„Zusätzliche gesetzliche Schritte könnten die Flexibilität von Unternehmen einschränken“
DSGVO, BDSG, Landesdatenschutzgesetze etc. Reicht diese Regulierung zum Schutz der Privatsphäre der Arbeitnehmer in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt nicht aus, insbesondere wenn Überwachungstechnologien eingesetzt werden?
Klengel: Ja, an Regulierung mangelt es wahrlich nicht. Im Gegenteil: Die Regelungsvielfalt macht den Datenschutz schwer zugänglich, obwohl es ja um ein gleichermaßen einfaches wie wichtiges Prinzip geht: Es steht grundsätzlich jeder Person zu, über ihre personenbezogenen Daten zu verfügen. Die Regulierungsaufgabe besteht darin, diesen Grundsatzmit weiteren berechtigten Interessen in Einklang zu bringen und vor allem: auf den konkreten Fall herunterzubrechen und dadurch berechenbar zu machen. Genau dies scheint aber nicht recht gelungen zu sein, wenn sich trotz – oder gerade wegen – des komplexen Normbestandes nicht einmal mit Sicherheit sagen lässt, ob und unter welchen Voraussetzungen am Arbeitsplatz eine Kamera angebracht werden kann. Eine präzise und entwicklungsoffene Regelung der typischen Datenschutzthemen des Arbeitslebens wäre daher ein Fortschritt.
Lelley: Im Juni las ich eine Überschrift im Politikteil einer überregionalen Tageszeitung: „Datenschutz lähmt Wirtschaft“. Die bestehenden Datenschutzgesetze stellen zweifellos wichtige Instrumente dar, um den Schutz der Privatsphäre der Arbeitnehmer in der digitalisierten Arbeitswelt zu gewährleisten. Und doch besteht die Herausforderung darin, einen angemessenen Ausgleich zwischen Datenschutz und den operativen Anforderungen von Unternehmen zu finden. Wir haben in Deutschland auf Bundes- und Landesebene 18 Datenschutzbehörden. Und die wollen alle ernst genommen werden und mitreden. Die Vielzahl an Regelungen kann zu einer erheblichen Belastung für Unternehmen führen, insbesondere wenn sie Überwachungstechnologien am Arbeitsplatz einsetzen müssen, um Effizienz der Arbeitsabläufe und Sicherheit auch der Kolleginnen und Kollegen zu gewährleisten. Eine zu strenge Auslegung des Datenschutzrechts hat sicher das ganz reale Potenzial, die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu beeinträchtigen. Der Standort Deutschland steht im internationalen Vergleich ja nicht allzu gut da, wenn ich das richtig lese. Daher bedarf es einer kontinuierlichen Überprüfung und möglicher Anpassung der Datenschutzregulierungen, um praktikable Lösungen zu ermöglichen, die sowohl den Schutz der Arbeitnehmer als auch die unternehmerischen Bedürfnisse nach Kontrolle und Sicherheit berücksichtigen. Ein ausgewogener Ansatz kann dazu beitragen, die Compliance-Belastung zu minimieren und dennoch angemessenen Datenschutz zu gewährleisten.
Wie kann die Transparenz bezüglich der Nutzung von Überwachungstechnologien gewährleistet werden, um das Vertrauen der Arbeitnehmer zu bewahren?
Klengel: Die Technik erlaubt schon heute allumfassende Datenerhebungen und -analysen. Da die Systeme in der Hand der Unternehmen liegen, erhalten diese ungeahnte Machtmittel. Für Vertrauen im Verhältnis von Arbeitgeber und Beschäftigten bedarf es daher Klarheit. Arbeitnehmer im Betrieb müssen sich bspw. darauf verlassen können, dass Bewegungsdaten nicht für die Erstellung von Gesundheitsanalysen genutzt werden und dass sie bei ihrer Arbeit nicht heimlich überwacht werden – auf welchem Weg auch immer. Neben den Datenschutzbeauftragten können auch Betriebsräte eine wichtige Rolle spielen, über verlässliche Regeln im Betrieb eine Kultur des Vertrauens aufzubauen. Natürlich benötigen sie dafür die nötigen Kapazitäten und Ressourcen.
Lelley: Meiner Erfahrung nach ist da eines entscheidend: Transparenz. Die Transparenz bezüglich der Nutzung von Überwachungstechnologien, wertfreier kann man übrigens auch von Monitoring-Technik oder -Technologie sprechen, hat entscheidende Bedeutung, um das Vertrauen der Arbeitnehmer zu wahren. Viele Unternehmen setzen auf ganze Maßnahmenbündel, um das zu erreichen. Das beginnt bei klarer Kommunikation, also Information der Mitarbeiter darüber, welche Monitoring-Technologie eingesetzt wird, warum man sie verwendet und wie sich das am Arbeitsplatz auswirken kann. Dazu kommen Datenschutzrichtlinien, die inzwischen jedes gut geführte Unternehmen hat. Da wird dann erläutert, welche Daten erfasst, wie sie verwendet und wie lange sie gespeichert werden. Das alles unterstreicht das schon bestehende Engagement der ganz überwiegenden Mehrheit der Arbeitgeberinnen in Deutschland für Transparenz und Respekt der Privatsphäre im Betrieb. Und das Betriebsverfassungsgesetz spielt ja auch eine wichtige Rolle. Schließlich braucht es nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zur Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, die Zustimmung des Betriebsrats.
Sehen Sie die Notwendigkeit gesetzliche Schritte einzuleiten, um sicherzustellen, dass Arbeitnehmer vor unberechtigter Überwachung am Arbeitsplatz geschützt sind?
Lelley: Die bestehenden Datenschutzgesetze wie die DSGVO und das BDSG bieten bereits einen angemessenen Rahmen, um Arbeitnehmer vor unberechtigter Überwachung am Arbeitsplatz zu schützen. Diese Gesetze legen klare Regeln für die Verarbeitung personenbezogener Daten fest, einschließlich der Nutzung von Monitoring-Technologie. Zusätzliche gesetzliche Schritte könnten die Flexibilität von Unternehmen einschränken und den administrativen Aufwand erhöhen. Es ist wichtig, die Umsetzung der bestehenden Gesetze zu überwachen und sicherzustellen, dass Arbeitgeber ihre Verpflichtungen erfüllen. Dies kann durch regelmäßige Schulungen, Datenschutzrichtlinien und interne Kontrollen gewährleistet werden. In Anbetracht der bereits vorhandenen rechtlichen Instrumente halte ich eine erneute Überprüfung der Gesetzgebung vor der Einführung weiterer Schritte sinnvoll.
Klengel: Wer zu Recht über die Komplexität des Datenschutzes stöhnt, muss für eine einfache Regelung der typischen Konstellationen eintreten. Warum sollte nicht klar geregelt werden, wann und wo Aufnahmen der Beschäftigten angefertigt, verwendet und veröffentlicht werden? Eine Frage, die sich heutzutage sehr häufig stellt. Was gilt für digital durchgeführte Bewerbungsverfahren und bspw. digital gestützte Eignungsprüfungen? Beschäftigte müssen sich darauf verlassen können, dass in ihrem Arbeitsalltag eine verdeckte Leistungs- und Verhaltenskontrolle kategorisch ausgeschlossen ist und dass Daten, die unter Verstoß dagegen erhoben wurden, nicht verwertet werden dürfen.
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Wie können Arbeitnehmervertreter in unternehmensinterne Entscheidungsprozesse zur Einführung neuer Überwachungstechnologien am Arbeitsplatz einbezogen werden?
Klengel: Arbeitnehmervertreter werden häufig leider erst eingebunden, wenn die Entscheidung für ein Tool auf Ebene des Unternehmens oder des Konzerns bereits gefallen ist. Dann ist es meistens zu spät, um Aspekte des Arbeitnehmerschutzes, aber auch Erfahrungswissen aus dem Arbeitsalltag einzubringen. Gleichzeitig zeigt sich, dass eine ernsthafte Einbeziehung von Betriebsräten zu einer höheren Rationalität in der Nutzung der Technologie beiträgt. Denn wenn wir ehrlich sind: Die Einführung vieler IT-Systeme verläuft holpriger als erwartet. Ihre Frage richtet sich aber auch auf IT-Tools, die nicht nur zur Überwachung geeignet sind, sondern gezielt dafür eingesetzt werden sollen. Interessenvertretungen der Arbeitnehmerseite werden verständlicherweise nicht begeistert sein und auch für die Motivation der Beschäftigten ist eine Überwachungskultur nicht förderlich. Insofern sollten Unternehmen überlegen, ob es überhaupt neuer Technologien zur Überwachung der Belegschaften bedarf.
Lelley: Natürlich ist die Einbeziehung von Arbeitnehmervertretern in unternehmensinterne Entscheidungsprozesse zur Einführung neuer Technologien am Arbeitsplatz von hoher Bedeutung. Das setzen Unternehmen meiner Beobachtung nach in der Praxis auch erfolgreich um: durch frühzeitige Kommunikation, Raum für Diskussionen und Rückmeldungen. Arbeitnehmervertreter können Bedenken äußern und Vorschläge einbringen, um eine ausgewogene Lösung zu finden. Auch Trainings spielen eine immer wichtiger werdende Rolle, also Schulungen für Arbeitnehmervertreter, um ihnen ein besseres Verständnis für die Technologien und deren Auswirkungen zu vermitteln. Das hilft dann sehr, sich von manchmal noch bestehenden Kulturen des Misstrauens, der Verweigerung, ja sogar der Technikfeindlichkeit, zu verabschieden. Betriebsratsarbeit 4.0 muss ja nicht nur ein Marketingschlagwort für Seminaranbieter sein, sondern Programm einer vertrauensvollen und dann erfolgreichen Zusammenarbeit der Betriebsparteien. Die Einbindung von Arbeitnehmervertretern fördert Transparenz, Akzeptanz und ermöglicht eine ausgewogene Einführung neuer Technologien am Arbeitsplatz.
Dr. Ernesto Klengel
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