Betriebsratswahlen 2022

Was Arbeitgeber jetzt wissen müssen und wie sie sich vorbereiten

Spätestens durch den Referentenentwurf des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes ist der Fokus auf die während der Zeit vom 1.3.2018 bis zum 31.5.2022 stattfindenden regelmäßigen Betriebsratswahlen und den damit aller Voraussicht nach eintretenden Änderungen im Zusammenhang mit der Betriebsratswahl gerichtet. Bereits jetzt beginnt das Aufrüsten. Das Schulungsangebot für Betriebsräte und Wahlvorstände ist umfangreich und beinhaltet zum Teil mehrtägige Seminarangebote zur erfolgreichen Durchführung von Betriebsratswahlen. Das Schulungsangebot, welches sich an Arbeitgeber richtet, ist im Vergleich hierzu durchaus überschaubar. Gefragt ist vor allem unverzichtbares Basiswissen für Personalverantwortliche im Zusammenhang mit der Durchführung der Betriebsratswahl, aber eben auch ein Blick auf die kommenden Änderungen der anzuwendenden Vorschriften.

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 Bild: siraanamwong/stock.adobe.com
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Betriebsbegriff nach dem BetrVG

Die Instanzenrechtsprechung sowie weite Teile der Literatur verstehen unter dem Betrieb i. S. d. BetrVG „die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Unternehmen allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt“ (BAG, Beschl. v. 13.8.2008 – 7 ABR 21/07). Die eingesetzten Betriebsmittel müssen für den oder die verfolgten Zweck(e) zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leistungsapparat gesteuert werden.

Dieser Betriebsbegriff ist im Zusammenhang mit der Durchführung der Betriebsratswahlen von elementarer Bedeutung. Dies wird insbesondere bei den unten stehenden Ausführungen zum Wahlausschreiben deutlich.

Anzahl der Mitglieder des Betriebsrats

Die Größe des zu wählenden Betriebsrats bestimmt sich nach den § 9 Satz 1 und 2 BetrVG. Dabei hat der Wahlvorstand die Berechtigung, die Anzahl der zu vergebenen Mandate festzulegen. Die Größe des Betriebsrats wird also nach pflichtgemäßem Ermessen vom Wahlvorstand festgestellt (BAG, Beschl. v. 12.10.1976 – 1 ABR 1/76) und nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG WO im Wahlausschreiben ausgewiesen.

Die zu vergebene Anzahl der Mandate ergibt sich aus der Zahl der regelmäßig im Betrieb beschäftigten und zugleich wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (BAG, Beschl. v. 16.4.2003 – 7 ABR 53/02; v. 12.10.1976 – 1 ABR 1/76). Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung der Anzahl der Mandate ist der Erlass des Wahlausschreibens (BAG, Beschl. v. 15.3.2006– 7 ABR 39/05). Der Wahlvorstand hat im Rahmen der Ermittlung der „in der Regel” beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zunächst auf den Personalbestand in der Vergangenheit zu achten. Dem Wahlvorstand obliegt jedoch gleichwohl die Pflicht, auch zukünftige, aufgrund konkreter Entscheidungen des Arbeitgebers zu erwartende Entwicklungen des Beschäftigtenstands einbeziehen (BAG, Beschl. v. 25.11.1992– 7 ABR 7/92).

Beispiel:

Zum Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens steht in Betrieb A fest, dass eine Betriebsabteilung aufgrund eines Unternehmerentschlusses mit 80 Arbeitnehmern geschlossen wird.

Lösung:

Der Wahlvorstand hat die Schließung der Betriebsabteilung entsprechend bei der Festlegung der Größe des Betriebsrats und dem Erlass des Wahlausschreibens zu berücksichtigen (BAG, Beschl. v. 7.5.2008 – 7 ABR 17/07). Entscheidend hierfür ist jedoch, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens der Wahlvorstand Kenntnis von den freiwerdenden Stellen hat und der arbeitgeberseitigen Entscheidung, diese nicht nachzubesetzen. Sollte der Arbeitgeber nicht nachweisen können, dass der Wahlvorstand Kenntnis dieses Umstands hatte, so ist für den Wahlvorstand die aktuelle Arbeitnehmeranzahl maßgeblich. Ebenso unzureichend ist die bloße Erwartung oder auch Hoffnung des Wahlvorstands, dass sich die Arbeitnehmerzahl zukünftig positiv entwickelt. Der Wahlvorstand darf die Zahl der regelmäßigen Beschäftigten in einem solch gelagerten Fall nicht abweichend ansetzen.

In der Praxis stellt die Bestimmung der Größe des Betriebsrats oftmals einen Streitpunkt zwischen den Betriebsparteien dar. Demnach ist es für Arbeitgeber unerlässlich, sich darüber bewusst zu sein, dass bei Uneinigkeit über die vom Wahlvorstand festgestellte Betriebsratsgröße das Beschlussverfahren vor dem zuständigen Arbeitsgericht nach § 2a ArbGG i. V. m. §§ 80 ff. ArbGG eingeleitet werden kann.

Ständig wahlberechtigte Arbeitnehmer

Arbeitnehmer nach § 5 BetrVG ist nach stetiger Rechtsprechung des BAG (zuletzt: Beschl. v. 13.10.2004– 7 ABR 6/04) jeder, der aufgrund eines privaten Arbeitsvertrags im Dienste eines anderen in persönlicher Abhängigkeit zur Leistung fremdbestimmter Arbeit verpflichtet ist. Insofern folgt der betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmerbegriff i. S. d. § 5 Abs. 1 BetrVG dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff. Leitende Angestellte sind nach § 5 Abs. 3 BetrVG unberücksichtigt zu lassen.

Ständig beschäftigt i. S. d. § 8 BetrVG ist ein Arbeitnehmer dann, wenn er aufgrund eines Arbeitsvertrags oder im Rahmen einer Überlassung nach § 7 Satz 2 BetrVG für den Betriebsinhaber tätig wird und durch eine Einstellung in den Betrieb eingegliedert ist. Dazu zählen auch befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit, wenn sie dem Betrieb eine erhebliche Zeit angehören sollen.

Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer zählen ebenso wie Vollzeitbeschäftigte mit. Anders als bei anteiliger Berücksichtigung der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des KSchG, zählen Teilzeitbeschäftigte im BetrVG nicht anteilig, sondern nach Köpfen (LAG Hamm, Beschl. v. 11.5.1979– 3 TaBV 9/79).

Wahlberechtigung und Wählbarkeit eines Arbeitnehmers

Alle Arbeitnehmer i. S. d. § 5 Abs. 1 BetrVG, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb angehören, sind wahlberechtigt (BAG, Beschl. v. 10.11.2004– 7 ABR 12/04). Gemäß § 7 BetrVG sind Leiharbeitnehmer wahlberechtigt, wenn sie voraussichtlich länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden.

Voraussetzung für die Wahlberechtigung ist ein bestehendes Arbeitsverhältnis. Wenngleich nicht erforderlich ist, dass aktuell tatsächlich Arbeitsleistung vom jeweiligen Arbeitnehmer erbracht wird. Demzufolge ist der Kreis der Wahlberechtigten meist größer als der Kreis der Arbeitnehmer, die tatsächlich im Betrieb ihrer Arbeitsleistung nachkommen.

Nach § 8 BetrVG ist wählbar, wer dem Betrieb mindestens sechs Monate angehört. Für die Berechnung der Dauer der Betriebszugehörigkeit ist der maßgebliche Zeitpunkt der Tag der Wahl. Mitglieder des Wahlvorstands sind berechtigt, ihr passives Wahlrecht auszuüben. Das BetrVG sieht in der Mitgliedschaft des Wahlvorstands keinen Beschränkungsgrund, sodass ihre Tätigkeit einer Kandidatur nicht entgegensteht (BAG, Beschl. v. 12.10.1976– 1 ABR 1/76). Gleichwohl verfügen Mitglieder des Betriebsrats, die im Rahmen eines Beschlussverfahrens nach § 23 Abs. 1 ihres Amtes enthoben worden oder aus einem der in § 24 genannten Gründen aus dem Betriebsrat ausgeschieden sind, über ein passives Wahlrecht bei der Wahl eines neuen Betriebsrats.

Einleitung der Betriebsratswahl

Die Betriebsratswahl wird eingeleitet durch das Wahlausschreiben des Wahlvorstands. Spätestens sechs Wochen vor dem ersten Tag der Stimmabgabe hat der Wahlvorstand ein Wahlausschreiben zu erlassen. Dieses muss die nach § 3 Abs. 2 BetrVG WO normierten Angaben enthalten. Grundsätzlich richtet sich der Wahlvorstand an die HR-Abteilung mit der Bitte, das Wahlausschreiben entsprechend zu genehmigen. Üblicherweise erhält die Personalleitung das Wahlausschreiben mit der Bitte, den Aushang zu genehmigen.

Im Wahlausschreiben findet sich meist zunächst eine Beschreibung des Betriebs.

Beispiel:

„Am Standort Kassel der X-AG ist nach § 13 BetrVG der Betriebsrat für die Dauer von vier Jahren zu wählen“.

Diese Beschreibung gibt einen ersten Hinweis auf die in Bezug genommene Betriebsratseinheit. Außerdem wird im Wahlausschreiben die genaue Anzahl von Frauen und Männern aufgeführt sein. Nach § 15 Abs. 2 BetrVG muss im zu wählenden Betriebsrat das Geschlecht, das in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis vertreten sein. Des Weiteren ist im Wahlausschreiben auch die Gesamtzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder aufgeführt.

Aus anwaltlicher Sicht hat sich im Rahmen der Beratung von Unternehmen bewährt, das Wahlausschreiben ausführlich zu prüfen. Dabei sollte die Unternehmensstruktur mit den betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen verglichen werden. Im Rahmen dieser Prüfung kann insbesondere mittels juristischen Sachverstands das Risiko einer unrichtigen Betriebsbestimmung ermittelt werden. Sollte der Betriebsbegriff fehlerhaft sein, so ist anschließend die Prüfung der Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Betriebsratswahl zu erörtern.

Grundlage der Betriebsratswahl: Vorschlagslisten

Sofern mehr als drei Betriebsratsmitglieder zu wählen sind, erfolgt die Wahl mittels Wahlvorschlägen (Vorschlagslisten) nach § 6 WO. Die Vorschlagslisten sind von den Wahlberechtigten vor Ablauf von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand einzureichen. Jede Vorschlagsliste soll (muss aber nicht) mindestens doppelt so viele Bewerber aufweisen, wie Betriebsratsmitglieder zu wählen sind. In jeder Vorschlagsliste sind die einzelnen Bewerberinnen oder Bewerber in erkennbarer Reihenfolge unter fortlaufender Nummer und unter Angabe von

  • Familienname,
  • Vorname,
  • Geburtsdatum und
  • Art der Beschäftigung im Betrieb

aufzuführen. Die schriftliche Zustimmung der Bewerber zur Aufnahme in die Liste ist beizufügen.

Ein Wahlvorschlag muss die in § 14 Abs. 4 BetrVG geregelte Anzahl von Stützunterschriften aufweisen. Jeder Wahlvorschlag muss von 1/20 der wahlberechtigten Arbeitnehmer, mindestens jedoch von drei Wahlberechtigten unterzeichnet sein. In Betrieben mit i. d. R. bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern genügt die Unterzeichnung durch zwei Wahlberechtigte. In jedem Fall genügt die Unterzeichnung durch 50 wahlberechtigte Arbeitnehmer.

Ungültig nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 WO ist ein Wahlvorschlag, sobald er nicht die erforderliche Anzahl von Stützunterschriften vorweist.

Arbeitgeberseitig sollte man folgenden Umstand insbesondere beachten: Wird ein Wahlvorschlag nach Erbringung der Stützunterschriften geändert, führt dies zur Unwirksamkeit des Wahlvorschlags, wenn nachträglich Kandidaten gestrichen oder hinzugefügt werden und die nach der Veränderung gesammelten Stützunterschriften das Quorum nicht erfüllen (BAG, Beschl. v. 6.11.2013– 7 ABR 65/11).

Dem Wahlvorstand obliegt die Pflicht nach § 7 WO, eingereichte Vorschlagslisten zu prüfen. Eine fehlerhafte Prüfung der Vorschlagsliste durch den Wahlvorstand führt grundsätzlich zur Anfechtbarkeit oder sogar zur Nichtigkeit der Wahl.

Durchführung der Wahl

Eine Betriebsratswahl kann entweder als Listen- oder Personenwahl stattfinden. Bei der Listenwahl geben die wahlberechtigten Arbeitnehmer ihre Stimme einer kompletten Liste (Vorschlagsliste). Die Verteilung der Sitze wird im Anschluss nach dem Prinzip der Verhältniswahl ermittelt (sog. d‘Hondt‘sches Höchstzahlverfahren).

Bei der Personenwahl können die wahlberechtigten Arbeitnehmer ihre Stimme den Wahlkandidaten direkt geben. Es werden diejenigen Kandidaten gewählt, die die meisten Stimmen erhalten haben. Jeder wahlberechtigte Arbeitnehmer hat dabei die Anzahl von Stimmen, wie Personen in den Betriebsrat gewählt werden. Die wahlberechtigten Arbeitnehmer können jedoch weniger Kandidaten wählen, als sie Stimmen haben.

Bei der Durchführung der Wahl wird zudem zwischen dem vereinfachten und dem normalen Wahlverfahren unterschieden. Das vereinfachte Wahlverfahren wird in Form der Personenwahl durchgeführt. Bei dem normalen Wahlverfahren kann hingegen sowohl die Personenwahl als auch die Listenwahl Anwendung finden.

Das vereinfachte Wahlverfahren ist für Kleinbetriebe, also Betriebe mit i. d. R. 5 bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern, nach § 14a Abs. 1 BetrVG zwingend vorgeschrieben. Soweit in dem Betrieb 51 bis 100 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind, kann sich der Wahlvorstand gemeinsam mit dem Arbeitgeber auf die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens einigen (§ 14a Abs. 5). Ansonsten findet das normale Wahlverfahren statt.

Das vereinfachte Wahlverfahren unterscheidet zudem zwischen dem einstufigen und dem zweistufigen Verfahren. Welches hiervon angewandt wird, hängt davon ab, ob bereits ein Wahlvorstand bestellt wurde oder nicht. Sollte vom Betriebsrat, dem Gesamt- oder Konzernbetriebsrat oder durch das Arbeitsgericht kein Wahlvorstand bestellt worden sein, wird dieser in einer Betriebsversammlung (erste Stufe) gewählt. Der gewählte Wahlvorstand leitet anschließend die Betriebsratswahl ein (zweite Stufe). Ist ein Wahlvorstand bereits bestellt worden, entfällt die erste Stufe und es findet ein einstufiges Wahlverfahren statt.

Ob im normalen Wahlverfahren eine Personen- oder eine Listenwahl durchgeführt wird, hängt davon ab, wie viele Vorschlaglisten eingereicht wurden. Wurden mehrere Vorschlaglisten abgegeben, kommt es zu einer Listenwahl. Existiert hingegen nur eine einzige Vorschlagliste, kommt es automatisch zu einer Personenwahl. Beim normalen Wahlverfahren ist eine Personenwahl folglich nicht ausgeschlossen.

1. Urnen- und Briefwahl

Grundsätzlich sieht die Wahlordnung für die Durchführung der Wahl gem. § 12 Abs. 1 WO die Urnenwahl vor. Die Urnenwahl ist eine Präsenzwahl, die in einem entsprechenden Wahlraum durchgeführt wird. Die erforderlichen Utensilien werden vom Wahlvorstand bereitgestellt.

Sollten wahlberechtigte Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Wahl verhindert sein, sodass keine persönliche Stimmabgabe erfolgen kann, können sie ihre Stimme per Briefwahl abgeben. Die Briefwahl selbst ist in den §§ 24 bis 26 WO geregelt. Der Wahlvorstand hat danach den wahlberechtigten Arbeitnehmern auf ihr Verlangen hin alle erforderlichen Unterlagen für die Briefwahl zuzusenden. Sollte der Wahlvorstand Kenntnis davon haben, dass ein Arbeitnehmer nach der Eigenart seines Beschäftigungsverhältnisses, zum Zeitpunkt der Wahl, voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein wird, so hat er die entsprechenden Wahlunterlagen auch ohne das Verlangen des Arbeitnehmers diesem zu übersenden.

Die §§ 24 bis 26 WO regeln abweichend hiervon die Durchführung einer Briefwahl. Gemäß § 24 Abs. 1 WO hat der Wahlvorstand Wahlberechtigten, die im Zeitpunkt der Wahl an der persönlichen Stimmabgabe gehindert sein werden, auf ihr Verlangen die Wahlunterlagen für die schriftliche Stimmabgabe zu übersenden. Das sind:

  • Wahlausschreiben,
  • Vorschlagslisten,
  • Stimmzettel und Wahlumschlag,
  • eine vorgedruckte Erklärung über die persönliche Stimmabgabe sowie
  • ein Freiumschlag.

Gemäß § 24 Abs. 2 WO hat der Wahlvorstand denjenigen Wahlberechtigten, von denen ihm bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden, die vorstehend bezeichneten Wahlunterlagen ohne gesondertes Verlangen auszuhändigen.

2. Wahlergebnis

Bei einer Personenwahl sind die Kandidaten gewählt, die die meisten Stimmen bekommen haben. Bei einer Listenwahl werden die Betriebsratsmitglieder nach dem d‘Hondt‘schen Höchstzahlverfahren ermittelt.

Kosten der Betriebsratswahl

Nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die Kosten der Betriebsratswahl. Dazu gehören alle Kosten, die mit der Einleitung und der Durchführung der Wahl sowie mit der gerichtlichen Überprüfung des Wahlergebnisses verbunden sind (BAG, Beschl. v. 11.11.2009– 7 ABR 26/08).

Zu diesen Kosten gehören Sachausgaben für Wählerlisten, Stimmzettel, Vordrucke, Portokosten für schriftliche Stimmabgabe etc. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber bei Versäumnis von Arbeitszeit, die zur Betätigung im Wahlvorstand erforderlich ist, nicht zur Minderung des Arbeitsentgelts berechtigt.

Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers ist aber auf die erforderlichen Kosten der Betriebsratswahl begrenzt; die zu § 40 Abs. 1 BetrVG entwickelten Grundsätze gelten entsprechend (BAG, Beschl. v. 11.11.2009 – 7 ABR 26/08).

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Schulungsanspruch für BR-Mitglieder

Nach § 37 Abs. 6 BetrVG hat der Betriebsrat als Organ das Recht, seine Betriebsratsmitglieder zu Schulungs- und Bildungsveranstaltungen zu entsenden, sofern diese die „erforderlichen“ Kenntnisse vermitteln. Die Erforderlichkeit ergibt sich dann, wenn für den Betriebsrat, derzeitig oder künftig, betriebliche Situationen gegeben sind, für welche er entsprechende Schulungsmaßnahmen benötigt, um diese sachgerecht bewältigen zu können. Die Erforderlichkeit muss sowohl objektiv als auch subjektiv gegeben sein, jedoch steht dem Betriebsrat diesbezüglich ein Beurteilungsspielraum zu.

Grundsätzlich erforderlich ist die (einmalige) Vermittlung von Grundkenntnissen im

  • BetrVG und
  • im allgemeinen Arbeitsrecht sowie
  • im Bereich der Arbeitssicherheit bzw. der Unfallverhütung.

Ebenso besteht für die Betriebsratsmitglieder ein Anspruch auf die Teilnahme an Schulungen mit als geeignet anerkannten Inhalten gem. § 37 Abs. 7 BetrVG (Bildungsurlaub). Dieser beläuft sich grundsätzlich auf drei Wochen, bei neugewählten Betriebsratsmitgliedern in einem Umfang von vier Wochen je Amtszeit.

Schulungsanspruch des Wahlvorstands

Weder in der Wahlordnung noch im BetrVG ist ein Schulungsanspruch für die Mitglieder des Wahlvorstands zu finden. Ebenso fehlt es an einer Regelung, die auf eine entsprechende Anwendung des Schulungsanspruchs für Betriebsratsmitglieder nach § 37 Abs. 6 BetrVG verweist.

Ungeachtet dessen wird den Mitgliedern des Wahlvorstands vom BAG seit 1984 in ständiger Rechtsprechung ein Schulungsanspruch zugesprochen.

Begründet wird diese höchstrichterliche Rechtsprechung mit der Schwierigkeit der Materie und mit der außerordentlichen Bedeutung entsprechender Kenntnisse für die Wirksamkeit der Wahl. Der Schulungsanspruch liegt dabei sowohl im Interesse der Arbeitnehmer als auch des Arbeitgebers, da ohne einen Schulungsanspruch die Gefahr besteht, dass die Betriebsratswahlen wegen Fehlerhaftigkeit angefochten und wiederholt werden müssen. Dies würde zu erheblichen Mehrkosten für den Arbeitgeber führen.

Ebenso wie die Schulungen der Betriebsräte müssen die des Wahlvorstands erforderlich sein. Maßgabe sind in diesem Fall nur die Aufgabenbereiche des Wahlvorstands, nicht die des Betriebsrats. Ferner besteht ein Anspruch auf Schulungen, die Kenntnisse bzgl. der Vorbereitung und Durchführung sowie der Feststellung des Wahlergebnisses vermitteln. Da der Wahlvorstand auch konstituierende Sitzungen einberufen darf, besteht auch hierzu hinsichtlich der Vermittlung entsprechender Kenntnisse (falls nicht vorhanden) ein Schulungsanspruch. Darüberhinausgehende Schulungsinhalte sind grundsätzlich nicht erforderlich.

Kündigungsschutz

Gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG genießen Betriebsräte während ihrer Amtszeit und für sechs Monate nach Beendigung derselbigen einen besonderen Kündigungsschutz. Die Möglichkeit der Kündigung aus wichtigem Grund (außerordentliche Kündigung) i. V. m. der nach § 103 KSchG erforderlichen Zustimmung des Betriebsrats oder durch gerichtliche Entscheidung bleibt bestehen. Gleiches gilt für eine Kündigung nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG bei Betriebsstilllegung oder Stilllegung einer Betriebsabteilung.

Wurde die Wahl jedoch erfolgreich angefochten, entfällt der sechsmonatige Kündigungsschutz nach Beendigung der Amtszeit für die Betriebsratsmitglieder. Die Betriebsräte können dies jedoch umgehen, indem sie während des Wahlanfechtungsverfahrens zurücktreten und somit den nachwirkenden Kündigungsschutz behalten.

Der besondere Kündigungsschutz für die Wahlvorstandsmitglieder ergibt sich aus § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Danach genießen die Wahlvorstandsmitglieder einen besonderen Kündigungsschutz vom Zeitpunkt der Bestellung des Wahlvorstands bis sechs Monate nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Die Möglichkeit der Kündigung aus wichtigem Grund bleibt jedoch weiterhin bestehen.

Ebenfalls von § 15 Abs. 3 Satz 1 erfasst, sind die Wahlbewerber. Erforderlich für die Entstehung des besonderen Kündigungsschutzes ist die Bestellung des Wahlvorstands, das Vorliegen eines Wahlvorschlags für den Kandidaten und die erforderlichen Stützvorschriften. Entbehrlich ist es, ob das entsprechende Wahlausschreiben bereits erlassen ist oder nicht (BAG, Urt. v. 19.4.2014– 2 AZR 299/11).

Der besondere Kündigungsschutz besteht für den Wahlbewerber bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Im Falle einer erfolgreichen Wahl genießt der Wahlbewerber anschließend den Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG.

Gesetzliche Änderungen

Der Referentenentwurf des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes (Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt) ist am 21.3.2021 veröffentlicht worden. Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz beinhaltet wichtige Änderungen für die anstehende Betriebsratswahl 2022. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass Anpassungen der Wahlordnung noch in dieser Legislaturperiode erfolgen. Somit ist ein Blick aus Arbeitgebersicht auf die wichtigsten Regelungen des gegenständlichen gesetzlichen Vorhabens zwingend erforderlich.

1. Das vereinfachte Wahlverfahren

Nunmehr ist vorgesehen, dass das vereinfachte Wahlverfahren i. S. d. § 14a BetrVG für Betriebe mit 5 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern verpflichtend zur Anwendung kommt. In der aktuellen Fassung des § 14a BetrVG ist eine verpflichtende Durchführung des vereinfachten Wahlverfahrens bis zu einer Zahl von 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern vorgesehen. Zudem soll es zu einer Änderung des § 14a Abs. 5 BetrVG kommen. Demnach soll zukünftig in Betrieben mit 101 bis 200 wahlberechtigten Arbeitnehmern die Durchführung des vereinfachten Wahlverfahrens zwischen Arbeitgeber und Wahlvorstand vereinbart werden können.

2. Wirksamkeitsvoraussetzung von Stützunterschriften

In kleineren Betrieben mit bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern soll auf die Wirksamkeitsvoraussetzung von Stützunterschriften für einen Wahlvorschlag, die insbesondere dazu dienen sollen, nicht ernstgemeinte Bewerbungen für das Betriebsratsamt zu vermeiden, verzichtet werden. In Betrieben mittlerer Größe sollen die Schwellenwerte für die Stützunterschriften positiv festgeschrieben und abgesenkt werden, um so formale Hürden bei der Wahl eines Betriebsrats abzubauen.

3. Einschränkung des Wahlanfechtungsrechts

Von größerer Bedeutung für die Arbeitgeberseite ist die geplante Einschränkung des Wahlanfechtungsrechts. Das Anfechtungsrecht soll eingeschränkt werden, soweit der Grund für die Anfechtung die Unrichtigkeit der Wählerliste ist und zuvor nicht die rechtlich vorgesehene Möglichkeit zur Klärung eines solchen Wahlfehlers genutzt wurde. Demnach gilt es, in Bezug auf die Wählerliste besonderes Augenmerk auf diese zu richten. Die gleiche Einschränkung soll auch für den Arbeitgeber gelten, wenn dieser die Unrichtigkeit der Wählerliste zu verantworten hat.

4. Erweiterung des Kündigungsschutzes

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz sieht eine Extension des Kündigungsschutzes im Zusammenhang mit der Initiierung der Betriebsratswahl vor. Die Zahl der geschützten Einladenden zur Wahlversammlung erhöht sich aller Voraussicht nach auf sechs statt nach aktuellem Stand drei.

Der Gesetzgeber beabsichtigt gleichwohl einen verbesserten Kündigungsschutz in zeitlicher Hinsicht. So sollen Vorbereitungshandlungen zur Betriebsratswahl frühzeitig geschützt werden. Voraussetzung für einen speziellen befristeten Kündigungsschutz vor personen- und verhaltensbedingten ordentlichen Kündigungen für sog. Vorfeldinitiatoren kann von diesen erlangt werden, wenn sie eine öffentlich beglaubigte Erklärung abgegeben haben, dass sie einen Betriebsrat gründen möchten und auch entsprechende Vorbereitungshandlungen dafür unternommen haben. Zu den Vorbereitungshandlungen zählen u. a. die Kontaktaufnahme mit anderen Mitarbeitern über die Bereitschaft, für den Betriebsrat zu kandidieren oder aber auch die Kontaktaufnahme zu einer Gewerkschaft. Erforderlich ist hierbei die Abgabe einer öffentlich beglaubigten Erklärung nach § 129 BGB. Die Kostentragungspflicht für diese Erklärung wird dabei regemäßig den Wahlinitiatoren zukommen.

Fazit

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass der Arbeitgeber neben der Hilfestellung bei der Ermittlung der teilnehmenden Arbeitnehmer der Betriebsratswahl und den dargelegten Herausforderungen im Zusammenhang mit der Betriebsratswahl insbesondere die gebotene Neutralitätspflicht nach § 20 Abs. 2 BetrVG zu beachten hat. Ein Verstoß gegen diese arbeitgeberseitige Pflicht führt jedoch nicht zwingend zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl. Durch die vom Arbeitgeber erforderte Pflicht zur Neutralität obliegt es diesem, die Kandidaten und den Wahlvorstand nicht zu beeinflussen. Ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht liegt bereits dann vor, wenn der Arbeitgeber, egal in welcher Form, bestimmte Kandidaten oder Vorschlagslisten willentlich bevorzugt behandelt. Personalverantwortliche sollten bei auftretenden Rechtsfragen anlässlich der Betriebsratswahl zudem immer einschlägige Rechtsschutzmöglichkeiten prüfen.

Dominic Gottier

Dominic Gottier
LL.M., Rechtsanwalt, Inhaber, Institut GEM, Frankfurt am Main
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· Artikel im Heft ·

Betriebsratswahlen 2022
Seite 8 bis 13
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