Probezeitkündigung: Anforderungen an eine Betriebsratsanhörung
Ein Unternehmen hatte am 1.11.2023 einen Angestellten als Director E-Commerce, Marketing & Sales eingestellt. Nach dem Arbeitsvertrag war der Mitarbeiter leitender Angestellter i. S. v. § 5 Abs. 3 BetrVG. Es war eine sechsmonatige Probezeit vereinbart. Am 19.4.2024, also kurz vor Ablauf der Probezeit schickte die Personalleiterin an den Betriebsrat eine E-Mail mit dem Betreff „BR-Anhörung: Kündigung“. Darin teilt sie mit, dass der Betriebsrat zu einer Kündigung eines Mitarbeiters in der Probezeit angehört werden solle. Das Unternehmen bewerte die Arbeitsweise und den Führungsstil des Mitarbeiters kritisch. Dies ließe in der Gesamtheit seine Eignung sowohl für die übernommene Position als auch zur Mitarbeiterführung in Frage stellen. Daher beabsichtige man von dem Recht Gebrauch zu machen, eine Kündigung in der Probezeit auszusprechen.
Der Betriebsrat nahm mit E-Mail vom 23.4.2024 Stellung und teilte mit, dass er die Initiative, das Anstellungsverhältnis zu kündigen, unterstützt, da sich viele Mitarbeiter über das Verhalten des „Directors“ beschwert hätten. Daraufhin übergab das Unternehmen dem Angestellten am 29.4.2024 die Kündigung innerhalb der Probezeit mit Wirkung zum 13.5.2024. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage war nicht erfolgreich (LAG Köln, Urt. v. 2.4.2025 – 5 SLa 536/24).
Der Kläger machte geltend, dass es sich lediglich um eine Vorratsanhörung des Betriebsrats gehandelt habe und der Geschäftsführer im Zeitpunkt der Anhörung noch gar nicht dazu entschlossen war, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Außerdem bestritt der Kläger, dass die Personalleiterin die Vollmacht hatte, den Betriebsrat anzuhören. Diese habe sie nicht nachgewiesen. Das Gericht war jedoch der Auffassung, dass die Anhörung den inhaltlichen Anforderungen genügte. Bei einer Kündigung in der Wartezeit ist die Substantiierungspflicht nicht an den objektiven Merkmalen der Kündigungsgründe des noch nicht anwendbaren § 1 KSchG, sondern allein an den Umständen zu messen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet (subjektive Determination). Es ist zwischen
- Kündigungen, die auf substantiierbare Tatsachen gestützt werden und
- Kündigungen, die auf personenbezogenen Werturteilen beruhen, die sich in vielen Fällen durch Tatsachen nicht näher belegen lassen,
zu differenzieren.
Während in der ersten Konstellation dem Betriebsrat die zugrunde liegenden Tatsachen mitgeteilt werden müssen, reicht in der zweiten Konstellation allein die Mitteilung des Werturteils für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung. Das BAG hat sogar eine schriftliche Anhörung als ausreichend angesehen in der die Arbeitgeberin nur ausgeführt hatte, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei nicht in ihrem Interesse (BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 121/12). Danach war der Hinweis der Beklagten, dass sie die Eignung des Klägers für die übernommene Position und zur Mitarbeiterführung in Frage stelle, ausreichend.
Das Gericht sah auch keine unwirksame „Vorratsanhörung“. Davon geht die Rechtsprechung dann aus, wenn die Anhörung zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem die Kündigungsüberlegungen noch unter dem Vorbehalt der weiteren Entwicklung stehen. Dies war hier nicht der Fall. Das Gericht führt ferner aus, dass das Verfahren nach § 102 BetrVG kein formalisiertes, an bestimmte Formvorschriften gebundenes Verfahren ist. Deswegen genügt auch eine mündliche oder fernmündliche Anhörung des Betriebsrats den Anforderungen des § 102 BetrVG. Vor diesem Hintergrund ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber im Kündigungsschutzverfahren darlegt, dass die Person, die auf Seiten des Arbeitgebers die Betriebsratsanhörung durchgeführt hat, hierzu konkret bevollmächtigt bzw. beauftragt war. Der Betriebsrat kann die Anhörung auch nicht nach § 174 BGB wegen nicht erfolgter Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückweisen. Insbesondere dann, wenn die Personalleiterin die Anhörung durchführt, konnte der Betriebsrat aufgrund ihrer Stellung davon ausgehen, dass sie dazu berechtigt war. Die Beklagte war auch nicht gehalten, darzulegen und Beweis dafür anzutreten, dass der Geschäftsführer im Zeitpunkt der Anhörung des Betriebsrats zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses fest entschlossen gewesen war.
Das Gericht ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zu. Sie ist beim BAG unter dem Az. 2 AZR 110/25 anhängig.
