Aufhebungsvertrag im Rahmen eines sog. „Freiwilligenprogramms“

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 Bild: SKIMP Art/stock.adobe.com
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Nachdem die Parteien einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten, stritten sie um Schadensersatzforderungen des mit dem Verhandlungsergebnis unzufriedenen Klägers, der hilfsweise die inhaltliche Anpassung des Aufhebungsvertrages begehrt. Der Kläger war als Ingenieur zu einem regelmäßigen Bruttomonatsgehalt i. H. v. 7.500 Euro beschäftigt. Seit dem Jahr 2018 legte das Unternehmen Angebote zum Abschluss von Aufhebungsverträgen im Rahmen sog. „Freiwilligenprogramme“ aus. All diese Angebote waren auf einen gewissen Zeitraum begrenzt. Die Konditionen der Abfindungsprogramme blieben jedoch von 2018 bis 2022 unverändert. Sie enthielten stets die Möglichkeit, nach der die Beschäftigten vorzeitig, nämlich nach Erreichen des 55. Lebensjahres, aus ihrem Arbeitsverhältnis ausscheiden und dafür bis zum 63. Lebensjahr 55 % des zuletzt gezahlten Bruttomonatsentgelts als Überbrückungsentgelt weiter monatlich beanspruchen konnten. Im Angebotsflyer zu diesem Programm war unter der Überschrift „Wichtige Hinweise“ u. a. zu lesen, dass doppelte Freiwilligkeit gilt, d. h. der Arbeitgeber muss zustimmen. Außerdem stand dort zu lesen: „Es erfolgt nach Unterzeichnung keine spätere Anpassung der Konditionen. Die Konditionen werden sich im Laufe der Zeit nicht verbessern.“ Der Kläger schloss einen Aufhebungsvertrag zum 31.12.2023 und erhielt dafür Überbrückungszahlungen i. H. v. 55 % seines letzten Bruttogehalts. Am 23.1.2023 wurde das Freiwilligenprogramm 2022 eingestellt. Im März 2023 gab die Beklagte ein neues Freiwilligenprogramm bekannt. Neu war daran, dass statt der bisherigen 55 % nun 65 % des letzten Bruttomonatsentgelts als Überbrückungsgeld angeboten wurden. Der Kläger machte daraufhin klageweise die Zahlung der monatlichen Differenz zwischen den beiden Überbrückungsgeldern i. H. v. gut 1.000 Euro monatlich als Schadensersatz geltend, hilfsweise beantragte er die Anpassung des Aufhebungsvertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage. Er habe im Vertrauen darauf, dass sich die Überbrückungsgeldzahlungen nicht erhöhen würden, den Aufhebungsvertrag geschlossen.

Die Klage hatte keinen Erfolg (LAG Köln, Urt. v. 12.09.2024 – 6 Sa 630/23, rk.). Für einen Schadensersatzanspruch fehlte es bereits an einer Pflichtverletzung. Das Unternehmen hatte dem Kläger keine unzureichenden oder falschen Auskünfte erteilt oder Versprechungen nicht eingehalten. Es war auch nicht so, dass das Unternehmen im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrags mit dem Kläger bereits vor Augen hatte, ein günstigeres Freiwilligenprogramm zu planen. Auch die Formulierung im Hinweisflyer kann nicht dahingehend verstanden werden, dass zukünftige Freiwilligenprogramme keine besseren Konditionen beinhalten. Sie bezieht sich erkennbar nur auf das laufende Programm. Außerdem ist es lediglich eine Vermutung, dass die Beklagte ihrerseits unter dem später aufgelegten Freiwilligenprogramm einen Aufhebungsvertrag mit dem Kläger abgeschlossen hätte. Auch das Argument des Wegfalls der Geschäftsgrundlage verfing nicht. Eine Anpassung des Vertrags kommt lediglich dann in Betracht, wenn das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzung war nicht erfüllt. Denn es ist nicht ersichtlich, dass es dem Kläger unzumutbar ist, an einem Vertrag festzuhalten, der ihm nicht unbedeutende Zahlungen über einen langen Zeitraum zuspricht, ohne dass er dafür eine Arbeitsleistung zu erbringen hat.

Dr. Claudia Rid

Dr. Claudia Rid
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, München
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Aufhebungsvertrag im Rahmen eines sog. „Freiwilligenprogramms“
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