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RECHTSPRECHUNG - Kurz kommentiert

Mitbestimmung bei der Auslagerung einer Meldestelle nach § 12 HinSchG

Die §§ 12 ff. HinSchG verpflichten Arbeitgeber mit i. d. R. 50 oder mehr Beschäftigten zur Einrichtung und zum Betrieb einer internen Meldestelle.

Ein Unternehmen mit ca. 230 Mitarbeitern hatte entschieden, die interne Meldestelle auf seine Steuer- und Anwaltskanzlei auszulagern. Im Zuge dessen informierte die Arbeitgeberin die Beschäftigten, dass eine interne Meldestelle eingerichtet sei, an die sich die Beschäftigten „vertraulich und sicher“ per E-Mail melden könnten und teilte die E-Mail-Adresse mit. Sie informierte ferner über die Art von Meldungen und den Inhalt einer potenziellen Meldung (wann und wo wurde der Vorfall beobachtet, welche Personen waren beteiligt etc.) und dass die Meldung innerhalb von sieben Tagen durch einen Mitarbeiter der Meldestelle bestätigt wird.

Der Betriebsrat sah dadurch sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verletzt und argumentierte, die Einrichtung einer Meldestelle betreffe das Ordnungsverhalten. Er beantragte daher dem Arbeitgeber aufzugeben, es zu unterlassen, die interne Meldestelle zu betreiben, ohne dass der Betriebsrat dem zugestimmt hat oder seine Zustimmung durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt worden ist sowie die Verhängung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung.

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Der Antrag des Betriebsrats war in beiden Instanzen erfolgreich (LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 8.7.2025 – 2 TaBV 16/24). Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat in Angelegenheiten der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen. Das Ordnungsverhalten ist berührt, wenn die Maßnahme des Arbeitgebers auf die Gestaltung des kollektiven Miteinanders oder die Gewährleistung und Aufrechterhaltung der vorgegebenen Ordnung des Betriebs zielt. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der Beschäftigten. Die Mitbestimmung ist jedoch auf die Fälle beschränkt, in denen eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Da § 12 HinSchG den Arbeitgeber verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten ist das „Ob“ der Einrichtung damit mitbestimmungsfrei. Allerdings besteht ein Mitbestimmungsrecht in Anbetracht der Spielräume in der Ausgestaltung des Meldesystems und -verfahrens. Mit der Einrichtung der Meldestelle sind die Arbeitnehmer aufgefordert, sich Gedanken zu machen, ob ein meldepflichtiger Verstoß vorliegen könnte und die Meldestelle ggf. zu nutzen ist. Es bestehe eine Meldeordnung, die vorgibt, wann, wie, an wen und unter welchen Voraussetzungen Verstöße gemeldet werden sollten oder können und wie diese im weiteren Verlauf zu bearbeiten sind. Durch ein standardisiertes Meldeverfahren wird das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb gesteuert. Das Mitbestimmungsrecht setzt nicht voraus, dass es sich um verbindliche verhaltensbegründende Regeln handelt.

An dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ändert sich auch nichts, weil der Arbeitgeber vorliegend entschieden hat, die Meldestelle auf die ihn vertretende Rechtsanwaltskanzlei auszulagern. Auch wenn der Arbeitgeber über das „Ob“ der Auslagerung mitbestimmungsfrei entscheiden kann, bleibt das „Wie“ der weiteren Ausgestaltung auch beim Betrieb einer Meldestelle durch einen Dritten mitbestimmt. Ansonsten hätte es der Arbeitgeber in der Hand, durch eine Auslagerung an einen Dritten die Mitbestimmung des Betriebsrats zu umgehen.

Das Gericht ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung die Rechtsbeschwerde zum BAG zu.

Dr. Claudia Rid

Dr. Claudia Rid

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, München
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