Zum Jahresbeginn haben wir uns die Zeit genommen, einmal exklusiv das wichtige Thema Datenschutz zu beleuchten und verzichten auf die sonst üblichen verschiedenen Sichtweisen. Ausgangspunkt ist unsere Podcast-Folge „Kurz gefragt“ vom 12.12.2024 mit dem Titel „Ist das Beschäftigtendatengesetz jetzt gescheitert?“, ergänzt durch den Beitrag von Volker Stück in dieser Ausgabe (AuA 1/25, S.22ff.). Im Februar finden Sie in dieser Rubrik dann wieder wie gewohnt zwei Standpunkte zu einem Thema.
Lieber Herr Dr. Lelley, was halten Sie von den aktuellen datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz und wie hat Ihnen insbesondere der (gescheiterte) Entwurf des Beschäftigtendatengesetzes gefallen?
Die DSGVO und das BDSG stellen strenge Anforderungen an Arbeitgeber, die Überwachungsmaßnahmen umsetzen möchten. Diese Regeln, etwa zur Verhältnismäßigkeit oder Transparenz, sind oft eine Hürde für Unternehmen. Selbst bei berechtigtem Interesse, wie der Sicherung von Geschäftsdaten, stößt man schnell an Grenzen. Eine Lockerung der Anforderungen wäre wünschenswert, um Unternehmen mehr Handlungsspielraum zu ermöglichen. Der Entwurf des Beschäftigtendatengesetzes hat hier aus meiner Sicht enttäuscht.
Wie lässt sich die Balance zwischen den berechtigten Interessen des Arbeitgebers an der Überwachung und dem Recht der Mitarbeiter auf Privatsphäre und Datenschutz finden?
Nun ja, es muss ja nicht unbedingt immer direkt um Überwachung gehen. Aber Kontrolle, auch Leistungs-und Verhaltenskontrolle, gehört zum Arbeitsverhältnis doch wohl dazu. Aktuell wird die Privatsphäre der Mitarbeiter stark betont, während die legitimen Interessen der Unternehmen, etwa die Aufdeckung von Fehlverhalten, häufig nachrangig behandelt werden. Über eine Neugewichtung zugunsten der Arbeitgeber könnte man nachdenken, um eine bessere Durchsetzbarkeit von Maßnahmen zu gewährleisten.
Welche Arten von Überwachungsmaßnahmen sind am Arbeitsplatz grundsätzlich zulässig, und welche rechtlichen Grenzen dürfen Arbeitgeber dabei keinesfalls überschreiten?
Zulässig sind Videoüberwachung in sensiblen Bereichen oder IT-Kontrollen, allerdings nur unter strengen Voraussetzungen. Heimliche Überwachung ist nahezu ausgeschlossen, selbst bei Verdacht auf Straftaten. Diese Einschränkungen hemmen die Handlungsfähigkeit von Unternehmen massiv und auch der Entwurf des Beschäftigtendatengesetzes ging hier nicht in die richtige Richtung. Ich denke, niemand hat ein Interesse daran, den Merksatz Datenschutz ist kein Tatenschutz umzukehren.
Wie wirken sich aktuelle Urteile des Europäischen Gerichtshofs oder deutscher Gerichte auf den Datenschutz am Arbeitsplatz aus? Können Sie ein Beispiel nennen, das wegweisend für die Praxis ist?
Urteile des BAG zum Thema haben über Jahre hinweg die Situation vieler Unternehmen nicht gerade vereinfacht. Viele Kontrollmaßnahmen wurden im Nachhinein als rechtswidrig angesehen, was Unternehmen in der Praxis oft schadet. Seit Juni 2023 scheint es hier eine Trendwende in der Rechtsprechung zu geben. Denn da wurde vom BAG ja entschieden, dass Videoaufnahmen in Kündigungsschutzprozessen genutzt werden können und kein generelles Beweisverwertungsverbot eingreift. Vor allem Datenschutzverstöße des Arbeitgebers sollen nicht ohne weiteres zu Beweisverwertungsverboten führen. Und genau diese Rechtsprechung wollte man im Entwurf des Beschäftigtendatengesetzes wieder umdrehen, wenn ich es richtig sehe.
Was tun Arbeitnehmer, wenn sie den Eindruck haben, dass Überwachungsmaßnahmen ihres Arbeitgebers ihre Privatsphäre verletzen? Welche konkreten Schritte sind zu erwarten und welche Ansprechpartner werden dann einbezogen?
Arbeitnehmer können sich an den Betriebsrat oder die Datenschutzbehörde wenden. Dies eröffnet jedoch Missbrauchspotenzial, da auch unbegründete Beschwerden Unternehmen schaden können. Immer wieder höre ich von Arbeitgebern, dass sie sich hier stärkere Schutzmechanismen wünschen, um legitime Maßnahmen nicht unnötig zu gefährden.
Wie können Arbeitgeber durch transparente Kommunikation und Betriebsvereinbarungen verhindern, dass Überwachungsmaßnahmen das Vertrauensverhältnis zu den Mitarbeitern beeinträchtigen?
Transparenz schafft Vertrauen, ist aber oft hinderlich für die Effektivität von Überwachungsmaßnahmen. Weniger bürokratische Anforderungen und mehr Handlungsspielraum wären hilfreich, um notwendige Maßnahmen flexibel und zielgerichtet einsetzen zu können.
Können Sie praktische Empfehlungen geben, wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Datenschutz am Arbeitsplatz effektiv umsetzen können?
Auch wenn das nach meiner Antwort auf die vorangegangene Frage vielleicht verwundert: Eine gut gemachte Betriebsvereinbarung ist die, die das schutzwürdige allgemeine Persönlichkeitsrecht und die legitimen Kontrollbefugnisse der Arbeitgeberin fair in Ausgleich bringt. Das kann Wunder wirken.
Vielen Dank für das Gespräch!
Dr. Jan Tibor Lelley
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