Beamtenzeit ist keine Vorbeschäftigungszeit i. S. d. § 34 Abs. 3 TV-L
Problempunkt
Die Klägerin ist angestellte Lehrerin des beklagten Landes NRW. Nachdem sie in den 90er-Jahren ihr Referendariat bei der Beklagten als Beamtin auf Widerruf absolviert hatte, war sie angestellte Lehrerin in Brandenburg, später in Thüringen. Dort wurde sie nach einiger Zeit verbeamtet und war etwa elf Jahre als verbeamtete Lehrerin tätig. Im Jahr 2013 wurde sie unter Fortführung des Beamtenverhältnisses in Thüringen nach NRW zunächst abgeordnet. Nachdem dort eine Übernahme in das Beamtenverhältnis abgelehnt worden war, beendete sie das bestehende Beamtenverhältnis in Thüringen und wechselte als angestellte Lehrerin nach NRW. Das Land NRW berücksichtigte bei der Ermittlung der Vorbeschäftigungsdauer der Klägerin nur die Zeiten als Angestellte in NRW, nicht jedoch die Zeiten als Angestellte, bzw. Beamtin in Brandenburg und Thüringen. Die Klägerin wehrte sich hiergegen und war der Auffassung, ihre vorgenannten Tätigkeiten, insbesondere die Zeit als beamtete Lehrerin, seien voll als Vorbeschäftigungszeiten anzurechnen. Dass Beamtenverhältnisse in der Anrechnungsvorschrift des § 34 Abs. 3 TV-L nicht genannt würden, sei ein redaktionelles Versehen. Sie meint, § 34 Abs. 3 TV-L knüpfe an die Vorgängernorm des § 19 Abs. 3 BAT/BAT-O an, die Beamtenverhältnisse berücksichtigte. Würden die Vorbeschäftigungen nicht angerechnet, sei dies zudem gleichheits- und unionsrechtswidrig.
Entscheidung
Die Klägerin hatte in allen drei Instanzen keinen Erfolg. Nach Ansicht des BAG sind gem. § 34 Abs. 3 TV-L nur solche Vorbeschäftigungszeiten anrechenbar, die in einem Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber im Geltungsbereich des TV-L erbracht wurden. Schon der Wortlaut des § 34 Abs. 3 TV-L erfasst Beamtenverhältnisse also nicht. Dies ergibt sich auch aus dem Vergleich zum früheren § 19 Abs. 3 BAT/BAT-O: Während dort ganz bewusst ehemalige Beamte in die Regelung einbezogen waren, wurde dies im TV-L gerade nicht entsprechend geregelt. Der TV-L ist aber auf Grundlage des BAT/BAT-O entwickelt worden. Eine entsprechende Regelung wurde von den Tarifparteien also bewusst nicht in den TV-L aufgenommen.
Einen möglichen Verstoß gegen Art. 3 GG lehnte das BAG ebenfalls ab. Den Tarifvertragsparteien steht aufgrund der grundrechtlich geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dies berechtigt sie auch, Beamten- und Angestelltenverhältnisse als verschieden zu werten. Trotz der hierbei weitgehend gleichlaufenden Regelungen aufgrund gesetzlicher Verweisung betont das BAG die Besonderheiten des Beamtenverhältnisses, wie Alimentation, Treue- und Fürsorgepflichten.
Auch aus der in Art. 45 Abs. 2 AEUV geregelten Freizügigkeit als Arbeitnehmerin kann die Klägerin keine Gleichbehandlung herleiten. Es fehlt bereits an den erforderlichen Berührungspunktenihrer Tätigkeit als deutsche Beamtin/Arbeitnehmerin zu grenzüberschreitenden Sachverhalten.
Die übrigen Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 TV-L sah das BAG ebenfalls als nicht erfüllt an. Nach dem Wortlaut des § 34 Abs. 3 S. 3 TV-L ist eine Anrechnung möglich im Falle eines „Wechsels“ zwischen Mitgliedern des Tarifverbundes. Das Wort „Wechsel“ mit seinen verschiedenen möglichen Bedeutungen setzt jedenfalls einen gewissen zeitlichen Zusammenhang zwischen den jeweiligen Arbeitsverhältnissen voraus. Die Regelung soll den Wechsel eines Arbeitsverhältnisses mit dem einen Arbeitgeber zu einem anderen Mitglied des Tarifverbunds in kürzerer Zeit ohne den Zwischenschritt eines anderen Rechtsverhältnisses ermöglichen und damit die Treue zum öffentlichen Dienst als Einheit honorieren. Nach Auffassung des BAG schließt eine langjährige Unterbrechung, wie vorliegend eine ca. elfjährige Beamtentätigkeit, einen „Wechsel“ im Sinne der Vorschrift jedoch aus.
Das BAG ließ dabei ausdrücklich offen, wie lange die Unterbrechung mindestens dauern muss, um einen solchen „Wechsel“ auszuschließen. Das BAG deutete allerdings an, dass bei kurzfristigen Unterbrechungen, z. B. für die Dauer der Sommerferien, viel dafür spricht, dass ein „Wechsel“ vorliegt.
Konsequenzen
Das BAG führt die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung fort: Auch wenn die Tätigkeiten an sich möglicherweise gleichartig sein sollten, sind Beamten- und Angestelltenverhältnis doch verschiedenen und dürfen unterschiedlich behandelt werden. Eine Ungleichbehandlung der betroffenen Beschäftigungsgruppen verstößt allein deshalb nicht gegen Art. 3 GG.
Praxistipp
Die anzurechnende Beschäftigungszeit i. S. d. § 34 Abs. 3 TV-L wirkt sich nicht nur auf die Kündigungsfristen, sondern auch auf verschiedene tarifliche Rechte aus, bspw. die Dauer des Krankengeldzuschusses oder das tarifliche Jubiläumsgeld.
RA Tobias Törnig,FPS, Düsseldorf
RAin Corinna Schulz, FPS, Düsseldorf
RAin Corinna Schulz

RA Tobias Törnig

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