Schutz von Geschäftsgeheimnissen – Unwirksamkeit Catch-all-Klausel
Problempunkt
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Unterlassung der Weitergabe bestimmter Informationen, die sie als ihre Geschäftsgeheimnisse ansieht, sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht. Die Klägerin ist neben der Firma A. ein weltweit führender Hersteller von Füllmaschinen für Lebensmittel und Getränke sowie des zugehörigen Verpackungsmaterials. Als einzige liefert sie sog. Sleeves, die sie an Faltschachtelklebemaschinen (AFK-Maschinen) produziert. Der Kläger war bis 2016 bei der Beklagten beschäftigt und maßgeblich an der Weiterentwicklung der Produkte beteiligt. Sein Arbeitsvertrag verpflichtet ihn zur Verschwiegenheit auch nach Beendigung seines Vertrags. Ein Wettbewerbsverbot bestand nicht. Der Beklagte versandte noch während seiner Tätigkeit für die Klägerin 2015 mehrere E-Mails nebst Anlagen unter dem Pseudonym „O.“ an Wettbewerber. Die Anlagen enthielten spezifische Leistungsdaten und Prozessparameter der AFK-Maschinen sowie spezifische Geometrie- und Toleranzdaten der Sleeves. Die streitgegenständlichen Informationen sind weitgehend nicht durch gewerbliche Schutzrechte geschützt. Dies beruht auf einer bewussten Entscheidung der Klägerin, da sie durch die Anmeldung von Schutzrechten ein Bekanntwerden der Informationen befürchtete. Die Klägerin meint, dass der Beklagte aus § 8 UWG i. V. m. §§ 3, 3a, 17 UWG in der bis zum 26.4.2019 geltenden Fassung zur Unterlassung verpflichtet ist.
Entscheidung
Das ArbG wies die Unterlassungsklage als unbegründet, die Schadensersatzfeststellungsklage als unzulässig ab, denn es fehle das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO), da die Beklagte keine konkreten Tatsachen darlegte, die für einen möglichen – oder gar wahrscheinlichen – Schadenseintritt sprechen. Das ArbG ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a, d ArbGG zuständig für Vertragspflichtverletzung sowie unerlaubte Handlungen während des Arbeitsverhältnisses. Der Unterlassungsantrag ist hinreichend bestimmt i.S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Es gibt jedoch weder aus rechtlichen noch tatsächlichen Gründen eine Anspruchsgrundlage. § 8 UWG i. V. m. §§ 3, 3a, 17 UWG a.F. gelten nicht mehr. Das GeschGehG ab 26.4.2019 enthält weder Übergangsfristen noch -regelungen. Maßgebend ist die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz, sodass § 6 GeschGehG als abschließende Spezialregelung entscheidend ist (OLG Stuttgart v. 19.11.2020 – 2U575/19, Rz.80). Dieser Anspruch besteht nicht, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, dass es sich bei den in Rede stehenden Informationen um Geschäftsgeheimnisse handelt. Es fehlt sowohl am Merkmal der fehlenden Marktbekanntheit als auch an der Darlegung angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen. Für das Vorhandensein eines Geschäftsgeheimnisses ist die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet (LAG Köln v. 2.12.2019 – 2SaGa20/19, Rz.18ff.). Unstreitig gibt es mehrere Unternehmen am Markt, die Sleeves zur Befüllung mit Lebensmitteln und Getränken herstellen bzw. hergestellt haben.
Es fehlte auch eine Darlegung der Klägerin von nach den Umständen angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen i.S. d. § 2 Nr. 1b GeschGehG. Wer keine hinreichenden Bestrebungen zum Schutz der Informationen unternimmt oder lediglich darauf vertraut, dass sie nicht entdeckt werden, genießt keinen Schutz des GeschGehG (LAG Düsseldorf v. 3.6.2020 – 12SaGa4/20, Rz.80; Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl. 2022, § 2 GeschGehG, Rz.49). Hieraus folgt als Mindeststandard, dass relevante Informationen nur Personen anvertraut werden dürfen, die die Informationen zur Durchführung ihrer Aufgabe (potenziell) benötigen (need to know) und die zur Verschwiegenheit besonders verpflichtet sind. Die sog. Catch-all-Klausel im Arbeitsvertrag ist wegen §§ 138 Abs. 1, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Sie ist allgemein gehalten und lässt somit nicht erkennen, welche Informationen Geschäftsgeheimnisse sein sollen (LAG Düsseldorf v. 3.6.2020 – 12SaGa4/20, Rz.80).
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Konsequenzen
Seit 26.4.2019 gilt das GeschGehG. Unternehmen, die ihr IP schützen wollen, müssen konkrete rechtliche und tatsächliche Schutzmaßnahmen treffen und in einem Prozess vortragen bzw. beweisen. Die konkreten Maßnahmen hängen von der Art des Geschäftsgeheimnisses und den Umständen der Nutzung ab. Bei der Beurteilung der Angemessenheit dieser Maßnahmen können insbesondere der Wert des Geschäftsgeheimnisses und dessen Entwicklungskosten, die Natur der Informationen, die Bedeutung für das Unternehmen, die Unternehmensgröße, die üblichen Geheimhaltungsmaßnahmen im Unternehmen, die Art der Kennzeichnung der Informationen und vereinbarte vertragliche Regelungen mit Arbeitnehmern und Geschäftspartnern berücksichtigt werden (LAG Baden-Württemberg v. 18.8.2021 – 4SaGa1/21, Rz.33).
Praxistipp
Allgemeine arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsklauseln(catch all) bieten keinen wirksamen Schutz der Geschäftsgeheimnisse. Es bedarf anlassbezogener, konkreter Geheimhaltungsklauseln (NDA) auch im Arbeitsverhältnis wegen § 2 Nr. 1b GeschGehG.
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