Arbeitnehmereigenschaft von „Crowdworkern“

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 Bild: REDPIXEL/stock.adobe.com
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So lautet die Überschrift der Pressemitteilung 43/20 betreffend die Entscheidung des BAG vom 1.12.2020 (9 AZR 102/20). Den streitgegenständlichen Sachverhalt hat das Gericht mit der für eine Pressemitteilung gebotenen Kürze, aber nicht minder präzise wiedergegeben:

„Für ein Arbeitsverhältnis spricht es, wenn der Auftraggeber die Zusammenarbeit über die von ihm betriebene Online-Plattform so steuert, dass der Auftragnehmer infolgedessen seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht frei gestalten kann (…). Zwar war er vertraglich nicht zur Annahme von Angeboten der Beklagten verpflichtet. Die Organisationstruktur der von der Beklagten betriebenen Online-Plattform war aber darauf ausgerichtet, dass über einen Account angemeldete und eingearbeitete Nutzer kontinuierlich Bündel einfacher, Schritt für Schritt vertraglich vorgegebener Kleinstaufträge annehmen, um diese persönlich zu erledigen.“

Kein arbeitgeberseitiges Weisungsrecht

Ein Blick in das Gesetz verdeutlicht, dass jedenfalls aus diesem Sachverhalt ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis nicht abgeleitet werden kann. Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet (§ 611a Abs. 1 Satz 1 BGB).

Das diesbezügliche Weisungsrecht des Arbeitgebers wird in § 106 GewO beschrieben, wonach der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann.

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Schon auf den ersten Blick wird deutlich, dass das digital ausgeschriebene Angebot des Crowdsourcers annehmen oder ablehnen zu können, ein solches einseitiges Weisungsrecht oder auch eine diesbezügliche Weisung des Crowdsourcers nicht beinhaltet. Solange also der Crowdworker einen solchen ausgeschriebenen Auftrag nicht annimmt, fehlt es bereits an einer vertraglichen Grundlage für die Ausübung eines arbeitgeberseitigen Weisungsrechts und damit an einer der wichtigsten Annahmen für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses.

Kleinstauftrag gesteuert vom Auftraggeber

Anders kann der Fall liegen, wenn der Crowdworker einen solchen Kleinstauftrag ausdrücklich annimmt und er bei der Ausführung durch den Auftraggeber durch digitalen Online-Anschluss bis ins Detail und dauerhaft bei der Ausführung des Kleinstauftrags durch Weisungen des Auftraggebers gesteuert wird. Zwar würde es sich dann nur um ein kurzfristig befristetes Arbeitsverhältnis handeln, das mangels einer Entfristungsklage auch mit der vorgegebenen Befristung enden würde. Das TzBfG lässt auch Befristungen von einzelnen oder mehreren Stunden zu.

Geht man davon aus, dass – wie in der Presseerklärung angegeben – der über einen Account angemeldete und eingearbeitete Nutzer vertraglich vorgegebene Kleinstaufträge annimmt und zwar mit der Folge, dass der Inhalt auch im Kleinstaufrag in der Leistungsbeschreibung so konkret beschrieben ist, dass es bei der Ausführung keine Spielräume gibt, entfällt auch praktisch jedes Weisungsrecht, denn nach § 106 Abs. 1 GewO kann der Arbeitgeber

  • Inhalt,
  • Ort und
  • Zeit

der Arbeitsleistung nur näher bestimmen, wenn ferner nicht etwas durch detaillierte vertragliche Regelung zwischen den Parteien bereits geregelt ist.

Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes

Dr. jur. Günter Schmitt-Rolfes
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Arbeitnehmereigenschaft von „Crowdworkern“
Seite 15
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