Dringende betriebliche Gründe für eine Kündigung liegen nur dann vor, wenn die Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz, ggf. zu geänderten Bedingungen, objektiv nicht möglich ist. Ob die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern die Annahme rechtfertigt, es seien „freie“ Arbeitsplätze vorhanden, hängt nach der Rechtsprechung des BAG von den Umständen des Einzelfalls ab. Werden Leiharbeitnehmer lediglich zur Abdeckung von Auftragsspitzen eingesetzt, liegt keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit vor. Anders kann die Sachlage zu beurteilen sein, wenn der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer beschäftigt, um mit ihnen ein nicht schwankendes, ständig vorhandenes (Sockel-)Arbeitsvolumen abzudecken. Wenn der Leiharbeitnehmer einen Stammmitarbeiter vertritt, fehlt es i. d. R. an einem freien Arbeitsplatz (BAG, Urt. v. 15.12.2011 – 2 AZR 42/10, AuA 12/12, S. 728). Vor dem LAG Köln stritten die Parteien über eine betriebsbedingte Kündigung in einem Automobilzulieferbetrieb. Das Unternehmen beschäftigte 106 Arbeitnehmer und acht Leiharbeitnehmer. Der Arbeitgeber trug vor, die Leiharbeitnehmer seien zur Vertretung vorübergehend ausgefallener Mitarbeiter der Stammbelegschaft beschäftigt worden, und zwar in einem Zeitraum von über zwei Jahren. Darin sah das LAG Köln (Urt. v. 2.9.2020 – 5 Sa 295/20) eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit.
Die Beklagte beschäftige Leiharbeitnehmer, um mit ihnen ein nicht schwankendes ständig vorhandenes (Sockel-)Arbeitsvolumen abzudecken. Das Gericht greift auf die Rechtsprechung des 7. Senats des BAG zur Befristung mit dem Sachgrund der Vertretung zurück. Dieser Sachgrund besteht dann nicht, wenn der Arbeitgeber den befristet beschäftigten Arbeitnehmer über Jahre hinweg im Ergebnis als Personalreserve für unterschiedliche Vertretungsfälle einsetzt. In diesem Fall besteht in Wahrheit ein dauerhafter Bedarf an der Beschäftigung (BAG, Urt. v. 17.5.2017 – 7 AZR 420/15, AuA 5/18, S. 314).
Diese Rechtsprechung hat Relevanz für die Wirksamkeit betriebsbedingter Kündigungen beim Einsatz von Leiharbeitnehmern. Maßgeblich ist, ob aufgrund einer fortlaufenden Beschäftigung dieses Leihpersonals auf einen dauerhaften Bedarf geschlossen werden darf. Ergibt sich, dass ein Dauerbedarf besteht, wird auch ein Leiharbeitnehmer nicht als Personalreserve zur Abdeckung eines Vertretungsbedarfs beschäftigt. Das Gericht ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.
Das Buch geht auf die realen Arbeitssituationen, die im Umbruch sind, ein und zeigt sowohl arbeitsrechtliche Herausforderungen als auch erste, bereits in der Unternehmenspraxis umgesetzte Lösungsansätze auf.
Dr. Claudia Rid
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