Kündigung eines Kapitäns und eines Co-Piloten wegen Flottenreduzierung

Bild: pixabay.com
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Die Kläger der Verfahren waren seit dem 4.9.2000 bei der Beklagten, einer Fluggesellschaft, als Kapitän und seit dem 3.9.2018 als Co-Pilot beschäftigt. Bei der Beklagten waren aufgrund tariflicher Regelungen Personalvertretungen für das Cockpit (PV Cockpit) und für die Kabine (PV Kabine) gebildet. Es existierte weiterhin eine Gesamtvertretung Bordpersonal (GV Bord).

Am 5.3.2021 schlossen die Beklagte und die GV Bord einen Interessenausgleich. Zu der geplanten Betriebsänderung hieß es dort, dass die Beklagte ihre Flotte auf 22 Flugzeuge reduzieren und sechs ihrer derzeit unterhaltenden Stationen vollständig und dauerhaft schließen werde. Weiter hieß es, dadurch sei im Bereich des Cockpit- und Kabinenpersonals die Beschäftigtenzahl anzupassen. Dabei dürfte die tariflich vereinbarte Zahl von 370 Cockpitmitarbeitenden nicht unterschritten werden. Der tatsächliche Bedarf an Cockpitpersonal liege – so der Vortrag der Beklagten – aufgrund der Betriebsänderung sogar nur noch bei 340. Mit Schreiben vom 11.3.2021 leitete die Beklagte gegenüber der GV Bord das Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG ein. Sie übersandte dabei den Text eines Sozialplans, der eine Auswahlrichtlinie beinhaltete. Diese sah u. a. ein Punkteschema für die Gewichtung der Kriterien der sozialen Auswahl (Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung) vor. Zugleich war vorgesehen, dass Mitarbeitenden mit Sonderkündigungsschutz (z. B. aufgrund von Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit) nach Einholung der behördlichen Zustimmung gekündigt werde. Am 19.3.2021 fand ein abschließender Beratungstermin mit der GV Bord statt. Mit Schreiben vom 27.3.2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Kapitäns außerordentlich betriebsbedingt zum 31.12.2021 und das Arbeitsverhältnis des Co-Piloten ordentlich betriebsbedingt zum 31.12.2021.

Mit ihren Kündigungsschutzklagen wenden sich der Kapitän und der Co-Pilot gegen die betriebsbedingten Kündigungen. Das noch vorhandene Cockpitpersonal sei nicht in der Lage, ohne überobligatorische Arbeit das verbliebene Flugaufkommen zu bedienen. Alle Mitarbeitenden müssten Mehrflugstunden leisten. Die Kläger rügen außerdem u. a. die ordnungsgemäße Anhörung der PV Cockpit sowie die ordnungsgemäße Durchführung des Konsultationsverfahrens. Die Beklagte erachtet die Kündigungen für wirksam. Der Beschäftigungsbedarf für die Kläger sei entfallen. Die Beteiligung der Gremien sei ordnungsgemäß erfolgt.

Ebenso wie das Arbeitsgericht hat die 13. Kammer des LAG Düsseldorf den beiden Kündigungsschutzklagen stattgegeben (LAG Düsseldorf, Urt. v. 24.3.2022 – 13 Sa 998/21 und 13 Sa 1003/21). Beide Kündigungen sind jedenfalls aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Konsultation der GV Bord rechtsunwirksam. Abweichend von dem der GV Bord in den Beratungen mitgeteilten Informationsstand hatte die Beklagte den ca. 80 Beschäftigten des Cockpitpersonals mit Sonderkündigungsschutz unabhängig von dem Punkteschema weder gekündigt noch hierzu eine behördliche Zustimmung eingeholt. Gemäß § 17 Abs. 2 KSchG musste die Beklagte der GV Bord die zweckdienlichen Auskünfte erteilen und sie dabei über die Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer unterrichten. Dies ist hier fehlerhaft erfolgt, weil sich nach dem Abschluss der Beratungen durch den Verzicht auf den Ausspruch von Kündigungen gegenüber ca. 80 Personen des Cockpitpersonals eine wesentliche Änderung in den zuvor mitgeteilten Kriterien der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer ergeben hatte. Hierüber hätte die Beklagte die GV Bord vor Ausspruch der Kündigungen ergänzend unterrichten müssen. Dieser Fehler im Konsultationsverfahren führte zur Unwirksamkeit der Kündigungen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

Pressemitteilung des LAG Düsseldorf vom 24.3.2022

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