Streitwert eines Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO

§ 23 RVG; §§ 44, 48 GKG; § 3 ZPO; Art. 15 DSGVO

Der Streitwert eines nichtvermögensrechtlichen Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO ist i. d. R. mit 500 Euro festzusetzen.

(Leitsatz des Bearbeiters)

LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.3.2021 – 26 Ta (Kost)

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Bild: Kzenon/stock.adobe.com
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Problempunkt

Der Klägervertreter erstrebt mit seiner Beschwerde noch eine Bewertung seines Antrags auf Erteilung einer Auskunft nach Art. 15 DSGVO mit 5.000 Euro, nachdem das Arbeitsgericht seiner Beschwerde im Übrigen stattgegeben hatte. Der Kläger hatte sich im Rahmen des Rechtsstreits im Wesentlichen gegen eine Kündigung zur Wehr gesetzt und offene Urlaubsansprüche geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat das Zustandekommen eines Vergleichs festgestellt, in dem sich die Parteien u. a. darauf geeinigt haben, dass der Kläger auf eine Auskunftserteilung verzichte. Mit der Beschwerde machen die Klägervertreter geltend, der durch das Arbeitsgericht für den Auskunftsantrag angesetzte Betrag i. H. v. 500 Euro werde der Bedeutung der Sache nicht gerecht, da der Arbeitgeber sich sogar u. U. nach § 82 DSGVO schadensersatzpflichtig mache.

Entscheidung

Das LAG Berlin-Brandenburg beurteilte die Beschwerde als zulässig, aber unbegründet. Der seitens des Klägers geltend gemachte Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO ist nichtvermögensrechtlicher Natur. Er wurzelt im Persönlichkeitsrecht des Gläubigers. Es gibt hier keine Anhaltspunkte dafür, dass andere als immaterielle Schäden in Betracht gekommen wären. Art. 15 DSGVO dient allerdings auch dazu, dem Anspruchsteller die Wahrnehmung der weiteren Rechte aus der DSGVO zu ermöglichen, also insbesondere das Recht auf Berichtigung nach Art. 16, auf Löschung nach Art. 17 und auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18. Eine Auskunft über personenbezogene Daten kann auch Erkenntnisse und Indizien hervorbringen, die geeignet sind, einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO (vgl. LAG Köln, Urt. v. 14.9.2020 – 2 Sa 358/20, Rz. 55) zu rechtfertigen. Das macht den Auskunftsanspruch als solchen aber regelmäßig nicht zu einem vermögensrechtlichen Anspruch.

Die Bewertung hat deshalb nach § 23 Abs. 1 RVG i. V. m. § 48 Abs. 2 GKG, § 3 ZPO zu erfolgen (LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 10.9.2007 – 1 Ta 209/07, Rz. 13). Danach ist in der vorliegenden Konstellation ein Betrag i. H. v. 500 Euro angemessen. Bei Klagen zur Durchsetzung von Auskunftsansprüchen nach § 15 DSGVO kommen danach unterschiedliche Zielrichtungen in Betracht. Geht es um das reine Informationsinteresse, wird inzwischen überwiegend ein Betrag i. H. v. 500 Euro in Ansatz gebracht (LAG Düsseldorf, Beschl. v. 16.12.2019 – 4 Ta 413/19, Rz. 5; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.1.2020 – 5 Ta 123/19, Rz. 9; LAG Nürnberg, Beschl. v. 28.5.2020 – 2 Ta 76/20, Rz. 14). Gemeint sind die Fälle, in denen die den Auskunftsanspruch betreffenden Anträge sich allein auf das Interesse an den vorhandenen Daten und den Umgang der beklagten Partei mit ihnen beziehen und es insbesondere keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Auskünfte der Vorbereitung weiterer Klagen dienen sollen. Für derartige Fälle ist der in den zitierten Entscheidungen getroffenen Wertung zuzustimmen. Das reine Informationsinteresse ist, soweit nicht besondere Umstände hinzutreten, damit ausreichend abgebildet, d. h. solange es sich um einen einfachen, in der Sache nicht streitigen und auch nicht schwierig zu beurteilenden Sachverhalt handelt.

Soweit die erstrebten Auskünfte hier teilweise auch darauf abgezielt haben sollten, den klägerischen Vortrag im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses konkretisieren zu können, bliebe es insoweit bei dem für den Kündigungsschutzantrag in Ansatz gebrachten Betrag, da es sich um den höheren Wert handelt. Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ergibt sich das bereits aus § 48 Abs. 3 GKG. Jedenfalls wäre § 44 GKG entsprechend anwendbar. Soweit geltend gemachte Auskunftsansprüche der Substanziierung des Vortrags im Zusammenhang mit einem anderen Streitgegenstand dienen, entspricht das der Konstellation bei der Stufenklage (§ 44 GKG). In diesem Fall sind die dort geregelten Grundsätze entsprechend heranzuziehen. Maßgeblich für die Wertberechnung ist dann nur einer der verbundenen Ansprüche, und zwar der höhere (LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27.11.2019 – 26 Ta [Kost] 6094/19; v. 6.9.2019 – 26 Ta [Kost] 6012/19, Rn. 45). Das wäre hier der Betrag für den Kündigungsschutzantrag.

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Konsequenzen

Die Entscheidung hat hohe praktische Bedeutung, weil es sich seitens der Arbeitnehmeranwälte aus taktischen wie gebührenrechtlichen Gründen eingebürgert hat, Auskunftsansprüche standardmäßig nach Art. 15 DSGVO geltend zu machen, vermeintliche DSGVO-Verstöße zu rügen und mit dem Damoklesschwert von Art. 82 (ArbG Düsseldorf, Urt. v. 5.3.2020 – 9 Ca 6557/18: 5.000 Euro Schadensersatz), Art. 83 DSGVO (LG Berlin, v. 18.2.2021 – 526 OWi LG212 Js-OWi 1/20, NStZ-RR 2021, 151: Deutsche Wohnen) höhere Abfindungen bzw. vorteilhaftere Vergleiche durchzusetzen.

Die Rechtsprechung – und Arbeitgeberanwälte – ziehen diesen zum Teil exzessiven Forderungen wie folgt die scharfen Zähne:

  • Gebührenrechtlich mit einer angemessen geringen Bemessung des Streitwerts für das selbstständige Auskunftsverlangen von 500 Euro (statt der geforderten 5.000 Euro), sodass ein intensiver Streit darüber nicht wirtschaftlich lukrativ erscheint.
  • Prozessual dadurch, dass der pauschale Antrag auf Überlassung einer Kopie von E-Mails nicht hinreichend bestimmt i. S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist, wenn die E-Mails, von denen eine Kopie zur Verfügung gestellt werden soll, nicht so genau bezeichnet sind, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft ist, auf welche E-Mails sich die Verurteilung bezieht (BAG, Urt. v. 27.4.2021 – 2 AZR 342/20). Die Vielzahl der innerhalb eines Arbeitsverhältnisses gespeicherten Daten, die andernfalls resultierenden Probleme im Zwangsvollstreckungsverfahren und die Auslegung von Art. 15 Abs. 1 DSGVO unter besonderer Beachtung des Erwägungsgrunds 63 gebieten eine Art „abgestufte Anspruchs- und Erfüllungslast“, nach der nur das erfüllt werden muss, was auch verlangt worden ist (ArbG Bonn, Urt. v. 16.7.2020 – 3 Ca 2026/19).

Praxistipp

Trotz dieser Rechtsprechung sollten Arbeitgeber eine sichere Datenschutz-Compliance aufbauen und gewährleisten.

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