BAG-Rechtsprechung zur Elternzeit

Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien
Verlangt ein Arbeitnehmer Elternzeit, so führt dies nicht selten zu Streitfragen: Muss das Elternzeitverlangen schriftlich erfolgen? Unter welchen Voraussetzungen darf die Elternzeit vorzeitig beendet werden? Und darf der Arbeitgeber den Urlaub während der Elternzeit überhaupt kürzen? Diese und andere Fragen haben in der Praxis nicht nur die Arbeitsvertragsparteien selbst beschäftigt, sondern auch in regelmäßigen Abständen das BAG. Daher lohnt ein Blick auf die bisherige Rechtsprechung.
1105
 Bild: ngupakarti/stock.adobe.com
Bild: ngupakarti/stock.adobe.com

Elternzeitverlangen zur Betreuung des Kindes

Der Anspruch auf Elternzeit besteht bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes, wobei ein Anteil von bis zu 24 Monaten zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes in Anspruch genommen werden kann, § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 BEEG. Eine wirksame Inanspruchnahme von Elternzeit setzt das schriftliche Verlangen der Elternzeit durch den Arbeitnehmer voraus, und zwar für den Zeitraum bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes spätestens sieben Wochen und für den Zeitraum zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes spätestens 13 Wochen vorher, § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG. Wird die Frist für das Elternzeitverlangen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG nicht eingehalten, so führt dies nach der Rechtsprechung des BAG allerdings nicht zum Erlöschen des Elternzeitanspruchs, sondern lediglich zu einer Verschiebung des Beginns des gewünschten Zeitraums (vgl. BAG, Urt. v. 17.2.1994 – 2 AZR 616/93).

Das Elternzeitverlangen ist darauf gerichtet, das Arbeitsverhältnis für einen bestimmten Zeitraum zum Zwecke der Betreuung und Erziehung des Kindes zum Ruhen zu bringen (vgl. BAG, Urt. v. 15.4.2008 – 9 AZR 380/07, AuA 4/09, S. 246). Die Inanspruchnahme von Elternzeit führt aufgrund des dem Arbeitnehmer eingeräumten Gestaltungsrechts unmittelbar zum Ruhen der sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden wechselseitigen Hauptpflichten. Das heißt, während der Elternzeit ruht einerseits die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung des Arbeitsentgelts, anderseits die Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers (vgl. BAG, Urt. v. 19.4.2005 – 9 AZR 233/04, AuA 6/05, S. 373; v. 12.5.2011 – 2 AZR 384/10). Diese Rechtsfolge tritt nach der BAG-Rechtsprechung ein, ohne dass es einer Zustimmung seitens des Arbeitgebers bedarf (BAG, Urt. v. 10.5.2016 – 9 AZR 145/15; v. 24.9.2019 – 9 AZR 435/18). Insgesamt kann jeder Elternteil seine Elternzeit dabei auf drei Zeitabschnitte verteilen. Eine Verteilung auf weitere Zeitabschnitte ist hingegen nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich, § 16 Abs. 1 Satz 6 BEEG.

Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung

Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 BEEG muss, wer Elternzeit beanspruchen will, dies schriftlich vom Arbeitgeber verlangen. Nach der Rechtsprechung des BAG erfordert das Elternzeitverlangen die Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB (vgl. BAG, Urt. v. 10.5.2016 – 9 AZR 145/15).

Nach dieser Regelung muss die Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Die Schriftform stellt nach der BAG-Rechtsprechung eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Elternzeit dar. Demnach dient das Schriftformerfordernis der Rechtsklarheit. Nach der Begründung des BAG sind am Beginn einer Elternzeit vielfältige Fallgestaltungen denkbar, in denen – bei fehlender schriftlicher Beantragung – offenbleibt, ob Elternzeit in Anspruch genommen oder eine andere Form der Arbeitsbefreiung geltend gemacht wird bzw. schlicht eine Fehlzeit vorliegt. Dementsprechend komme dem schriftlichen Verlangen nach Elternzeit eine vor allem klarstellende Funktion für die Parteien zu, an der grundsätzlich festzuhalten sei. Das Schriftformerfordernis soll bei der Inanspruchnahme der Elternzeit aber nicht nur den Arbeitgeber als Erklärungsempfänger schützen, sondern auch den Arbeitnehmer. Das Erfordernis der Schriftform entfaltet demnach eine Warnfunktion. Arbeitnehmer sollen so vor einem unüberlegten oder übereilten Elternzeitverlangen geschützt werden, da durch die Inanspruchnahme von Elternzeit das Arbeitsverhältnis für die Dauer von bis zu drei Jahren zum Ruhen gebracht wird. Dies hat zur Folge, dass der Vergütungsanspruch auch für diesen Zeitraum entfällt. Mit der im Arbeitsverhältnis erzielten Vergütung bestreiten Arbeitnehmer aber regelmäßig – zumindest größtenteils – ihren Lebensunterhalt. Die Ausübung des Gestaltungsrechts müsse daher, so das BAG, wohlüberlegt sein und bedarf somit der Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB, zumal eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG grundsätzlich nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich ist (vgl. BAG, Beschl. v. 15.12.2011 – 7 ABR 40/10).

Versäumt es der Arbeitnehmer, die Elternzeit in Schriftform zu verlangen, so besteht grundsätzlich kein Sonderkündigungsschutz (vgl. BAG, Urt. v. 26.6.2008 – 2 AZR 23/07).

Allerdings kann im Einzelfall das Berufen des Arbeitgebers auf die fehlende Schriftform gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Form eines widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“) verstoßen. Nach dem Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens ist ein Verhalten als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BAG, Urt. v. 4.12.1997 – 2 AZR 799/96). Das ist insbesondere der Fall, wenn durch das Verhalten der einen Vertragspartei – bewusst oder unbewusst – für die andere Vertragspartei ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand des Bisherigen geschaffen worden ist (vgl. BAG, Urt. v. 17.7.2003 – 8 AZR 376/02). So lag auch ein Fall, der 2008 vom BAG entschieden werden musste: Hier hatte der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin Elternzeit gewährt, obwohl ihm bekannt war, dass die Anspruchsvoraussetzungen – insbesondere die Schriftlichkeit – nicht vorlagen. Als der Arbeitgeber während der Elternzeit das Arbeitsverhältnis kündigte, berief er sich auf die fehlende Schriftform. Doch nach Ansicht des BAG hatte der Arbeitgeber in diesem Fall die Elternzeit in Kenntnis des fehlenden schriftlichen Antrags hingenommen und auch, dass die Arbeitnehmerin nicht zur Arbeit erschienen ist und ihre „Elternzeit“ fortgeführt hat. Der Arbeitgeber behandelte die Arbeitnehmerin demnach wie eine Elternzeitberechtigte, sodass er sich mit seinem Verhalten zu seiner bisherigen Vorgehensweise in Widerspruch gesetzt hat. Die Arbeitnehmerin konnte sich deshalb mit Erfolg auf den Sonderkündigungsschutz berufen (BAG, Urt. v. 26.6.2008 – 2 AZR 23/07).

Dauer und Beendigung der Elternzeit

Verlangt der Arbeitnehmer Elternzeit, so muss er gleichzeitig erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren Elternzeit genommen werden soll, § 16 Abs. 1 Satz 2 BEEG. Nach der BAG-Rechtsprechung trägt die Regelung dem Interesse des Arbeitgebers an Planungssicherheit Rechnung (BAG, Urt. v. 19.4.2005 – 9 AZR 233/04, AuA 6/05, S. 373). Der Arbeitgeber soll die Möglichkeit erhalten, während der Elternzeit des Arbeitnehmers die erforderlichen organisatorischen und personellen Dispositionen zu treffen. Die Erklärung, für welchen Zeitraum bzw. für welche Zeiträume Elternzeit beantragt wird, ist somit verbindlich. Die Elternzeit kann dann nur noch mit Zustimmung des Arbeitgebers vorzeitig beendet oder verlängert werden, § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG.

Nach der BAG-Rechtsprechung besteht für die Zustimmung grundsätzlich kein Rechtsanspruch, da die berechtigten Interessen des Arbeitgebers, insbesondere seine für die Elternzeit getroffenen Dispositionen, einer vorzeitigen Beendigung der Elternzeit ohne seine Zustimmung grundsätzlich entgegenstehen (vgl. BAG, Urt. v. 8.5.2018 – 9 AZR 8/18). Bittet der Arbeitnehmer um Verlängerung der Elternzeit, so darf der Arbeitgeber die Verlängerung dennoch nicht einfach ohne Weiteres ablehnen. Nach Auffassung des BAG hat der Arbeitgeber entsprechend § 315 BGB nach billigem Ermessen zu entscheiden, ob die Elternzeit verlängert wird oder nicht. Die Grenzen billigen Ermessens sind demnach gewahrt, wenn der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen auch angemessen berücksichtigt hat. Der Arbeitgeber hat dabei alle Umstände zu berücksichtigen, die zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem er die Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. BAG, Urt. v. 21.4.2009 – 9 AZR 391/08, AuA 11/09, S. 677; v. 18.10.2011 – 9 AZR 315/10, AuA 10/12, S. 617).

Ein Anspruch auf vorzeitige Beendigung der Elternzeit besteht jedoch grundsätzlich nach § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG. Danach kann die Elternzeit

  • wegen der Geburt eines weiteren Kindes (Alt. 1) oder
  • in besonderen Härtefällen (Alt. 2)

vorzeitig beendet werden.

Die Beendigung „wegen der Geburt eines weiteren Kindes“ setzt nach der BAG-Rechtsprechung jedoch voraus, dass das Kind entbunden ist. Die Rechtsfolge des § 16 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 BEEG kann demnach nicht mit Wirkung zu einem Zeitpunkt herbeigeführt werden, der noch in der Schwangerschaft mit dem weiteren Kind liegt (vgl. BAG, Urt. v. 8.5.2018 – 9 AZR 8/18). Zu den besonderen Härtefällen (Alt. 2) zählt das Gesetz insbesondere den Eintritt einer schweren Krankheit, eine Schwerbehinderung oder den Tod eines Elternteils oder eines Kindes der berechtigten Person sowie die erheblich gefährdete wirtschaftliche Existenz der Eltern nach Inanspruchnahme der Elternzeit. Der Arbeitgeber kann in den vorgenannten Fällen den Anspruch nur innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen.

Ein weiterer Anspruch auf vorzeitige Beendigung der Elternzeit ergibt sich aus § 16 Abs. 3 Satz 3 BEEG. Erwartet demnach eine Arbeitnehmerin während der Elternzeit ein weiteres Kind, so kann sie zur Inanspruchnahme der Mutterschutzfristen nach § 3 MuSchG die Elternzeit auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers vorzeitig beenden. In diesen Fällen soll die Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber die Beendigung der Elternzeit „rechtzeitig“ mitteilen, wobei § 16 Abs. 3 Satz 3 BBEG keine Frist hierfür vorsieht.

In dieser Broschüre sind alle zentralen aushangpflichtigen Gesetze sowie eine Auswahl weiterer wichtiger Vorschriften in ihrer jeweils aktuellen Fassung zusammengestellt.
Als Aushangpflichtiger sind Sie damit auf der sicheren Seite!

Wird die Elternzeit vorzeitig beendet, so führt dies regelmäßig dazu, dass das Ruhen der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten beseitigt wird. Der Arbeitnehmer muss grundsätzlich auf den Arbeitsplatz zurückkehren. Mit der vorzeitigen Beendigung der Elternzeit geht nach der BAG-Rechtsprechung jedoch der noch nicht verbrauchte Anteil der Elternzeit nicht unter, da § 16 Abs. 3 BEEG eine solche Rechtsfolge nicht enthält. Das Recht zur vorzeitigen Beendigung soll lediglich die Bindungswirkung der bereits festgelegten Elternzeit für besondere Fälle aufheben (vgl. BAG, Urt. v. 21.4.2009 – 9 AZR 391/08, AuA 11/09, S. 677; v. 8.5.2018 – 9 AZR 8/18).

Sonderkündigungsschutz

Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG darf der Arbeitgeber ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, das Arbeitsverhältnis nicht kündigen. Und auch während der Elternzeit besteht für den Arbeitgeber ein Kündigungsverbot, § 18 Abs. 1 Satz 3 BEEG. Nach der BAG-Rechtsprechung besteht das Kündigungsverbot grundsätzlich nur dann, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für die Elternzeit vorliegen. Demnach müssen alle Arbeitnehmer, die Elternzeit in Anspruch nehmen können, nicht nur die persönlichen Voraussetzungen nach § 15 Abs. 1 BEEG erfüllen, sondern auch die Elternzeit schriftlich und ordnungsgemäß gegenüber ihrem Arbeitgeber verlangt haben (vgl. BAG, Urt. v. 12.5.2011 – 2 AZR 384/10). Der Kündigungsschutz beginnt frühestens acht Wochen vor Beginn einer Elternzeit bis zum vollendeten dritten Lebensjahr des Kindes und frühestens 14 Wochen vor Beginn einer Elternzeit zwischen dem dritten Geburtstag und dem vollendeten achten Lebensjahr des Kindes, § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG. Erfolgt das Verlangen somit früher, so ist der Kündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG nicht bereits mit dem Verlangen gegeben, sondern setzt erst acht bzw. 14 Wochen vor Beginn der Elternzeit ein.

Elternzeit und Urlaub

Dem Arbeitnehmer stehen nach den gesetzlichen Vorschriften jährlich, bei einer 6-Tage-Woche, mindestens 24 Werktage Urlaub zu, § 3 BUrlG. Grundsätzlich muss der Urlaub auch im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden, § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG. § 17 BEEG macht hiervon allerdings eine Ausnahme. Nach § 17 Satz 1 BEEG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Die Kürzungsmöglichkeit besteht allerdings nicht, wenn der Arbeitnehmer während der Elternzeit beim Arbeitgeber Teilzeitarbeit leistet, § 17 Satz 2 BEEG. Auch in seiner jüngsten Entscheidung hat das BAG im Jahr 2019 die Kürzungsmöglichkeit des Arbeitgebers bestätigt und erneut darauf verwiesen, dass die gesetzlichen Sonderregelungen in § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BEEG der Regelung des § 7 Abs. 3 BUrlG vorgehen (vgl. BAG, Urt. v. 19.3.2019 – 9 AZR 362/18, AuA 11/20, S. 682). In derselben Entscheidung erklärte das BAG, dass § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG auch im Einklang mit dem Unionsrecht steht. In seiner Entscheidungsbegründung verweist das BAG auf die EuGH-Rechtsprechung, wonach der unionsrechtlich gewährleistete Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub den Zweck hat, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen (EuGH, Urt. v. 4.10.2018 – C-12/17 [Dicu], AuA 9/19, S. 549). Die Voraussetzung hierfür ist demzufolge, dass der Arbeitnehmer im Laufe des Bezugszeitraums auch tatsächlich gearbeitet hat. Nach dem Urteil des EuGH sind daher Arbeitnehmer, die sich in Elternzeit befinden und demnach nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet sind, nicht mit solchen Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben.

Die Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers setzt zunächst ein Elternzeitverlangen nach § 16 Abs. 1 Satz1 BEEG voraus, durch das der Umfang und die zeitliche Lage der Elternzeit festgelegt werden. Dem Arbeitgeber steht jedoch ein Wahlrecht zu, ob er von seinem Kürzungsrecht Gebrauch machen oder hiervon absehen möchte. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG erfolgt die Kürzung daher nicht automatisch; vielmehr muss der Arbeitgeber, möchte er den Anspruch auf Erholungsurlaub kürzen, sein Kürzungsrecht auch ausüben (BAG, Urt. v. 19.5.2015– 9 AZR 725/13; v. 19.3.2019 – 9 AZR 362/18, AuA 11/20, S. 682). Erforderlich ist eine entsprechende rechtsgeschäftliche Erklärung des Arbeitgebers, die dem Arbeitnehmer zugehen muss. Die Erklärung kann sowohl ausdrücklich oder aber auch stillschweigend erfolgen. Nach Ansicht des BAG reicht es aus, dass dem Arbeitnehmer nur der gekürzte Urlaub gewährt wird oder für ihn erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will (vgl. BAG, Urt. v. 28.7.1992 – 9 AZR 340/91).

Das Kürzungsrecht des Arbeitgebers erfasst nach der BAG-Rechtsprechung nicht nur den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch den vertraglichen Mehrurlaub, sofern die Arbeitsvertragsparteien für diesen keine von § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG abweichende Regelung getroffen haben (BAG, Urt. v. 19.3.2019 – 9 AZR 362/18, AuA 11/20, S. 682). Sein Kürzungsrecht kann der Arbeitgeber im bestehenden Arbeitsverhältnis vor, während und nach dem Ende der Elternzeit ausüben, allerdings nicht vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Wenn das Arbeitsverhältnis im Anschluss der Elternzeit nicht fortgesetzt wird, kann der Arbeitgeber auch noch während der einzuhaltenden Kündigungsfrist von seinem Kürzungsrecht Gebrauch machen. Eine Kürzung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt nach der BAG-Rechtsprechung allerdings nicht in Betracht, da die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG voraussetzt, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub bei Zugang der Kürzungserklärung noch besteht (vgl. BAG, Urt. v. 19.5.2015 – 9 AZR 725/13). Daran fehlt es jedoch nach der Begründung des BAG, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist, da der Urlaub, wenn dieser wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden konnte, gem. § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten ist. Das Gesetz unterstellt nach Ansicht des BAG allein den Erholungsurlaub der Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers, nicht dagegen den Abgeltungsanspruch.

Fazit

Auch wenn klar ist, dass jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Elternzeit hat, so enthält das Thema dennoch einige Fallstricke, die es in der Praxis zu beachten gilt. Für Arbeitgeber ist jedoch vor allem positiv hervorzuheben, dass das BAG seine bisherige Rechtsprechung zur Kürzungsmöglichkeit des Urlaubs für die Dauer der Elternzeit nicht nur bestätigt, sondern die entsprechende Vorschrift auch mit dem Unionsrecht für vereinbar erklärt hat. Dennoch sollten Arbeitgeber darauf achten, sofern sie von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen wollen, dies gegenüber dem Arbeitnehmer auch rechtzeitig zu erklären, da dies nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich ist. Zwar kann die Kürzung des Urlaubs nach der BAG-Rechtsprechung auch stillschweigend erfolgen, dennoch sollte aus Beweiszwecken die Kürzungserklärung durch den Arbeitgeber immer schriftlich erfolgen. So kann die Erklärung bspw. in das Bestätigungsschreiben der Elternzeit mit aufgenommen werden.

Mina Bettinghausen

Mina Bettinghausen
Rechtsanwältin, Frankfurt am Main
AnhangGröße
Beitrag als PDF herunterladen146.01 KB

· Artikel im Heft ·

BAG-Rechtsprechung zur Elternzeit
Seite 34 bis 37
Premium
Bild Teaser
Body Teil 1

Kinder sind Kinder

Zum erleichterten Verständnis sei in diesem Beitrag zwischen Elternzeit und Elternteilzeit unterschieden:

Frei
Bild Teaser
Body Teil 1

Welcher Ansicht folgen Sie: Wurde das im deutschen Entwurf umgesetzt oder nicht?

Seeland: Die Richtlinie wurde in diesem Punkt eindeutig

Premium
Bild Teaser
Body Teil 1

Problempunkt

Die Parteien stritten vorliegend über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung eines

Premium
Bild Teaser
Body Teil 1

In Zeiten der Krise

Arbeitgeber können ihre Arbeitnehmer teilweise über mehrere Monate nicht beschäftigen. Dennoch ist es dem

Premium
Bild Teaser
Body Teil 1

Problempunkt

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 1.6.2001 als Assistentin der Geschäftsleitung beschäftigt. Sie befand sich u

Premium
Bild Teaser
Body Teil 1

Problempunkt

Vorliegend stritten die Parteien insbesondere über die Wirksamkeit einer Kündigung. Ab dem 5.2.1986 war die (spätere)