Streiks für Tarifsozialpläne zulässig

1. Ein Arbeitgeberverband hat gegen eine Gewerkschaft einen eigenen Anspruch auf Unterlassung rechtswidriger Arbeitskampfmaßnahmen gegen eines seiner Mitglieder. Auf das Doppelgrundrecht der Koalitionsfreiheit nach Artikel 9 Abs. 3 GG können sich auch die Koalitionen selbst berufen.

2. Verhandlungen der Tarifvertragsparteien über eine bestimmte Tarifforderung begründen keine auf ihren Gegenstand bezogene Friedenspflicht. Diese entsteht erst mit dem Abschluss des erstrebten Tarifvertrags.

3. Streiks um tarifliche Abfindungsregelungen sind zulässig. Sie werden um tariflich regelbare Ziele geführt, denn Abfindungsregelungen sind Rechtsnormen i.S.v. § 1 Abs. 1 TVG, die eine Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen.

4. Ein Streik um solche Regelungen ist nicht generell wegen Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips rechtswidrig. Er verletzt auch nicht den Grundsatz der Kampfparität.

5. Den Tarifvertragsparteien fehlt auch in Betrieben mit Betriebsrat nicht deshalb die Kompetenz zur Schaffung von Abfindungsregelungen, weil die kollektive Regelung dieser Materie ausschließlich den Betriebsparteien vorbehalten wäre. Eine solche Sperrwirkung ordnen die §§ 111 ff. BetrVG nicht an.

6. Die Gewerkschaft muss mit Aufrufen zu Streiks zur Herbeiführung tariflicher Nachteilsausgleichsansprüche im Zusammenhang mit einer konkreten Betriebsänderung nicht abwarten, bis das betriebliche Sozialplanverfahren abgeschlossen ist.

7. Streikforderungen einer Gewerkschaft, deren Gegenstand grundsätzlich tariflich regelbar ist, unterliegen keiner gerichtlichen Übermaßkontrolle. Eine solche Kontrolle verstößt gegen die durch Artikel 9 Abs. 3 GG gewährleistete Koalitionsbetätigungsfreiheit der Gewerkschaften und stellt die Funktionsfähigkeit der Tarifordnungen infrage.

(Leitsätze des Bearbeiters)

BAG, Urteil vom 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 Art. 9 Abs. 3 GG, §§ 111, 112 BetrVG

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Problempunkt

Folgendes Szenario: Die Unternehmensleitung beschließt die Schließung eines Standorts, da die Produktion ins Ausland verlagert werden soll. Allen Mitarbeitern soll betriebsbedingt gekündigt werden. Die Spielregeln für die Personalleiter in solchen Situationen waren über Jahrzehnte bekannt und eingespielt. Nach langwierigen Verhandlungen scheitert der Versuch eines Interessenausgleichs in der Einigungsstelle. Das Sozialplanvolumen, das gegen die Stimmen der Arbeitgebervertreter in der Einigungsstelle festgelegt wird, überschreitet ein wenig das hierfür vorher offiziell festgelegte Budget.

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