Privatnutzung des Dienstwagens bei Arbeitsunfähigkeit

1. Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einen Firmenwagen „auch zur privaten Nutzung“, handelt es sich dabei regelmäßig um eine zusätzliche Gegenleistung für die Arbeitsleistung. Damit schuldet der Arbeitgeber die Überlassung so lange, wie er Arbeitsentgelt leisten muss, d. h. im Fall der Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit selbst dann, wenn er keine Gegenleistung dafür erhält.

2. Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber nach § 241 Abs. 2 BGB erst nach Ablauf einer Mindestankündigungsfrist vom Mitarbeiter verlangen darf, den Dienstwagen herauszugeben, da er auch bei einem Verstoß keine Nutzungsausfallentschädigung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB zahlen muss. Er hat jedoch den Verfrühungsschaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass sich der Betreffende nicht rechtzeitig auf den Verlust des Wagens einstellen konnte.

(Leitsatze der Bearbeiterin)

BAG, Urteil vom 14. Dezember 2010 – 9 AZR 631/09

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Bild: Erwin-Wodicka / stock.adobe.com
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Problempunkt

Der Kläger war bei der Beklagten als Bauleiter beschäftigt. In seinem Arbeitsvertrag hieß es: "Die Firma stellt Herrn ? einen Pkw auch zur privaten Nutzung in angemessenem Umfang zur Verfügung." Der Kläger war zehn Monate arbeitsunfähig erkrankt. Die gesetzliche Entgeltfortzahlung endete nach sechs Wochen. Die Beklagte verlangte den Firmen-Pkw zunächst nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums nicht heraus, sondern beließ ihn ohne weitere Erklärung beim Kläger. Sieben Monate später forderte sie ihn schließlich auf, den Firmen-Pkw in sechs Tagen zurückzugeben. Der Kläger kam dieser Aufforderung nach, behielt sich aber vor, Nutzungsausfallansprüche geltend zu machen. Nach seiner Gesundung einen Monat später nahm er seine Tätigkeit wieder auf und erhielt einen neuen Firmen-Pkw von der Beklagten. Der Kläger klagte auf Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit, in der ihm der Firmen-Pkw nicht zur Privatnutzung zur Verfügung stand. Das Arbeitsgericht Stuttgart und das LAG Baden-Württemberg wiesen die Klage ab.

Entscheidung

Das BAG bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für den Entzug des ihm auch zur Privatnutzung überlassenen Pkw nach Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums. Gestattet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, einen Dienstwagen auch privat zu nutzen, stellt dies eine zusätzliche steuer- und abgabenpflichtige Arbeitsvergütung für die geschuldete Arbeitsleistung dar. Der Mitarbeiter kann daher grundsätzlich eine Nutzungsausfallentschädigung verlangen, wenn der Arbeitgeber ihm das Fahrzeug vertragswidrig entzieht. Ein solcher vertragswidriger Entzug lag laut BAG allerdings hier nicht vor, da das Unternehmen nur so lange verpflichtet ist, den Wagen zu überlassen, wie es dem Beschäftigten Arbeitsentgelt schuldet. In Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, für die keine Entgeltfortzahlungspflicht mehr nach § 3 Abs. 1 EFZG besteht, hat der Arbeitnehmer jedoch keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt. Damit entfällt auch die Grundlage für die Gewährung eines Firmen-Pkw als zusätzliches Vergütungselement, ohne dass es hierzu eines Widerrufsvorbehalts bedarf.

Etwas Anderes kann sich im Einzelfall nur aus den vertraglichen Vereinbarungen ergeben. Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber den Pkw nicht sofort bei Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums zurückforderte, sondern ihn dem Arbeitnehmer ohne Erklärung weiter überließ, begründet jedoch keinen Anspruch auf Überlassung während der Gesamtdauer der Arbeitsunfähigkeit. Das Unterlassen der zeitgerechten Rückforderung stellt noch kein Angebot dar, die vertraglichen Vereinbarungen abzuändern. Die Frage, ob der Arbeitgeber die Herausgabe des Pkw mit einer Frist von mehr als einer Woche hätte ankündigen müssen, lies das BAG offen. Selbst eine zu kurzfristige Ankündigung führt nicht zu einem Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung, sondern allenfalls zum Ersatz eines sog. Verfrühungsschadens, d. h. den Kosten für die spätere Buchung eines Mietwagens, Taxikosten etc.

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Konsequenzen

Das BAG führte mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung (Urt. v. 24.3.2009 – 9 AZR 733/07) fort. Schon bisher vertrat es die Auffassung, dass die Überlassung eines Pkw zur privaten Nutzung Teil der Arbeitsvergütung ist. Durch das Urteil klärte es nun eine von den Instanzgerichten noch nicht einheitlich entschiedene Rechtsfrage. Es bestätigte die bisher vom LAG Köln vertretene Rechtsauffassung (Urt. v. 22.6.2001 – 11 [6] Sa 191/01; a. A. LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.2.2007 – 10 Sa 2171/06), dass der Arbeitgeber den Pkw mit Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums entschädigungslos herausverlangen kann, sofern sich aus dem Arbeitsvertrag nichts Anderes ergibt. Es ist also nicht ausgeschlossen, ausdrücklich oder konkludent zu vereinbaren, dass der Mitarbeiter den Dienstwagen über die Dauer der Entgeltfortzahlung hinaus behalten darf. Tatsachlich kann der Arbeitgeber den Dienstwagen auch freiwillig beim Arbeitnehmer belassen, z. B. wenn absehbar ist, dass dieser in naher Zukunft wieder gesund wird. Wie bei allen freiwilligen Leistungen ist es aber möglich, dass hieraus – bei mehrmaliger gleichartiger Gewährung gegenüber der Belegschaft – ein Anspruch aus betrieblicher Übung entsteht.

Praxistipp

Die Überlassung von Firmen-Pkw an Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung ist häufig Anlass für Streitigkeiten im Arbeitsverhältnis. Dies mag daran liegen, dass das Auto für Mitarbeiter in Deutschland einen hohen Stellenwert hat und Änderungen, insbesondere dessen Rückgabe, oft einen Statusverlust im privaten Umfeld zur Folge haben. Da es für Firmen-Pkw nur wenig gesetzliche Regelungen gibt, ist es umso wichtiger, die wesentlichen Aspekte der Überlassung, des Austauschs und der Rückgabe ausdrücklich zu regeln. Dies gilt insbesondere für die „Störfalle“, wie längere Arbeitsunfähigkeit, Elternzeit, Freistellung, unbezahlter Urlaub etc. Arbeitgeber haben gerade für diese Zeiten ein Interesse daran, den Firmen-Pkw nicht für ausschließlich private Zwecke weiterhin zur Verfügung zu stellen. Legt man die Rechtsprechung des BAG zugrunde, kann das Unternehmen den Pkw z. B. auch während der Elternzeit, nicht aber während der Mutterschutzfristen, ohne ausdrückliche Regelung zurückfordern. Dann besteht ebenfalls kein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers mehr. Insbesondere in den Fallen, in denen ein Elternteil nur Elternzeit für z. B. zwei Monate in Anspruch nimmt, dürfte dies jedoch nicht in seinem Interesse sein und eine Rückforderung des Firmen-Pkw Streitpotenzial bergen. Will der Arbeitgeber in der Lage sein, den Wagen vor Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums herauszuverlangen, bspw. während einer Freistellung nach Kündigung, kann er dies nur bei einem vertraglich vereinbarten Widerrufsvorbehalt. Das BAG hat die Voraussetzungen für die wirksame Gestaltung eines Widerrufsvorbehalts in den letzten Jahren erhöht, indem es z. B. entschied, dass ein Vorbehalt, nach dem ein Widerruf „aus wirtschaftlichen Gründen“ möglich sein soll, nicht konkret genug ist (Urt. v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, AuA 10/10, S. 612). Er muss daher sorgfältig formuliert werden.

RAin und FAin für Arbeitsrecht Dr. Julia Reinsch, Hoffmann Liebs Fritsch & Partner, Düsseldorf

Redaktion (allg.)

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