Der Betriebsrat bzw. ein gebildeter Betriebsausschuss hat nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG Anspruch darauf, in die Listen über die Bruttolöhne und Gehälter Einblick zu nehmen. Dieses Recht kann das Gremium jederzeit ausüben, es ist kein besonderer Anlass erforderlich. Denn der nötige Aufgabenbezug ergibt sich bereits daraus, dass der Betriebsrat darüber zu wachen hat, ob im Rahmen der Vergütung der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet wird und ob sein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich betrieblicher Entlohnungsgrundsätze gewahrt wird. Das BAG (Beschl. v. 14.1.2014 – 1 ABR 54/12) hatte in einer grundlegenden Entscheidung ausdrücklich ausgeführt, der Betriebsrat benötige die Kenntnis der effektiv gezahlten Vergütungen, um sich ein Urteil darüber bilden zu können, ob insoweit ein Zustand innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit existiert. Auch wenn die Regelung des § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG nicht besagt, ob die Bruttoentgeltlisten die Namen und Vornamen der Beschäftigten enthalten müssen, geht das BAG bereits in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2014 davon aus. Dem Beschluss ist außerdem zu entnehmen, dass der Arbeitgeber nicht für den Betriebsrat eine besondere Bruttoentgeltliste aufbereiten, sondern nur erstellte und vorhandene Listen zur Einsichtnahme bereithalten muss.
In einem Rechtsstreit vor dem LAG Hamm (Beschl. v. 19.9.2017 – 7 TaBV 43/17) stritten Betriebsrat und Arbeitgeber über den Umfang des Einsichtsrechts in die Bruttoentgeltlisten, insbesondere darüber, ob die Namen und Vornamen der Beschäftigten angegeben werden müssen sowie die tarifliche Eingruppierung. Das Unternehmen weigerte sich, die Namen preiszugeben und berief sich auf datenschutzrechtliche Bestimmungen und die Begründung zum Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG), wonach die entsprechenden Bruttoentgeltlisten ohne Nennung der Namen zur Einsichtnahme vorzulegen seien.
Das LAG Hamm schloss sich in seinen Urteilsgründen voll dem BAG-Beschluss vom 14.1.2014 an und bejahte einen Anspruch des Betriebsrats bzw. Betriebsausschusses auf Einsichtnahme in personalisierte Bruttoentgeltlisten, aus denen die Namen und Vornamen der Beschäftigten ersichtlich sind.
Ein Überblick über die drei Teilbereiche des „Kollektiven Arbeitsrechts“: Betriebsverfassungsrecht (BetrVG, SprAuG, EBRG), Unternehmensmitbestimmungsrecht (DrittelbG, MitbestG, Montan-MitbestG), Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht (TVG, Artikel 9 III GG)
Auch die Bestimmungen des am 6.7.2017 in Kraft getretenen EntgTranspG (vgl. hierzu ausführlich Giesecke, AuA 8/17, S. 466 f.,Glaser/Gross, AuA 5/17, S. 302 ff., sowie Bily/Ludwig, AuA 2/18, S. 82 f., in diesem Heft) stehen nach Auffassung der Richter dem Anspruch des Betriebsrats auf die namentliche Aufführung der Beschäftigten in den Bruttoentgeltlisten nicht entgegen. Nach diesem Gesetz haben Beschäftigte in Betrieben mit i. d. R. mehr als 200 Arbeitnehmern einen individuellen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Vergleichsentgelte vergleichbar beschäftigter Gruppen, wenn die Vergleichstätigkeit von mindestens sechs Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird. Der Gesetzgeber legt – anders als nach dem BetrVG – dem Arbeitgeber die Verpflichtung auf, entsprechende Bruttoentgeltlisten mit den im Gesetz geregelten Inhalten zu erstellen. Dabei ist der Schutz personenbezogener Daten der vom Auskunftsverlangen betroffenen Beschäftigten zu wahren, so dass die herrschende Meinung davon ausgeht, dass nur anonymisierte Entgeltlisten zu erstellen sind (vgl. §§ 10 ff., 12 Abs. 3 EntgTranspG). § 13 EntgTranspG regelt die Aufgaben und Rechte des Betriebsrats. Danach fördert er die Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern im Betrieb. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsausschuss Einblick in die Listen über die Bruttolöhne und Gehälter der Beschäftigten zu gewähren. Die Entgeltlisten müssen nach Geschlecht aufgeschlüsselt alle Entgeltbestandteile enthalten, einschließlich übertariflicher Zulagen und solcher Zahlungen, die individuell ausgehandelt und gezahlt werden. Die Entgeltlisten sind so aufzubereiten, dass der Betriebsausschuss im Rahmen seines Einsichtsrechts die Auskunft ordnungsgemäß erfüllen kann. Aus der Gesetzesbegründung zum EntgTranspG geht hervor, dass dadurch die Rechte der Arbeitnehmervertretung gestärkt werden sollen. Daher kann aus der Regelung nach Auffassung des LAG Hamm nicht gefolgert werden, dass künftig auch die Bruttolohn- und Gehaltslisten nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG nur noch anonymisiert zu erstellen sind. Damit würde der Zweck des Gesetzes in sein Gegenteil verkehrt. Dafür spreche auch die Regelung in § 13 Abs. 6 EntgTranspG, wonach gesetzliche und sonstige kollektiv-rechtlich geregelte Beteiligungsrechte des Betriebsrats von diesem Gesetz unberührt bleiben.
Das Gericht ließ die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, insbesondere wegen des Verhältnisses des in § 13 EntgTranspG geregelten Einsichtsrechts des Betriebsausschusses und der allgemeinen Vorschrift des § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Sie ist beim BAG unter Az. 1 ABR 53/17 anhängig.
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