Sofern die möglichen Arbeitsorte durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften nicht auf das Inland begrenzt sind, kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch einen Arbeitsplatz in einer Betriebsstätte im Ausland zuweisen (BAG, Urt. v. 30.11.2022 – 5 AZR 336/21, Rz. 25).
Im Arbeitsvertrag als solchem ist eine Begrenzung des Weisungsrechts auf Arbeitsorte in der Bundesrepublik Deutschland nicht immanent. § 106 Satz 1 GewO sind – unabhängig von seiner rein deklaratorischen Bedeutung – für eine Einschränkung des Weisungsrechts in Bezug auf den Ort der Arbeitsleistung gleichfalls keine Anhaltspunkte zu entnehmen.
Das vernachlässigen diejenigen, die – meist ohne nähere Begründung – das Weisungsrecht auf Versetzungen im Inland begrenzen wollen (BAG, a. a. O., Rz. 26).
Eine Beschränkung des Weisungsrechts dem Grunde nach – dem „Ob“ – kann sich allerdings ausdrücklich oder konkludent aus den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen oder den auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren kollektivrechtlichen Regelungen ergeben. Insoweit bedarf es der Auslegung der einschlägigen Regelungen (BAG, a. a. O., Rz. 27).
Ein solches Verständnis des Weisungsrechts ist auch interessengerecht. Es ermöglicht eine einzelfallbezogene Prüfung und vermeidet grobe holzschnittartige Kategorisierungen. Es gibt – vorbehaltlich abweichender Regelungen im Einzelfall – vertragsrechtlich keinen Anhaltspunkt dafür, eine Versetzung in einen im näheren Ausland gelegenen Betrieb eines Unternehmens (z. B. von Berchtesgaden nach Salzburg) im Wege des Weisungsrechts von vornherein auszuschließen und den Arbeitgeber zur Durchführung einer solchen Maßnahme stets auf die das Vertragsverhältnis gefährdende Änderungskündigung zu verweisen, während für eine den Arbeitnehmer weit mehr belastende Versetzung (z. B. von Berchtesgaden nach Greifswald) dem Arbeitgeber das Weisungsrecht dem Grunde nach eröffnet und sodann im Rahmen der Ausübungskontrolle zu prüfen ist, ob die konkrete Weisung billigem Ermessen entspricht (BAG, a. a. O., Rz. 28).
Die Zuweisung eines Arbeitsorts im Ausland scheitert auch nicht daran, dass der Arbeitgeber damit einseitig in einen „Kernbereich des Arbeitsverhältnisses“ eingreife. Mit dieser Weisung ändert der Arbeitgeber nur den Ort der Arbeitsleistung, lässt aber den Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien unberührt (BAG, a. a. O., Rz. 32).
Das Verdikt, der Arbeitgeber dürfe einseitig nicht in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingreifen, hat die Rechtsprechung für Widerrufsvorbehalte entwickelt, mit denen der Arbeitgeber sich die Befugnis zur einseitigen Änderung oder gänzlichen Streichung bestimmter Leistungen vorbehalten möchte.
Unbeschadet der Frage, inwieweit nach der Schuldrechtsreform und der von ihr eröffneten Kontrolle entsprechender Klauseln nach den Maßstäben der §§ 305 ff. BGB überhaupt noch Raum für einen Rückgriff auf einen „Kernbereich des Arbeitsverhältnisses“ bleibt, sollte damit eine Umgehung des § 2 KSchG verhindert werden. Eine solche kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber durch die einseitige Maßnahme (auch) den Inhalt des Arbeitsverhältnisses ändert (BAG, a. a. O., Rz. 33).
Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes

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