Der BFH hat mit Urteil vom 16.12.2020 (VI R 35/18) entschieden, dass die erste Tätigkeitsstätte eines Gerichtsvollziehers sein Amtssitz ist. Dieser besteht aus den Dienstgebäuden des Amtsgerichts, dem er zugeordnet ist, und dem Geschäftszimmer, welches er am Sitz des Amtsgerichts auf eigene Kosten zu halten hat. Nach der Legaldefinition zu § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG ist erste Tätigkeitsstätte die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmers (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Die Zuordnung zu einer entsprechenden Einrichtung wird gem. § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Von einer dauerhaften Zuordnung sei ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
Nach diesen Maßstäben kamen sowohl das FG als auch der BFH zu dem Ergebnis, dass sich die erste Tätigkeitsstätte des Gerichtsvollziehers/Klägers im betroffenen Jahr an seinem Amtssitz in den Dienstgebäuden des Amtsgerichts sowie dem vom Kläger angemieteten Geschäftszimmer befand. Einem Gerichtsvollzieher wird in den Dienstgebäuden des Amtsgerichts kein Geschäftszimmer zur Verfügung gestellt. Er ist deshalb nach § 30 GVO verpflichtet, an seinem Amtssitz, hier dem Sitz seiner Dienstbehörde, ein Geschäftszimmer auf eigene Kosten zu halten. Dieses ist von außen als solches kenntlich zu machen und mit einem Briefeinwurf oder Briefkasten zu versehen.
Das Arbeitsrecht unterliegt dem ständigen Wandel der Rechtsprechung. Handwerkliche Fehler sind teuer und vermeidbar. Personalverantwortliche müssen dafür die aktuellen Entwicklungen im Auge behalten.
Rainer Kuhsel

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