden sein (BAG, Urt. v. 23.6.2004– 7 AZR 636/03, AuA 9/04, S. 51). Das gilt zumindest vorbehaltlich anderweitiger tarifvertraglicher Regelungen. Jedoch muss die Probebefristung überhaupt in Betracht kommen. Daran fehlt es etwa, wenn schon ein vorheriges Arbeitsverhältnis der Erprobung diente und der Arbeitgeber die Qualifikation bereits hinreichend beurteilen kann.

Der dritte Fall, ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis von bis zu zwei Jahren (bzw. vier Jahren bei Start-ups) mit Probezeit, ist so etwas wie eine Kombination der beiden ersten Fälle und überaus praxisrelevant. Die Kündigungsfrist ist in den ersten sechs Monaten verkürzt (§ 622 Abs. 3 BGB). Nach erfolgreicher Probezeit läuft das befristete Arbeitsverhältnis dann bis zum Ende der Befristung weiter.

Ein Anspruch darauf, nach erfolgreich absolvierter Probezeit weiterbeschäftigt zu werden, besteht übrigens nicht. Es liegt ganz im Ermessen des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis unbefristet fortzuführen oder aber davon abzusehen und das befristete Arbeitsverhältnis auslaufen zu lassen (BAG, Urt. v. 19.11.2019 – 7 AZR 311/18).

Zu Irritationen führt gelegentlich die Dauer einer Probezeit: Ist ein Erprobungszeitraum bei einfach gelagerten Tätigkeiten bspw. anders zu bemessen als bei komplexen Aufgaben? Wie sieht es bei besonderen Positionen aus, z. B. bei Personen, die mit Leitungs- oder Führungsaufgaben betraut sind?

Zunächst: Eine gesetzliche Höchstdauer für eine Probezeit gibt es nicht. Aber doch so etwas wie einen Orientierungspunkt. Er lässt sich dem schon genannten § 622 Abs. 3 BGB herleiten. Danach kann während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Wie einfach oder komplex die Tätigkeit ist, ist unerheblich.

Eine Probezeit von bis zu sechs Monaten dürfte auch in der Praxis die Regel sein. Zumal dieser Zeitraum auch mit der schon eingangs angesprochenen Wartezeit für das Eingreifen des Kündigungsschutzes (§ 1 Abs. 1 KSchG) korrespondiert.

Dennoch sind Abweichungen von den sechs Monaten möglich, und zwar nach unten ebenso wie nach oben. Gerade tarifvertraglich finden sich oftmals kürzere Regelungen zur Probezeit. Sie kann aber durchaus auch für einen über sechs Monate hinausgehenden Zeitraum vereinbart werden. Das sehen auch die europäischen Entwicklungen vor.

Europäische Impulse I: Angemessenheit

Die bis 2022 in nationales Recht umzusetzende europäische Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union, RL (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019, enthält auch Vorgaben zur Probezeit. Danach sollen Probezeiten in Ausnahmefällen länger als sechs Monate dauern dürfen, wenn dies durch die Arbeit der Tätigkeit gerechtfertigt ist (Erwägungsgrund 28 der Richtlinie). Explizit herausgehoben werden dabei Leitungs- oder Führungsfunktionen. Auch Stellen des öffentlichen Dienstes sind angesprochen, wo – nebenbei bemerkt – heute ohnehin häufig längere Probezeitregelungen gelten (siehe etwa § 28 Abs. 1 Bundeslaufbahnverordnung: drei Jahre). Zudem kann das Interesse der Arbeitnehmer eine längere Probezeit rechtfertigen. Als Beispiel nennt die Richtlinie hier spezifische Maßnahmen zur Förderung dauerhafter Beschäftigung, insbesondere junger Arbeitnehmer. Hier bleibt abzuwarten, was dies für die bereits oben erwähnte Probezeithöchstdauer im Berufsausbildungsverhältnis bedeutet.

Eine längere Probezeit soll ausdrücklich auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen möglich sein. Die Mitgliedsstaaten müssen dabei dafür sorgen, dass die Probezeitdauer im Verhältnis zur erwarteten Dauer des Vertrags und der Art der Tätigkeit steht (Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie). Was das konkret bedeutet, wird wiederum in Erwägungsgrund 28 der Richtlinie genauer ausgeführt: Entscheidendes Kriterium ist die Angemessenheit. Speziell bei befristeten Arbeitsverhältnissen mit einer Dauer von weniger als zwölf Monaten sollten die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass die Probezeitdauer angemessen und verhältnismäßig ist.

Die europäischen Vorgaben dürften bereits der heutigen Rechtspraxis hierzulande entsprechen. So kann eine Probezeit – vorbehaltlich etwaiger tarifvertraglicher Regelungen – schon jetzt ausnahmsweise mehr als sechs Monate dauern, wenn dies zur Erprobung erforderlich und es angemessen ist (BAG, Urt. v. 25.10.2017– 7 AZR 712/15). Wie so oft hängt dabei vieles von den Umständen des Einzelfalls ab. Arbeitgeberseitig bedarf es ggf. entsprechender Gründe (BAG, Urt. v. 2.6.2010– 7 AZR 85/09, AuA 4/11, S. 245).

Verlängerung

Und wie steht es um die Verlängerung einer Probezeit? Diese Frage berührt sogar den einen oder anderen Mythos, etwa dass sich die Probezeit infolge von Krankheit oder Urlaub um den entsprechenden Zeitraum automatisch verlängert.

Manchmal reicht die angedachte Zeit tatsächlich nicht, um sich eingehend kennenzulernen. Die Umstände dafür müssen keineswegs immer in der Person der Beschäftigten begründet liegen, wie etwa bei einem zeitweiligen Ausfall oder einer deutlichen Einschränkung infolge von Krankheit oder eines Unfalls. In Betracht kommt z. B. auch der Wechsel des oder der Vorgesetzten. Oder die besonderen Anforderungen des Arbeitsplatzes wurden falsch eingeschätzt, weshalb die angedachte Zeit zu knapp bemessen war. Speziell in Zeiten von Corona mag Kurzarbeit oder eine schwankende Auftragslage manche Verantwortlichen auch darüber nachdenken lassen, Probezeiten zu verlängern.

Eine automatische Verlängerung der Probezeit besteht nicht. Zu denken wäre allenfalls daran, eine Verlängerung einvernehmlich zu vereinbaren. Verhältnismäßig einfach ist das bei einer kürzeren Probezeit, wenn diese nachträglich auf bis zu sechs Monate erweitert wird. Einseitig durch den Arbeitgeber vorgeben lässt sich das nicht. Schon aus triftigen Gründen nicht. Mögen Arbeitgeber durchaus nachvollziehbare Erwägungen ins Feld führen, so ist die Gefahr, damit den arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz auszuhebeln, doch zu groß. Selbst wenn man also rechtliche Konstrukte heranzieht: Bei einem Überschreiten der sechsmonatigen Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG gilt bei Betrieben im Anwendungsbereich des Gesetzes der Kündigungsschutz. Damit muss eine Kündigung ggf. sozial gerechtfertigt sein, kann also nur aus personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen erfolgen. Schon deshalb will eine Verlängerung der Probezeit gut überlegt sein.

#ArbeitsRechtKurios: Amüsante Fälle aus der Rechtsprechung deutscher Gerichte - in Zusammenarbeit mit dem renommierten Karikaturisten Thomas Plaßmann (Frankfurter Rundschau, NRZ, Berliner Zeitung, Spiegel Online, AuA).

Im Übrigen bieten nur Behelfsmöglichkeiten eine Option. Und die sind wohl eher theoretischer als praktischer Natur. Um Beschäftigten eine zusätzliche Chance zu geben, sind zwei Wege denkbar: eine Kündigung im Rahmen einer Probezeit mit einer längeren als der zweiwöchigen Kündigungsfrist oder ein vorsorglicher Aufhebungsvertrag mit einem angemessenen Beendigungszeitpunkt (BAG, Urt. v. 7.3.2002 – 2 AZR 93/01, AuA 12/02, S. 567). Ein angemessener erweiterter Kündigungs- bzw. Aufhebungszeitraum darf vier bzw. maximal sechs Monate nicht überschreiten.

Doch wie schon erwähnt: Empfehlenswert ist das nicht. Gerade um den Kündigungsschutz nicht zu umgehen, ist ein solches Vorgehen nicht ins Belieben der Beteiligten gestellt, sondern an zusätzliche Bedingungen geknüpft. Arbeitgeberseitig bedarf es ggf. einer (aufschiebend bedingten) Wiedereinstellungszusage für den Fall des Bewährens. Und wer will beurteilen, ob dieses Kriterium erfüllt ist? Ein Einfallstor für so manche Streitigkeit, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinsichtlich der Einschätzung uneins sind. Da tut sich womöglich neuer Konfliktstoff auf. Das „Bewähren“ wäre ggf. gerichtlich überprüfbar. Arbeitgeber tragen hier ein größeres Risiko.

Europäische Impulse II: Krankheit, Urlaub, Kurzarbeit

Die schon genannte Arbeitsbedingungsrichtlinie greift die Verlängerung der Probezeit ebenfalls auf. Hier wird es nun spannend: So können die Mitgliedsstaaten festlegen, dass die Probezeit in Fällen, in denen Beschäftigte während der Probezeit der Arbeit ferngeblieben waren, entsprechend verlängert werden kann (Art. 8 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie). Das unterstreichen auch die Erwägungsgründe noch einmal, die zugleich explizit auf mögliche Gründe wie Krankheit oder Urlaub hinweisen. Dies soll es Arbeitgebern ermöglichen, die Eignung der Person für die betreffende Aufgabe zu beurteilen (Erwägungsgrund 28 der Richtlinie).

Bisher ist es eher unüblich, eine Probezeit bei Krankheit oder Urlaub zu verlängern (auch in der Probezeit besteht ja ein anteiliger Urlaubsanspruch). Ebenso wenig führt Kurzarbeit und damit verbunden eine ausbleibende Arbeitsleistung nicht per se zu einer längeren Probezeit. Hier könnte es künftig durch die skizzierten europäischen Entwicklungen also zu Anpassungen kommen.

Kündigung und Kündigungsschutz

Gerade weil die leichteren Kündigungsmöglichkeiten die Besonderheit der Probezeit ausmachen, rückt spiegelbildlich dazu auch ein etwaiger Kündigungsschutz in den Blickpunkt des Interesses.

Besteht ein befristetes Probezeitverhältnis, ist eine ordentliche Kündigung oftmals nicht möglich, jedenfalls sofern sie nicht ausdrücklich vereinbart wurde. Ansonsten würde der Gedanke der Befristung unterlaufen. Bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis besteht eine Kündigungsmöglichkeit mit der schon eingangs angesprochenen verkürzten zweiwöchigen Frist (§ 622 Abs. 3 BGB). Diese Frist gilt für beide Seiten: Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Für den Fall, dass die Probezeit länger als sechs Monate dauert, verlängern sich mit Ablauf dieses Zeitraums die Fristen: Einschlägig ist dann die gesetzliche vierwöchige Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB bzw. eine zulässig vereinbarte Kündigungsfrist.

Die Kündigungserklärung muss innerhalb der Probezeit erfolgen. Das Fristende muss nicht innerhalb dieses Zeitraums liegen. Damit kommt u. U. sogar eine Kündigung am letzten Tag der Probezeit in Betracht, sofern die Kündigung rechtzeitig zugeht.

Eines Kündigungsgrunds bedarf es während der Probezeit ebenfalls nicht, entsprechend sollte auch keiner genannt werden. Gekündigt werden kann daher auch im Falle einer Krankheit. Bei einer Probezeit von bis zu sechs Monaten greift in aller Regel zudem kein Kündigungsschutz. Das gilt selbst bei einer Schwerbehinderung. Der Sonderkündigungsschutz greift wie beim KSchG erst nach sechs Monaten (§ 173 SGB IX). Jedoch ist die Schwerbehindertenvertretung zuvor anzuhören, ansonsten ist eine Kündigung unwirksam (§178 Abs. 2 Satz 1–3 SGB IX).

Geschützt sind jedoch Frauen, die bspw. während der Probezeit schwanger werden. Hier gewährt das MuSchG auch in der Probezeit einen weitgehenden Kündigungsschutz (Ausnahme: vorherige Zustimmung der obersten Landesarbeitsschutzbehörde, wie den Bezirksregierungen oder Regierungspräsidien, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MuSchG). Der Kündigungsschutz bewahrt sogar davor, vor der Aufnahme einer Arbeit gekündigt zu werden (BAG, Urt. v. 27.2.2020 – 2 AZR 498/19, AuA 9/20, S. 551). Er führt jedoch nicht dazu, dass sich durch die Schwangerschaft ein befristetes Arbeitsverhältnis verlängern würde. Dieses läuft ggf. aus.

Und was ist mit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung während der Probezeit? Sie ist bei Vorliegen eines wichtigen Grunds auch während dieses Zeitraums möglich. Insofern gelten bei einer Probezeit keine Besonderheiten. Für die Arbeitgeberseite bedeutet das insbesondere, auch eine etwaige Abmahnung im Hinterkopf zu behalten. Diese ist speziell mit Blick auf den Gedanken der Erprobung allerdings nicht dadurch gerechtfertigt, dass Erwartungen an die Arbeitsleistung und/oder das Engagement nicht erfüllt wurden. Anders mag es z. B. aussehen, wenn es um eine nachhaltige Beeinträchtigung des betrieblichen Miteinanders geht.

Fazit und Ausblick

Die Probezeit wirft eine ganze Reihe an Fragen auf, die immer wieder auch die Rechtspraxis beschäftigen. Neben vielen Chancen birgt eine Probezeit nämlich durchaus manchen rechtlichen Fallstrick. Auch wenn es eine Zeit des wechselseitigen Kennenlernens ist, sind die Ungewissheiten für Probezeitbeschäftigte naturgemäß ungleich größer. Das gilt gerade in ungewissen Zeiten, wie sie aktuell durch die Corona-Pandemie gekennzeichnet sind. Durch die Arbeitsbedingungsrichtlinie wirkt zugleich das europäische Arbeitsrecht weiter auf das nationale Recht ein. Und das auch beim Thema Probezeit, weshalb es sinnvoll ist, diesen Aspekt künftig weiter im Blick zu behalten.

Prof. Dr. André Niedostadek

Prof. Dr. André Niedostadek
LL.M., Professur für Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht, Hochschule Harz
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· Artikel im Heft ·

Probezeit in ungestümem Fahrwasser
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