Sind Umstrukturierungen und Kündigungen unvermeidbar?

Interview zur Covid-19-Lage in Europa
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie haben viele Arbeitgeber veranlasst, arbeitsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere Kurzarbeit einzuführen. Viele Länder haben anlässlich der Pandemie finanzielle Unterstützungsprogramme eingeführt oder vorhandene Programme angepasst und erweitert, um Unternehmen in der aktuellen Situation zu unterstützen und sie zu ermutigen, Mitarbeiter weiter zu beschäftigen und wenn möglich, Kündigungen und Restrukturierungen zu vermeiden. Wie das konkret aussieht, haben wir sechs Experten aus drei Ländern von Pinsent Masons gefragt. Manfred Schmid und Lara-Christina Willems beleuchten die Situation in Deutschland. Valérie Blandeau und Anne Cardon kommentieren die Lage in Frankreich und Diane Nicol sowie Chris Evans geben einen Einblick in das Geschehen in Großbritannien.
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 Bild: THPStock/stock.adobe.com
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Wie hat sich Covid-19 im März auf Ihr Land ausgewirkt?

Manfred Schmid und Lara-Christina Willems: Am 22. März kamen die Regierung und die Bundesländer überein, Zusammenkünfte von mehr als zwei Personen zu verbieten und einen Mindestabstand von 1,50 Metern in der Öffentlichkeit vorzuschreiben, außer für Personen des gleichen Hausstands – der erste Lockdown in Deutschland. Wobei nicht alles zum Erliegen kam: Der öffentliche Nahverkehr lief normal weiter und auch die Büros blieben zumindest teilweise geöffnet. Jedes Bundesland behandelte die Situation etwas anders. In den letzten Monaten wurden die Beschränkungen zunächst schrittweise wieder gelockert. Nun werden sie wieder verschärft.

Valérie Blandeau und Anne Cardon: Am 17. März wurde in Frankreich der Lockdown verhängt und am 11. Mai der erste Teil der Beschränkungen wieder aufgehoben. Seitdem hat Präsident Macron die Beschränkungen für das tägliche Leben weiter gelockert, da das Virus im Land zunächst relativ eingedämmt blieb.

Diane Nicol und Chris Evans: In Großbritannien wurden erstmals am 23. März Einschränkungen angekündigt. Zuletzt wurden die Maßnahmen langsam gelockert, wobei der Ansatz und die Zeitpläne in England, Schottland, Wales und Nordirland unterschiedlich waren.

Welche rechtlichen Maßnahmen wurden ergriffen?

Valérie Blandeau und Anne Cardon: Die französische Regierung hat am 24. Juni ein nationales Programm veröffentlicht („Protocole national de déconfinement“) zum Thema Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz; das Programm wurde inzwischen mehrfach angepasst. Darüber hinaus hat die Regierung eine Regelung ähnlich zur Kurzarbeit eingeführt („Dispositif de chômage partiel“). Diese Regelung ermöglicht es, die Arbeitszeit auf null zu reduzieren, wenn die wirtschaftlichen Umstände dies erfordern. Während der Krise wurde die Regelung geändert, um den Kreis der Anspruchsberechtigten zu erweitern, den inhaltlichen Umfang auszudehnen und besser auf die aktuelle Situation reagieren zu können. Die Höhe der von der französischen Regierung garantierten und erstatteten Vergütung wurde geändert. Vor der Krise hat der Staat nur maximal bis zu 1.200 Euro monatlich für einen Arbeitnehmer in Vollzeit vergütet, jetzt sind es etwa 5.000 Euro. Die Regelung wurde zur Unterstützung von Unternehmen aller Arten und Aktivitäten in Frankreich eingesetzt, von Bars und Restaurants bis hin zu IT-Unternehmen und Anwaltskanzleien, und könnte bis Ende des Jahres in Kraft bleiben.

Im Juli 2020 trat eine weitere Kurzarbeitsregelung in Kraft, die es Unternehmen ermöglicht, bis zu zwei Jahre lang Kurzarbeit in Anspruch zu nehmen, sofern ein Tarifvertrag besteht und eine Mindestaktivität von 60 % eingehalten wird. Diese Maßnahme soll den Unternehmen helfen, Entlassungen zu vermeiden und eine schnellere Rückkehr zum Normalzustand unter Vollbeschäftigung ermöglichen.

In Frankreich können die Unternehmen von den Banken zudem ein zinsloses Darlehen erhalten.

Diane Nicol und Chris Evans: In Großbritannien wurde eine neue Furlough-Regelung (ähnlich der Kurzarbeiterregelung) eingeführt, die es so bis dato hier nicht gab. Es wurden 80 % des Gehalts eines Arbeitnehmers bzw. bis zu 2.500 Pfund pro Monat bezahlt. Viele Arbeitgeber entschieden sich dafür, die Löhne der Beschäftigten aufzustocken. Das wurde in erheblichem Maße in Anspruch genommen. Die Zahlen vom Mai zeigen, dass rund 8,7 Millionen Arbeitsplätze von Furlough betroffen waren. Hierdurch entstanden bereits zu diesem Zeitpunkt Kosten i. H. v. 17,5 Milliarden Pfund. Vor dem 1. Juli bedeutete Furlough eine 100%ige Freistellung von der Arbeit. Inzwischen hat die Regierung eine flexible Furlough-Regelung eingeführt, sodass auch anteiliges Furlough neben Teilzeitarbeit möglich ist (Anm. d. Red.: ähnlich wie in Deutschland bei Kurzarbeit 50). Einige Arbeitgeber haben jedoch von dieser Regelung keinen Gebrauch gemacht, insbesondere in den Wirtschaftsbereichen Öl und Gas sowie im Bereich der Finanzdienstleistungen. Dies ist wohl entweder darauf zurückzuführen, dass die Mitarbeiter nach wie vor Vollzeit arbeiten müssen oder dass es hier Bedenken wegen eines Imageschadens gab.

Furlough wurde ursprünglich bis Ende Oktober verlängert; die Arbeitgeber wurden inzwischen zunehmend verpflichtet, zu den Zahlungen beizutragen. Als Reaktion auf den Lockdown im November wurde das System nun um einen weiteren Monat verlängert.

Manfred Schmid und Lara-Christina Willems: Um Kosten einzusparen, haben sich hierzulande viele Arbeitgeber dazu entschlossen, die Arbeitszeit des Personals zu verkürzen und infolgedessen eine Lohnkürzung vorzunehmen. Die dafür erforderlichen Regelungen gab es in Deutschland bereits – das Kurzarbeitergeld. Im Rahmen dieses Systems erhalten Arbeitnehmer i. d. R. bis zu 60 bis 67 % ihrer Gehälter, wobei diese Zahlungen auf 80 bis 87 % steigen können. Das Kurzarbeitergeld hat dazu beigetragen, Arbeitsplätze zu erhalten und Entlassungen zu vermeiden. Zur Einführung von Kurzarbeit ist entweder eine Betriebsratsvereinbarung oder eine Vereinbarung mit jedem einzelnen Arbeitnehmer erforderlich. Im Frühjahr 2020 haben wir sehr viele Mandanten zum Thema Einführung von Kurzarbeit beraten.

Vor Kurzem hat die Bundesregierung beschlossen, dass der Zeitraum für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld für Unternehmen verlängert wird. Wenn bis zum 31.12.2020 mit der Kurzarbeit begonnen wurde, wird der Anspruch auf bis zu 24 Monate, längstens jedoch bis zum 31.12.2021, verlängert. Darüber hinaus wird die volle Rückerstattung der Sozialversicherungsbeiträge während der Kurzarbeit bis zum 30.6.2021 verlängert. Vom 1.7.2021 bis zum 31.12.2021 werden 50 % der Sozialversicherungsbeiträge zurückerstattet, wenn die Kurzarbeit bis zum 30.6.2021 begonnen wird.

Zusätzlich wurden in Deutschland eine Reihe gesetzlicher Covid-19-Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen eingeführt, so z. B. Darlehen und Bürgschaften sowie verschiedene Regelungen zur Sicherheit am Arbeitsplatz.

Gab es im Laufe der Krise vermehrt Kündigungen?

Manfred Schmid und Lara-Christina Willems: In Deutschland erfolgten in einigen Unternehmen bereits Kündigungen aufgrund der aktuellen Covid-Situation. Andere Konzerne haben erheblichen Stellenabbau für die nächste Zeit angekündigt. Es gibt aber auch einige Bereiche, in denen bisher Kündigungen verhindert werden konnten, da in Deutschland Arbeitgeber bisher finanziell stark unterstützt wurden. In den nächsten Monaten werden die Kündigungen nach unserer Einschätzung noch zunehmen; insbesondere Hotels, Gastronomie und Unterhaltungsbranche sind durch den erneuten Lockdown stark betroffen. Aber auch in anderen Sektoren zeigt die Pandemie wie unter einem Brennglas strukturelle Probleme auf. Entlassungen dürften schwer vermeidbar sein.

Valérie Blandeau und Anne Cardon: Trotz der bestehenden Unterstützungsprogramme ist es in Frankreich wahrscheinlich, dass viele Arbeitgeber Umstrukturierungsoptionen prüfen werden, um ihre Kosten für die kommenden unsicheren Zeiten zu reduzieren. Zum jetzigen Zeitpunkt entscheiden sich die Unternehmen für alternative Optionen, wie die Einführung von Tarifverträgen, die es den Unternehmen ermöglichen, die Kosten im Zusammenhang mit der Belegschaft zu senken, indem sie die Gehälter kürzen oder die Arbeitszeit und die Mobilität ihrer Mitarbeiter anpassen. Die Beendigung von Arbeitsverträgen ist im Moment nicht verboten, aber es wurden Pläne vorgelegt, insbesondere im Zusammenhang mit den Tarifverträgen für die Leistungserbringung. Es ist anzunehmen, dass die französischen Behörden Kündigungen bzw. Restrukturierungen sehr genau überprüfen werden, wenn diese durch Unternehmen erfolgen, die staatliche Gelder erhalten haben. Noch können die Arbeitnehmer dank der Kurzarbeitsregelungen ihre Arbeit fortsetzen, aber wir wissen, dass Umstrukturierungen und Reorganisationen geplant werden, wobei die meisten erst im Winter beginnen sollen.

Die Regierung hat mit der Einführung von Kontrollen begonnen. Eine Reihe von Unternehmen werden die vom Staat erhaltenen Zahlungen zurückerstatten müssen; zudem drohen Geldstrafen, wenn sie die Kurzarbeitsregelung nicht in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen umgesetzt haben. Auch dies könnte zu einem Anstieg der Umstrukturierungen führen.

Diane Nicol und Chris Evans: Zunächst einmal liegt in Großbritannien die große Herausforderung in der Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften. Die Arbeitgeber planen zwar, Entlassungen vorzunehmen, aber die Gewerkschaften weigern sich, sich an kollektiven Verhandlungen zu beteiligen, solange Arbeitnehmer in Kurzarbeit (Furlough) beschäftigt sind. Das blockiert zunehmend auch andere Diskussionen mit den Gewerkschaften, z. B. bzgl. unterschiedlicher Arbeitsweisen. Eine weitere Herausforderung besteht im Zusammenhang mit der Rückkehr von Arbeitnehmern an ihren Arbeitsplatz und den dort geltenden Gesundheits- und Sicherheitsvorkehrungen. Für die Einhaltung dieses Standards haftet die Geschäftsführung persönlich. Für diejenigen, die von zu Hause aus arbeiten können, ist das Thema Homeoffice natürlich sehr präsent. Ein Grund ist hierfür sicherlich die Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter. Inzwischen sehen aber auch Arbeitgeber die Vorteile von Homeoffice.

Dennoch nehmen die Zahlen von Entlassungen zu, vor allem im Bausektor. Dies wird sich wahrscheinlich Ende des Jahres noch verstärken, wenn die Arbeitgeber beginnen, die Auswirkungen von Covid-19 auf ihre Unternehmen richtig einzuordnen. Aus unserer Sicht ist es wahrscheinlich, dass die Entlassungen in den kommenden Monaten angesichts der weiteren Restriktionen noch zunehmen.

Wie hat sich die Gesundheitssituation in Ihrem Land in letzter Zeit entwickelt?

Diane Nicol und Chris Evans: Die Gesamtzahl der bestätigten Fälle beläuft sich bei uns derzeit in UK auf 1,39 Millionen, wobei die Zahl der täglich neu auftretenden Fälle um etwa 21.363 zunimmt. Nach dem anfänglichen Anstieg im März/April ist nun wieder ein starker Anstieg zu verzeichnen.

Valérie Blandeau und Anne Cardon: Hier ist die Lage sehr besorgniserregend, da die Zahl der positiven Fälle ständig zunimmt und sich nun auf einem hohen Niveau befindet. Darüber hinaus hat die Zahl der Personen auf Intensivstationen mit Beatmungsplätzen bereits ein Niveau erreicht, das mit Mitte März 2020 vergleichbar ist.

Manfred Schmid und Lara-Christina Willems: In den letzten Wochen hat die Zahl der Covid-19-Infektionen auch in Deutschland rasant zugenommen. Ein Grund hierfür war die Tatsache, dass die Ferienzeit zu Ende ging und viele Menschen aus den Ferien im Ausland zurückkehrten. Die Zahl der Mitarbeiter, die im Büro sein dürfen, ist gestiegen. In den letzten Wochen sinkt sie jedoch angesichts der stark steigenden Zahlen wieder. Die Bundesregierung forderte die Menschen auf, zu Hause zu bleiben und unnötige Reisen oder Treffen mit Familie und Freunden zu vermeiden, um die Zahl der Infektionen zu reduzieren. Viele Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern eine Grippeschutzimpfung an.

Gab es in den letzten Wochen weitere Beschränkungen?

Manfred Schmid und Lara-Christina Willems: Es wurden neue Restriktionen eingeführt. Zunächst galt die sog. Hotspot-Strategie. Anhand eines Ampelsystems (grün, gelb, rot und dunkelrot) werden abhängig vom Inzidenzwert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen lokale Maßnahmen ergriffen (z. B. Ausweitung der Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auf öffentlichen Plätzen, die Einführung von Kontaktbeschränkungen und von Sperrstunden für Restaurants). Die ersten Städte mit signifikant hohen Zahlen von Fällen haben bereits einen teilweisen Lockdown eingeführt.

Valérie Blandeau und Anne Cardon: Seit September nimmt die Zahl der Infektionen auch in Frankreich leider kontinuierlich zu.

Mehrere Gebiete wurden daraufhin als sog. Gebiete mit höchster Alarmbereitschaft eingestuft, was den französischen Präsidenten dazu veranlasste, in diesen Bereichen (einschließlich des Großraums Paris, Lyon, Marseille, Lille, Toulouse) ab dem 17. Oktober eine mindestens vierwöchige Ausgangssperre zwischen 21 Uhr und 6 Uhr einzuführen. Insgesamt betrifft diese Ausgangssperre ca. 20 Millionen Menschen, die eine besondere Genehmigung benötigen, um sich nach 21 Uhr außerhalb ihres Hauses aufzuhalten.

Auch außerhalb dieser Bezirke wurden die Präventionsmaßnahmen verstärkt (z. B. Begrenzung auf maximal sechs Personen pro Tisch im Restaurant, Begrenzung der Anzahl der Personen, die sich gleichzeitig in Einkaufszentren aufhalten dürfen usw.).

Diane Nicol und Chris Evans: Die anfänglichen Beschränkungen um den März herum waren äußerst streng. Einige Wirtschaftsbereiche wurden vollständig geschlossen oder die Mitarbeiter wurden angewiesen, von zu Hause aus zu arbeiten. Büros, Geschäfte und der Hotel- und Gaststättenbetrieb wurden dann jedoch wieder geöffnet, nachdem Maßnahmen zum Social Distancing getroffen wurden. In letzter Zeit ist die Zahl der Fälle gestiegen. Die Regierung hat daraufhin zunächst die Vorschrift eingeführt, dass nicht mehr als sechs Personen aus verschiedenen Haushalten gleichzeitig zusammenkommen dürfen.

Zudem wurde landesweit ein dreistufiges System von Beschränkungen eingeführt. Es reichte von „mittel“, (dies umfasst die Anweisung an Bars und Restaurants, um 22 Uhr zu schließen), über „hoch“ bis zu „sehr hoch“ (hier war es Haushalten untersagt, sich in Gaststätten oder privaten Gärten zu treffen; Kneipen und Bars dürfen nur öffnen, wenn sie Essen servieren).

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Gab es bereits einen zweiten Lockdown?

Diane Nicol und Chris Evans: Zunächst wurden nur lokal strengere Maßnahmen ergriffen; in Wales wurde z. B. ein sog. „Firebreak“ vom 23. Oktober bis 9. November bekanntgegeben. Es wurden neue Beschränkungen eingeführt, ähnlich wie im März/April, die Menschen müssen in den betroffenen Regionen zu Hause bleiben (Ausnahmen gelten für Bewegung und notwendige Reisen), die meisten Geschäfte wurden geschlossen. Inzwischen ist England nachgezogen und hat ebenfalls einen Lockdown für einen Monat verhängt.

Mit der Einführung des dreistufigen Systems von Beschränkungen und des nun im November verhängten Lockdowns sind viele der Wirtschaftsbereiche betroffen, die auch Anfang des Jahres betroffen waren und gerade erst begonnen haben, sich an die aktuelle Situation anzupassen. Dies gilt insbesondere auch für die Regionen, in denen für einen bestimmten Zeitraum noch härtere Einschränkungen eingeführt wurden, so z. B. der sog. „Firebreak Lockdown“ für zwei Wochen in Wales und Schottland, die ein fünfstufiges Systems von Beschränkungen haben.

Valérie Blandeau und Anne Cardon: Am 17. Oktober wurde zunächst für acht geografische Gebiete, darunter die Pariser Region, eine Ausgangssperre zwischen 21 Uhr bis 6 Uhr morgens verhängt. Diese Ausgangssperre wurde inzwischen auf 46 Millionen Menschen ausgedehnt. Als sich die Situation noch weiter verschlechterte, beschloss der französische Präsident schließlich, einen neuen Lockdown einzuführen, der seit dem 30. Oktober bis mindestens 1. Dezember 2020 gilt. Im Gegensatz zum ersten Lockdown bleiben die Schulen geöffnet, und die Angestellten sollen weiter arbeiten, wobei das Homeoffice nun, wenn möglich, obligatorisch ist.

Manfred Schmid und Lara-Christina Willems: Aufgrund des hohen Inzidenzwerts wurde in Deutschland ab dem 2. November ein sog. „Lockdown light“ eingeführt.

Welches sind derzeit die Trendthemen in Ihrer Jurisdiktion?

Valérie Blandeau und Anne Cardon: Unser Rat wird oft in Bezug auf Situationen angefordert, die sich auf folgende Themen beziehen:

  • Organisation der Telearbeit und die Möglichkeit, Telearbeitsanträge von Arbeitnehmern abzulehnen;
  • mögliche Auswirkungen grenzüberschreitender Situationen in Fällen, in denen französische Arbeitnehmer gewöhnlich im Ausland arbeiten, aber aufgrund der Covid-19-Situationen von einem anderen Ort in ihrem Herkunftsland aus arbeiten.

Diane Nicol und Chris Evans: Neben der Unterstützung von Arbeitgebern bei Umstrukturierungsmaßnahmen und Entlassungen infolge der Pandemie denken viele Arbeitgeber über ihren langfristigen Bedarf an Büroräumen und die Möglichkeit nach, flexibler zu arbeiten und das Personal häufiger oder sogar dauerhaft von zu Hause aus zu beschäftigen.

Vor dem zweiten Ausbruch der Pandemie haben viele Arbeitgeber darüber nachgedacht, wie sie ihre Arbeitsplätze „covidsicher“ machen können und wie sie die Mitarbeiter am besten ermutigen können, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Wichtige Themen sind hierbei Gesundheits- und Sicherheitsprobleme aufgrund der Risiken öffentlicher Verkehrsmittel und möglicher Infektionen bei der Fahrt zum bzw. vom Arbeitsplatz.

Ebenso hat das Thema Homeoffice dazu geführt, dass Arbeitgeber ihre potenzielle Gesundheits- und Sicherheitsverantwortung für ihre Mitarbeiter überdenken und prüfen, ob sie zusätzliche Maßnahmen zu ihrem Schutz ergreifen.

Angesichts der von der Regierung gewährten finanziellen Unterstützung müssen sich die Arbeitgeber auch auf einer verstärkten Prüfung durch das HMRC (Her Majesty‘s Revenue and Customs, die britische Steuer- und Zollbehörde) hinsichtlich des Kurzarbeitergeld-Programms gefasst machen. Die Arbeitgeber müssen weitere Prüfungen durchführen, um sicherzustellen, dass sie sich an die Regeln gehalten haben. Andernfalls drohen Strafen. Das HMRC hat auch eine Hotline für die Meldung von Betrugsfällen eingerichtet,die unseren Informationen zufolge erheblich beansprucht wird.

Wenn ein Arbeitgeber über das ganze Land verteilte Standorte hat, ist es von entscheidender Bedeutung, die Art und den Umfang der Beschränkungen in jedem geografischen Gebiet zu verstehen (und die Auswirkungen, die dies auf andere Teile des Unternehmens hat). Wenn lokale Gebiete die Restriktionen ändern und einen Lockdown einführen, könnte dies dazu führen, dass die Lieferketten erheblich gestört werden und kaum Gelegenheit zur Einführung von Notfallplänen besteht.

Manfred Schmid und Lara-Christina Willems: Mobiles Arbeiten und Arbeiten von zu Hause ist definitiv ein heißes Thema in Deutschland. Da viele Unternehmen das durch die Pandemie erzwungene mobile Arbeiten im Frühjahr 2020 eingeführt oder verstärkt haben, planen sie die Umsetzung einer entsprechenden Vereinbarung oder Betriebsratsvereinbarung hierzu. Zudem diskutieren einige Unternehmen, ob eine Betriebsvereinbarung zum Thema Pandemien hilfreich ist.

Ein weiteres Thema ist die Frage, welche Regelungen zum Schutz der Gesundheit am Arbeitsplatz gelten und welche Mitbestimmungsrechte in diesem Zusammenhang bestehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Andreas Krabel

Valérie Blandeau

Valérie Blandeau
Pinsent Masons, Frankreich

Manfred Schmid

Manfred Schmid
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner, Head of German Employment & Reward, Pinsent Masons Germany LLP, München

Lara-Christina Willems

Lara-Christina Willems
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Pinsent Masons, München

Diane Nicol

Diane Nicol
Pinsent Masons, Großbritannien

Chris Evans

Chris Evans
Pinsent Masons, Großbritannien

Anne Cardon

Anne Cardon
Pinsent Masons, Frankreich
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