Bessere Bedingungen für Wahlvorstände

Aktualisierte Wahlordnung zum BetrVG

Gerade noch rechtzeitig zur Betriebsratswahl 2022 ist die teilweise erneuerte Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung – WO) am 15.10.2021 in Kraft getreten. Damit wurden insbesondere die durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz vom 14.6.2021 vorgesehenen Änderungen des BetrVG, die einen Bezug zum Wahlverfahren aufweisen (vgl. hierzu Gottier, AuA 6/21, S. 8ff.) in der WO nachvollzogen. Darüber hinaus gibt es auch rechtliche Klarstellungen und Vereinfachungen für die Arbeit des Wahlvorstands.

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 Bild: zenzen/stock.adobe.com
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Video- und Telefonkonferenzen des Wahlvorstands

Wie schon bei der Reform des BetrVG für den Betriebsrat wurde bei der Reform der WO ebenfalls für den Wahlvorstand die Möglichkeit geschaffen, in Zeiten von Covid-19-bedingten Kontaktbeschränkungen Sitzungen und Beschlussfassungen auch mittels Video- und Telefonkonferenz durchzuführen. Ob und inwieweit diese gesetzliche Möglichkeit genutzt wird, steht in der alleinigen Entscheidung des Wahlvorstands. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, das digitale Format, z. B. zur Vermeidung von Reisekosten, zu verlangen.

Wie auch bei den Sitzungen des Betriebsrats haben Präsenzsitzungen des Wahlvorstands weiterhin Vorrang. Für die digitale Sitzung ist ein entsprechender Wahlvorstandsbeschluss mit einfacher Mehrheit nötig, der Bedingungen für die Nutzung von Video- und Telefonkonferenzen aufstellen kann. Nach § 1 Abs. 4 Satz 2 WO „muss sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.“ Damit verlangt er vom Wahlvorstandsvorsitzenden etwas unmöglich zu Erfüllendes, da er keinerlei Handhabe hat, dies zu kontrollieren (z. B. kein Zutrittsrecht zum Homeoffice der WV-Mitglieder, kein Recht zur Überprüfung der Umgebung durch Webcam). Diese Vorschrift muss – will man ihr in der Praxis eine Bedeutung zukommen lassen – reduziert werden in „muss alles dem Wahlvorstand Zumutbare unternommen werden […]“. Zu denken ist z. B. an die Einforderung entsprechender schriftlicher Zusicherungen durch alle Wahlvorstandsmitglieder. Auch bei zusätzlicher digitaler Teilnahmemöglichkeit gilt die persönliche Teilnahme einzelner Wahlvorstandsmitglieder vor Ort weiterhin als erforderlich (§ 1 Abs. 5 WO).

Die Möglichkeit einer digitalen Durchführung gilt allerdings nur für nichtöffentliche Sitzungen, also nicht für die folgenden Wahlschritte:

  • erste Wahlversammlung im vereinfachten zweistufigen Wahlverfahren (§ 14a Abs. 1 Satz 2 BetrVG)
  • Prüfung eingereichter Vorschlagslisten (§ 7 Abs. 2 Satz 2 WO)
  • Durchführung eines Losverfahrens (§ 10 Abs. 1 WO)
  • Stimmauszählung (§ 13 und § 34 Abs. 3 WO)
  • Bearbeitung der Briefwahlunterlagen (§ 26 Abs. 1 und § 35 Abs. 3 WO)

Festlegung einer Uhrzeit für Fristende

Die Frist für Einsprüche gegen die Richtigkeit der Wählerliste (§ 4 Abs. 1 WO) sowie die Fristen und Nachfristen für die Einreichung von Vorschlagslisten (§ 6 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 WO) und Erklärungen bei Mängeln eingereichter Vorschlagslisten (§ 6 Abs. 5 und 7 WO) endeten nach § 41 WO a.F.i. V. m. §§ 186 bis 193 BGB am letzten Tag der Frist um 24 Uhr.

Die Rechtsprechung (BAG, Beschl. v. 16.1.2018 – 7 ABR 11/10) hatte allerdings dem Wahlvorstand zugestanden, das Fristende am letzten Tag der Frist vorzuverlegen, wenn dieser Zeitpunkt nicht vor dem Arbeitszeitende der Mehrheit der Arbeitnehmer lag. Dieser Grundsatz wurde jetzt in § 41 Abs. 2 WO übernommen.

Erweiterte unaufgeforderte Zusendung von Briefwahlunterlagen

Bisher musste der Wahlvorstand die Briefwahlunterlagen (Wahlausschreiben, Vorschlagslisten, Stimmzettel und Wahlumschlag, persönliche Erklärung sowie Freiumschlag) grundsätzlich nur auf Verlangen von Wählern versenden, die wegen Abwesenheit vom Betrieb verhindert sind, ihre Stimme persönlich abzugeben (§ 24 Abs. 1 WO).

Nur Wahlberechtigten, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden (insbesondere im Außendienst oder mit Telearbeit sowie in Heimarbeit Beschäftigte), musste der Wahlvorstand die Briefwahlunterlagen auch ohne deren Verlangen schicken.

Zur Steigerung der Wahlbeteiligung wurde diese Verpflichtung in § 24 Abs. 2 Satz 1 WO auch auf Wahlberechtigteausgedehnt, die vom Erlass des Wahlausschreibens bis zum Zeitpunkt der Wahl aus anderen Gründen, insbesondere bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses (z. B. Elternzeit, Sabbatical) oder Arbeitsunfähigkeit, voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden.

Der Arbeitgeber hat dem Wahlvorstand die dafür erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen (§ 24 Abs. 2 Satz 2 WO).

Längere Frist zur Berichtigung der Wählerliste

Für die Ausübung des Wahlrechts ist die Eintragung in die Wählerliste zwingende Voraussetzung.

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Die Berichtigung der Wählerliste war bislang selbst bei offensichtlicher Unrichtigkeit nur „bis zum Tag vor dem Beginn der Stimmabgabe“ möglich. Damit konnte ein am Wahltag in den Betrieb eintretender Arbeitnehmer nicht an der Wahl teilnehmen. Auch wenn erst am Wahltag festgestellt wurde, dass ein nicht in der Wählerliste aufgeführter Arbeitnehmer eigentlich wahlberechtigt ist oder ein in der Wählerliste aufgeführter Arbeitnehmer eigentlich kein Wahlrecht hat, konnte dieser Wahlfehler nicht mehr korrigiert werden. Durch die Reform der WO kann der Wahlvorstand die Wählerliste nunmehr „bis zum Abschluss der Stimmabgabe“ berichtigen (§ 4 Abs. 3 Satz 2 WO). Der Verordnungsgeber wollte damit die Richtigkeit der Wählerliste erhöhen.

Verlegung des Zeitpunkts für Briefwahlbearbeitung

Bislang hatte der Wahlvorstand vor Abschluss der Stimmabgabe in öffentlicher Sitzung die bis zu diesem Zeitpunkt eingegangenen Freiumschläge zu öffnen und diesen die Wahlumschläge und die vorgedruckten Erklärungen zu entnehmen. Künftig sind die per Briefwahl abgegebenen Stimmen erst nach der Stimmabgabe zu Beginn der öffentlichen Sitzung, in der die Stimmauszählung erfolgt, zu bearbeiten (§ 26 Abs. 1 Satz 1 WO). Diese klare Vorgabe sorgt für Rechtssicherheit.

Abschaffung der Wahlumschläge bei Präsenzwahlen

Wie bei allen politischen Wahlen in Bund, Ländern und Kommunen sowie seit 2002 bei den Wahlen der Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat erfolgt künftig auch bei den Betriebsratswahlen die Präsenzwahl durch Abgabe der Stimmzettel ohne Wahlumschläge. Damit sollen die Umwelt- und Kostenbelastung sowie der Zeitaufwand für den Wahlvorstand reduziert werden. Das Wahlgeheimnis wird durch das neu eingeführte Erfordernis einer Faltung in § 11 Abs. 3 WO gewahrt: Die Stimmzettel müssen so gefaltet werden, dass nicht erkennbar ist, wer gewählt wurde.

Fazit

Mit der Zulassung von Video- und Telefonkonferenzen für nichtöffentliche Sitzungen hat der Verordnungsgeber die Arbeit des Wahlvorstands unter den Bedingungen der Covid-19-Pandemie spürbar erleichtert.

Das sinnvolle Klarstellen und Vereinfachen von Wahlhandlungen wird die Rechtssicherheit der Betriebsratswahlen insgesamt erhöhen. Auch wenn sich mancher betriebliche Praktiker noch weitere Erleichterungen gewünscht hätte (z. B. ausschließliche Briefwahl in Pandemiesituationen), ist die Reform insgesamt ein begrüßenswerter Schritt in die richtige Richtung.

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· Artikel im Heft ·

Bessere Bedingungen für Wahlvorstände
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