Steuerschaden: vorzeitige Zahlung einer Abfindung?
Die Parteien eines Arbeitsverhältnisses hatten sich im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs auf die ordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2022 geeinigt, gegen Zahlung einer Abfindung i. H. v. 140.000 Euro brutto. In dem Vergleich heißt es „Der Abfindungsanspruch ist bereits jetzt entstanden und vererblich. Die Abfindung wird bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Auszahlung fällig“. Im Nachgang entspann sich ein E-Mail-Verkehr zwischen den Prozessbevollmächtigten um die Frage des Auszahlungstermins. Der Kläger machte deutlich, dass er die Abfindung erst im Jahr 2023 erhalten möchte, der Arbeitgeber verwies darauf, dass er sie dann mit Steuerklasse VI abrechnen müsse. Der Arbeitgeber zahlte die Abfindung noch im Kalenderjahr 2022 aus. Daraufhin klagte der ausgeschiedene Mitarbeiter auf Feststellung der Ersatzpflicht des Steuerschadens, der durch die Zahlung in 2022 statt 2023 entstanden ist.
Die Klage war ohne Erfolg. Die Regelung im Vergleich, wonach die Abfindung „bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ zur Auszahlung kommen soll, ist eine Fälligkeitsvereinbarung, die dahin zu verstehen ist, dass die Abfindung am 1.1.2023 fällig wurde. Man könne aus der Formulierung nicht ableiten, dass die Zahlung spätestens am 31.12.2022 erfolgen müsse. Auch das BAG hat in einem Fall, in dem eine Abfindung ohne ausdrückliche Vereinbarung einer Fälligkeit vereinbart war, allein aus der Zweckbestimmung der Abfindung, den Verlust des Arbeitsplatzes auszugleichen, eine Fälligkeit zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeleitet (BAG, Urt. v. 15.7.2004 – 2 AZR 630/03). Die Fälligkeitsregelung zum 1.1.2023 schließt jedoch nicht aus, dass der Arbeitgeber die Abfindung schon vor ihrer Fälligkeit abrechnet und auszahlt. Dies ergibt die Auslegungsregel des § 271 Abs. 2 BGB. Danach ist bei Vereinbarung eines Fälligkeitstermins im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen kann, der Schuldner sie aber vorher bewirken kann. (LAG Nürnberg, Urt. v. 2.7.2024 – 7 Sa 261/23).
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