Betriebsübliche berufliche Entwicklung eines freigestellten BR-Mitglieds

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Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf nicht geringer bemessen werden, als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers (§ 37 Abs. 4 BetrVG). Die Frage, wie die betriebsübliche Entwicklung verlaufen wäre, führt immer wieder zu Streit. Das LAG Köln hat mit Urteil vom 6.4.2017 (7 Sa 836/16, rk.) über die Klage eines freigestellten Technikers auf Zahlung einer Zulage i. H. v. 300 Euro brutto monatlich – die ein anderer Technikerkollege erhält – entschieden. Der Kläger wurde im Jahr 2006 erstmals in den Betriebsrat gewählt. Daher war es sachgerecht, als Ausgangspunkt auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der erstmaligen Wahl des Klägers in den Betriebsrat im Jahr 2006 abzustellen, um die seitdem erfolgte Einkommensentwicklung des Klägers mit derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer vergleichen zu können. Abzustellen ist nicht auf eine hypothetische individuelle Weiterentwicklung des Betriebsratsmitglieds selbst, sondern auf die betriebsübliche Weiterentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer.

Das Gericht stellte auf die Vergleichsgruppe der Technikerkollegen ab, die ebenso wie der Kläger in der Vergütungsgruppe T5 eingruppiert waren. Denn das Nachzeichnen der beruflichen Entwicklung für einen bestimmten Zeitraum macht nur Sinn, wenn alle Vergleichspersonen im Ausgangszeitpunkt auf dem gleichen Tätigkeitsniveau beschäftigt wurden. Demnach waren in die Betrachtung 16 Techniker einzubeziehen, die im Klagezeitpunkt noch beschäftigt waren. Von diesen waren zwei im Mai 2016 immer noch in der Entgeltgruppe T5 eingruppiert, vier waren mittlerweile außertariflich vergütet. Die weitaus größte Gruppe, nämlich 10 von 16 der im Jahr 2006 in T5 befindlichen Techniker waren aber wie der Kläger in der Entgeltgruppe T6 beschäftigt. Insofern konnte das Gericht keine Benachteiligung des Klägers aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit feststellen.

Etwas anderes ergab sich auch nicht mit Blick auf die allgemeine Zulage. Denn im Mai 2016 erhielten vier Technikerkollegen eine höhere Zulage als der Kläger, drei eine geringere und drei weitere eine gleich hohe Zulage wie der Kläger. Insofern lag er bei der Bemessung der Zulage im Mittelfeld der Vergleichsgruppe, sodass auch hier eine Benachteiligung nicht vorlag. Schließlich gab das Gericht zu bedenken, dass bei der Anwendung des § 37 Abs. 4 BetrVG darauf zu achten ist, dass das Betriebsratsmitglied nicht besser gestellt wird als vergleichbare andere Belegschaftsmitglieder ohne Betriebsratsmandat.

Ein Überblick über die drei Teilbereiche des „Kollektiven Arbeitsrechts“: Betriebsverfassungsrecht (BetrVG, SprAuG, EBRG), Unternehmensmitbestimmungsrecht (DrittelbG, MitbestG, Montan-MitbestG), Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht (TVG, Artikel 9 III GG)

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Betriebsübliche berufliche Entwicklung eines freigestellten BR-Mitglieds
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